Khairi Alqam

palästinensischer Attentäter

Khairi Musa Alqam (arabisch خيري موسى علقم, DMG Ḫairī Mūsā ʿAlqam; * 19. November 2001 in Shuafat, Jerusalem; † 27. Januar 2023 in Neve Yaakov, Jerusalem) war ein Palästinenser, der im Alter von 21 Jahren am Freitagabend, den 27. Januar 2023 einen Anschlag auf eine Synagoge in Ostjerusalem durchführte, bei dem er sieben Menschen tötete und drei weitere Personen schwer verletzte.[1]

 
Karte von Jerusalem: braun ist die Altstadt, lilagrau Westjerusalem und in rot ist die Stadtgrenze Ostjerusalems eingezeichnet (dunkelrot bis 1967), hellblau die jüdischen und hellgrün die arabischen Viertel in Ostjerusalem, dunkelblau die jüdischen und dunkelgrün die arabischen Gebiete im Westjordanland.

Khairi Alqam wurde am 19. November 2001 im Lager Shuafat (zwischen Shuafat und Anata gelegen) geboren. Dies ist ein Lager in Ostjerusalem, das zur Aufnahme palästinensischer Flüchtlinge errichtet wurde. Er ist das zweite von sieben Geschwistern.

Khairi Alqam lebte im Viertel At-Tur in Ost-Jerusalem. Er hatte einen Abschluss der allgemeinbildende Oberschule von At-Tur; nach Abschluss seiner Ausbildung arbeitete er als Elektriker.[1]

Hintergrund

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Alqam wurde nach seinem Großvater Khairi Alqam benannt, der am 13. Mai 1998 (damals 51 Jahre alt) auf dem Weg zur Arbeit nahe der Ramot-Siedlung in Jerusalem erstochen wurde.[1][2] Verurteilt wurde ein jüdischer Extremist der Kach-Bewegung, Chaim Pearlman[3], der 2010 in den Hausarrest entlassen wurde; er wurde dabei von Itamar Ben-Gvir juristisch vertreten.[4][5]

Der Anschlag fand einen Tag nach einem Einsatz der israelischen Armee in Dschenin statt, bei dem neun Palästinenser getötet und rund 20 verletzt worden waren.[6][7] Die Hamas stellte den Anschlag als Vergeltungsmaßnahme dar, aber in Alqams sozialen Netzwerken fand sich kein Hinweis darauf. Das letzte Posting auf seinem TikTok-Account war eine Botschaft mit dem Inhalt: „O Seele, wenn du nicht getötet wirst, dann stirbst du, und wir erheben unsere Hände [um uns zu ergeben] nur zu Gott, und wir werfen uns nur vor Gott nieder, und wir hören nur vom Gesandten Gottes.“[1] Die israelischen Sicherheitsdienste konnte keine Verbindung zu terroristischen Organisationen feststellen.[8]

Am Mittwoch vor dem Attentat wurde ein Verwandter namens Muhammad Ali, ein Teenager von 18 Jahren, von Soldaten erschossen, nachdem er sie mit einer Waffe bedroht habe. Diese stellte sich als Spielzeugpistole heraus.[9]

Der Ort des Anschlages in der Siedlung Neve Yaakov grenzt an das regionale Hauptquartier des israelischen Militärs Fort Nehemiah, das für die Operationen im besetzten Westjordanland und der Kontrolle Ostjerusalems zuständig ist.[10] Im Vorjahr waren 151 Palästinenser durch israelische Sicherheitskräfte getötet worden, dem höchsten Wert seitdem das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten Todesfälle ab 2005 systematisch erfasse.[11]

Das Attentat fand am Internationalen Holocaust-Gedenktag statt, was auf eine religiös motivierte Tat mit gläubigen Juden als Ziel weisen kann. Andererseits spricht ebenso viel dafür, dass es ein Racheakt war, der durch biographische Motive ausgelöst wurde.[9]

Tathergang

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Alqam fuhr am Freitag, den 27. Januar 2023 gegen 20:15 Ortszeit mit seinem Auto zur Ateret Avraham Synagoge an der Hauptstraße der überwiegend von Ultra-Orthodoxen bewohnten Siedlung Neve Yaakov, nordöstlich von Beit Hanina in Ostjerusalem. Dort schoss er mit einer FN-Pistole auf Passanten und die Gläubigen, die das Gotteshaus nach dem Schabbat-Gebet verließen.[8] Er tötete vier und einen Motorradfahrer. Durch den Lärm wurden Anlieger auf die Straße gelockt, wovon Alqam zwei erschoss.[12] Alqam wurde auf der Flucht an einer Straßenblockade bei einem Schusswechsel mit der israelischen Polizei getötet.[1][4] Die sieben Opfer waren Rafael Ben Eliyahu (56), Shaul Hai (68), Irina Korolova (59), Eli Mizrahi (48), Natalie Mizrahi (45), Asher Natan (14) und Ilya Sosansky (26). Das Ehepaar Mizrahi habe Verletzten helfen wollen und sie sind dabei dem Schützen in die Arme gelaufen.[13]

In der Folge wurde das Haus des Attentäters versiegelt und soll abgerissen werden; diese Art der Kollektivstrafe[11] war von 2005 bis 2014 in Israel ausgesetzt, was mit einer Phase mit wenigen Terrorakten korrelierte.[14] Es gibt Pläne zur Verstärkungen der Siedlungen auf der West Bank,[4] und der rechtsextreme Minister für Innere Sicherheit, Itamar Ben Gvir, kündigte an, die Waffengesetze zu liberalisieren, „wenn Zivilisten Waffen haben, können sie sich verteidigen.“ Zudem soll familiäre Unterstützung von Attentätern durch den Entzug von Sozialleistungen und Gesundheitsfürsorge geahndet werden.[15][16] Am 5. Februar wurden 7 Palästinenser in Jericho bei einer Razzia israelischer Sicherheitskräfte getötet.[11]

Einzelnachweise

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  1. a b c d e Palestinian reactions to the two deadly shooting attacks in Jerusalem. In: E 021-23. Meir Amit Intelligence and Terrorism Information Center, 2. Februar 2023, abgerufen am 4. Februar 2023: „On Friday night, January 27, 2023, a Palestinian terrorist carried out a shooting attack in the Neve Yaakov neighborhood in northern Jerusalem, killing seven civilians and wounding three. The shooter was a resident of east Jerusalem, 21 years old from the a-Tor neighborhood and was killed while being pursued.“
  2. بعد ربع قرن.. ما علاقة بن غفير بخيري علقم الجد والحفيد؟. Nach einem Vierteljahrhundert... Wie ist die Beziehung zwischen Bin Ghafir und Khairi Alqam, dem Großvater und Enkel? In: Jerusalem / Palästina. Al Jazeera, 31. Januar 2023, abgerufen am 5. Februar 2023: „Am Morgen des 13. Mai 1998 erstach der extremistische Siedler Haim Perelman den Jerusalemer Khairy Alqam (51 Jahre alt), als er auf dem Weg zur Arbeit in der Nähe der Ramot-Siedlung in Jerusalem war. (übersetzt mit Google Translate)“
  3. Liel Kyzer: Jerusalem's Serial Stabber Confounded Cops for More Than a Decade. Only now has it been revealed that police believe Jewish extremist Chaim Pearlman may have been responsible for the string of attacks. Haaretz Daily Newspaper, 15. Juli 2010, abgerufen am 5. Februar 2023: „The sixth attack was the first fatal one: Khairi Alkam, a construction worker from Ras al-Amud who was on his way to work in Beit Yisrael, was stabbed repeatedly in the torso and died of his injuries.“
  4. a b c Associated Press: Israel prepares to demolish home of Palestinian gunman. Planned demolition among a series of punitive steps by Israel, including plans to 'strengthen' West Bank settlements. In: Canoe. Postmedia Network, 29. Januar 2023, abgerufen am 4. Februar 2023: „Earlier on Sunday, Israeli police sealed up the east Jerusalem home of a 21-year-old Palestinian attacker who killed seven people and wounded three outside a synagogue on Friday night during the Jewish sabbath. […] The planned home demolition is among a series of punitive steps, including plans to “strengthen” its West Bank settlements, announced by Israel in the wake of the twin shootings.“
  5. Palestinian shooter was named after grandfather killed by Israeli settler. Haim Ferelman, who killed the grandfather of Khairy Alqam, was released despite killing four Palestinians. In: ISSN 2634-2456. Middle East Eye, 28. Januar 2023, abgerufen am 4. Februar 2023.
  6. uh/sti: Tote bei Militäreinsatz im Westjordanland. In: Nahost-Konflikt. Deutsche Welle, 26. Januar 2023, abgerufen am 4. Februar 2023: „Die Palästinensische Autonomiebehörde kündigte inzwischen die Zusammenarbeit mit Israel in Sicherheitsfragen auf. Als Grund nannte die Behörde den Tod der neun Palästinenser wie auch einseitige Maßnahmen Israels im Westjordanland.“
  7. Maureen Clare Murphy: Seven killed in Jerusalem settlement attack. In: The Electronic Intifada. Middle East Cultural and Charitable Society, 27. Januar 2023, abgerufen am 4. Februar 2023: „While Hamas didn’t claim responsibility for the shooting in Neve Yaakov, a settlement in East Jerusalem, a spokesperson for the resistance group praised the operation and described it as “the beginning of a response” to the Israeli raid on the West Bank city of Jenin on Thursday that left nine Palestinians dead. The Jenin raid was “the deadliest single Israeli operation in the West Bank since at least 2005,” a United Nations official said. Two children and a woman were among those killed in the Jenin raid. Twenty Palestinians were injured, four of them critically, according to the health ministry.“
  8. a b Bar Peleg, Josh Breiner, Nir Hasson: Six Minutes of Terror: How the Deadliest Attack in Israel in Recent Years Unfolded. Seven people were killed in four minutes of shooting that began when Khairi Alkam opened fire at passerby with his handgun near the Ateret Avraham synagogue. Haaretz Daily Newspaper, 28. Januar 2023, abgerufen am 5. Februar 2023: „Alkam was unfamiliar to security forces and had no connections to terrorist organizations. The police only knew about him because of some property-related infractions.“
  9. a b Christian Meier: Tote in Israel: Zwei Angriffe kurz nacheinander in Ostjerusalem. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 28. Januar 2023, abgerufen am 5. Februar 2023: „Zudem war demnach ein weiterer Verwandter von ihm, ein 18 Jahre alter Palästinenser namens Muhammad Ali, am Mittwoch während Auseinandersetzungen von israelischen Soldaten erschossen worden. Die Armee gab an, der Teenager habe Soldaten mit einer Waffe bedroht. Später stellte sich heraus, dass es sich um eine Spielzeugwaffe handelte.“
  10. Jalal Abukhater: Contextualizing the shooting in Neve Yaakov. Media and political leaders have misrepresented Khairy Alqam’s attack in the Israeli settlement of Neve Yaakov that killed seven Israeli settlers by ignoring the context in which it took place. In: Mondoweiss. The Center for Economic Research and Social Change, 2. Februar 2023, abgerufen am 4. Februar 2023: „There was no indication that Alqam intended to target any military assets. However, it was clear that the street where Khairy conducted the attack is directly adjacent to this military base. Khairy Alqam’s attack cannot be separated from this context.“
  11. a b c Amira Howeidy: Rising Palestinian casualties as Israel escalates the war. In: Al-Ahram Weekly. al-Ahram, 9. Februar 2023, abgerufen am 9. Februar 2023: „“Just as no grievance can justify the intentional targeting of civilians in Neve Yaakov,” said HRW [Human Rights Watch] Palestine and Israel Director Omar Shakir, “such attacks cannot justify the Israeli authorities intentionally punishing the families of Palestinian suspects by demolishing their homes and throwing them out on the street.”“
  12. Sieben Tote durch Schüsse vor Synagoge in Ost-Jerusalem. In: Nahost. Deutsche Welle, 28. Januar 2023, abgerufen am 4. Februar 2023: „Ersten Erkenntnissen nach handele es sich um einen 21-jährigen Palästinenser mit Wohnsitz in Ost-Jerusalem. […] Der Mann hatte sich laut Polizei gegen 20.15 Uhr (Ortszeit) zu der Synagoge in der Siedlung Neve Jaakov in Ost-Jerusalem begeben. Als Gläubige die Synagoge nach dem Schabbat-Gebet am Freitag verließen, habe der Angreifer von seinem Auto aus das Feuer eröffnet.“
  13. Trauer um Terroropfer. In: Jüdische Allgemeine. Zentralrat der Juden in Deutschland, 29. Januar 2023, abgerufen am 5. Februar 2023: „Elis Vater Shimon sagte auf dem Friedhof in der Nähe von Beit Shemesh, dass das Ehepaar Verletzten helfen wollte, dabei dann aber selbst ins Visier des Täters geriet. »Ich habe ihnen zugerufen, dass sie nicht herausgehen sollen, aber sie haben nicht reagiert. Sie hörten die Schüsse und gingen hinaus, um zu helfen«, so Elis Vater bei der Beerdigung.“
  14. Thorsten Brückner: Israel: Kein Respekt vor Eigentum und Leben. Freiheitsfunken AG, 4. Februar 2023, abgerufen am 6. Februar 2023: „In der Regel darf eine „Märtyrer-Familie“, deren Haus von israelischen Bulldozern plattgemacht wird, mit einer großzügigen Kompensation entweder von der Hamas, dem Islamischen Dschihad oder sogar der Autonomiebehörde rechnen. So treibt man auch Menschen, die möglicherweise mit Terror gar nichts am Hut haben, in die Arme der Extremisten. Von 2005 bis 2014 war ein Moratorium für Hauszerstörungen in Kraft, also die Dekade, in der Terroranschläge deutlich zurückgingen.“
  15. Israel: Kabinett will Waffenrecht lockern. Anschläge in Ost-Jerusalem. In: Nachrichten. ZDF, 29. Januar 2023, abgerufen am 4. Februar 2023: „Israel [hat] eine Reihe von Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung beschlossen. Unter anderem soll die Erteilung von Waffenscheinen beschleunigt und ausgeweitet werden, "um Tausenden von zusätzlichen Bürgern das Tragen von Waffen zu ermöglichen", heißt es in einer am Sonntagmorgen veröffentlichten Erklärung des israelischen Sicherheitskabinetts. […] Das Sicherheitskabinett kündigte im Anschluss an seine Sitzung von Samstagnacht zudem an, das Haus des Attentäters von Jerusalem umgehend zu versiegeln, bevor es abgerissen werde.“
  16. Israel beschließt neue Maßnahmen zur Terrorbekämpfung. Nahost-Konflikt. Deutsche Welle, 23. Januar 2023, abgerufen am 4. Februar 2023: „Weiter wurde bei der Sitzung des Sicherheitskabinetts beschlossen, Maßnahmen gegen Familienangehörige von Attentätern einzuleiten, die Terror unterstützen. Dazu gehört den Angaben zufolge, ihnen ihre Sozialleistungen sowie den Zugang zu Gesundheitsleistungen zu entziehen. Ob und wie genau überprüft werden soll, ob jemand Terror-Unterstützer ist, ist bislang unbekannt.“