Klebeband (Kunstsammlung)
Als Klebeband wird eine Sammlung von grafischen Werken bezeichnet, die zu Aufbewahrungs- und Präsentationszwecken auf den leeren Seiten eines Buches mit Kleister fixiert wurden. Die Blätter waren damit vor Beschädigung sowie vor Verlust geschützt. Die Blätter in Klebebänden zusammenzufassen war vom 16. bis ins 18. Jahrhundert in Europa eine nicht seltene Methode, umfangreichere Sammlungen an gezeichneten und gedruckten, zum Teil auch aus anderen Werken ausgeschnittenen Einzelblättern zu bewahren.[1] Da das Einkleben selbst auch zu Beschädigungen führen konnte, setzte sich ab dem 17. Jahrhundert das Auflegen der Blätter auf lose Kartons durch.[2]
Die erhalten gebliebenen Klebebände sind heute meist Bestandteil öffentlicher Sammlungen oder Bibliotheken. Sie sind Gegenstand wissenschaftlicher Forschungen, vor allem in den Bereichen Kunstgeschichte und Geschichte.[3]
Beschreibung und Bedeutung
BearbeitenBei den Einzelblättern, die in den Klebebänden enthalten sind, handelt es sich vor allem um Kupferstiche, Radierungen, Holzschnitte und Handzeichnungen, die zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert entstanden sind. Wohlhabende Kunstsammler wie beispielsweise der Fürst Maximilian Willibald von Waldburg-Wolfegg ließen die kostbaren Einzelblätter in großformatigen Büchern mit ledergebundenen Einbänden zusammenfassen. Neben Porträts wichtiger Persönlichkeiten und Städteansichten wurden auch Ausschnitte aus Druckwerken mit Texten und Abbildungen in die Klebebände eingefügt.[3]
Manche Klebebände wurden wieder auseinandergenommen, um die darin enthaltenen Blätter einzelnen Künstlern zuordnen oder sie in verschiedene Spezialsammlungen integrieren zu können. So ließ etwa 1930 Ernst von Frisch, der damalige Leiter der Salzburger Studienbibliothek, einen unter dem Namen „Wolf-Dietrich-Klebeband Städtebilder“ bekannten Klebeband mit 120 eingeklebten Landkarten und Stadtansichten aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, der dem Salzburger Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau zugeschrieben wird, in der Albertina in Wien von dem Kunsthistoriker und damaligen Leiter der grafischen Abteilung Joseph Meder fachmännisch wieder in Einzelstücke zerlegen.[4] Zahlreiche Einzelstücke des ehemaligen Klebebandes sind heute in der Sammlung von Handzeichnungen der Universität Salzburg zu finden.[5]
Die erhaltenen Klebebände gelten deshalb heute als wertvolle, einzigartige Zeugnisse frühneuzeitlicher Druck- und Zeichenkunst und Geschichte und als Spiegelbilder des Wissens und der Wissensvermittlung ihrer Zeit. Sie wurden zum Teil inzwischen von Universitäten sowie öffentlichen Museen und Bibliotheken aufgekauft und werden wissenschaftlich ausgewertet. Viele Klebebände sind heute öffentlich zugänglich oder als Digitalisat verfügbar. Allein in der Fürstlich Waldeckschen Hofbibliothek im hessischen Bad Arolsen, die heute einer Stiftung gehört, sind 21 Klebebände vorhanden.[6] Diese als „Arolser Klebebände“ bekannten Bücher wurden zwischen 2009 und 2012 im Rahmen eines Projektes der Universität Kassel mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft komplett digitalisiert.[6]
Bekannte Klebebände (Auswahl)
Bearbeiten- Die insgesamt 155 Klebebände der Sammlung Nicolai des württembergischen Generals und Militärschriftstellers Ferdinand Friedrich von Nicolai in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart.
- Die Klebebände der Fürstlich Waldeckschen Hofbibliothek („Arolser Klebebände“)
- Der ehemalige „Wolf-Dietrich-Klebeband Städtebilder“ des Fürsterzbischofs Wolf Dietrich von Raitenau (1559–1617)
- Der Kleine Klebeband des Fürsten Maximilian Willibald von Waldburg-Wolfegg (1604–1667)
- Der „Becksche Klebeband“ mit Werken des Braunschweiger Kupferstechers Anton August Beck (1713–1787)
- Die „Malerakademie“-Klebebände des Salzburger Fürsterzbischofs Hieronymus von Colloredo (Erzbischof)[7]
- Die Klebebände der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften und der Milich'schen Bibliothek im Graphischen Kabinett des Kulturhistorischen Museums Görlitz
- Das "Album Morsianum" (1610–1640) des Rosenkreuzers Joachim Morsius in der Stadtbibliothek Lübeck
Literatur
Bearbeiten- Daniel Hohrath: Die Bildung des Offiziers in der Aufklärung. Ferdinand Friedrich von Nicolai (1730 - 1814) und seine enzyklopädischen Sammlungen; eine Ausstellung der Württembergischen Landesbibliothek; 3. April bis 12. Mai 1990 in der Württ. Landesbibliothek Stuttgart; 19. Mai bis 15. Juli 1990 im Wehrgeschichtlichen Museum Rastatt, Württembergische Landesbibliothek, Stuttgart 1990, ISBN 3-88282-027-6.
- Marie Isabelle Vogel: Die Klebebände der Fürstlich Waldeckschen Hofbibliothek Arolsen – Wissenstransfer und -transformation in der Frühen Neuzeit. Peter Lang, Frankfurt am Main 2015, ISBN 978-3-631-66277-9 (Dissertation Universität Kassel 2014, 491 Seiten).[3]
- Beatrix Koll: Die Salzburger „Malerakademie“-Klebebände von Hieronimus Colloredo. In: Max Kunze (Hrsg.): Vision einer Akademie. Winckelmann und die Aktzeichnungen aus den Salzburger Klebebänden des Hieronymus Colloredo. Rutzen, Mainz 2014, ISBN 978-3-447-10297-1, S. 35–58 (online PDF, 58 Seiten).
- Roswitha Juffinger: Die Aktzeichnungen der „Malerakademie“-Klebebände. In: Max Kunze (Hrsg.): Vision einer Akademie. Winckelmann und die Aktzeichnungen aus den Salzburger Klebebänden des Hieronymus Colloredo, Rutzen, Mainz 2014, ISBN 978-3-447-10297-1, S. 59–80 (online PDF).
- Stephan Brankensiek: Die drei Klebebände der Passauer Sammlung: Ein bedeutendes Dokument frühneuzeitlichen Grafiksammelns. In: Eckhard Leuschner und Alois Brunner (Hrsg.): Artificio et Elegantia. Eine Geschichte der Druckgraphik in Italien von Raimondi bis Rosaspina, Schnell & Steiner, Regensburg 2003, ISBN 978-3-7954-1565-5, S. 23–26.
- Claudia Schnitzer: Zwischen "Auszierung der Wände" und "Stufengang der Kupferstechkunst" – Grafik-Dauerausstellungen im Dresdener Kupferstich-Kabinett von 1728 bis 1882 und ihre Bezüge zu Klebeband, Sammlungsrecueil und Tafelmontage. In: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden: Berichte, Beiträge. Staatliche Kunstsammlungen, Dresden 2010, ISSN 0419-733X, S. 50–61.
- Andrzej Betlej: Osiemnastowieczne ornamentalne "Klebebandy" w zbiorach polskich. In: Joanna Daranowska-Łukaszewska; Agata Dworzak; Andrzej Betlej (Hrsg.): Ornament i dekoracja dzieła sztuki. Studia z historii sztuki. Warschau 2015, S. 249–261.
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Marie Isabelle Vogel: Sammlungsobjekte zwischen Bild und Buch. Die Klebebände der Fürstlich Waldeckschen Hofbibliothek in Arolsen. In: Andreas Gardt (Hrsg.): Buchkultur und Wissensvermittlung in Mittelalter und Früher Neuzeit. De Gruyter, Berlin u. a. 2011, ISBN 978-3-11-026870-6, S. 23–40.
- ↑ Artikel Klebeband, in: Gerhard Strauss; Harald Olbrich (Hrsg.): Lexikon der Kunst : Architektur, bildende Kunst, angewandte Kunst, Industrieformgestaltung, Kunsttheorie. Band 3. Seemann, Leipzig 2004, ISBN 3-86502-084-4, S. 769.
- ↑ a b c Marie Isabelle Vogel: Die „Arolser Klebebände“, Universität Kassel, uni-kassel.de, abgerufen am 9. Juli 2016.
- ↑ Die Geschichte der Landkartengalerie, Universität Salzburg, uni-salzburg.at, abgerufen am 9. Juli 2016.
- ↑ Signaturenliste der Handzeichnungen, Universität Salzburg, ubs.sbg.ac.at, abgerufen am 9. Juli 2016.
- ↑ a b Fürstlich Waldecksche Hofbibliothek Hrsg.: Klebebände, Kurzbeschreibung und Bestandsnachweis, Universitätsbibliothek Heidelberg, digi.ub.uni-heidelberg.de, abgerufen am 9. Juli 2016.
- ↑ Roswitha Juffinger: Die Aktzeichnungen der „Malerakademie“-Klebebände. In: Max Kunze (Hrsg.): Vision einer Akademie. Winckelmann und die Aktzeichnungen aus den Salzburger Klebebänden des Hieronymus Colloredo, Rutzen, Mainz 2014, ISBN 978-3-447-10297-1, S. 59–80 (als pdf).