Klein-Nishina-Wirkungsquerschnitt

Der Klein-Nishina-Wirkungsquerschnitt ist der Wirkungsquerschnitt, der die Winkelverteilung von Photonen angibt, die an ruhenden, punktförmigen, geladenen Teilchen gestreut werden (Compton-Streuung). Er wurde 1929 von Oskar Klein und Yoshio Nishina für das Elektron berechnet und war eines der ersten Ergebnisse der Quantenelektrodynamik. Er stimmt mit den experimentellen Ergebnissen überein. In diesem Artikel wird die Rechnung für das Elektron nachvollzogen; für andere punktförmige Teilchen sind die Elementarladung und die Elektronenmasse durch entsprechende Parameter abzuändern.

Klein-Nishina-Wirkungsquerschnitt für den Streuwinkel bei verschiedenen Energien
(Einspeisung von links, d. h. bei 180°)

Die nun folgenden Formeln sind nicht im SI-System, sondern in einem für die Teilchenphysik angepassten natürlichen Einheitensystem angeschrieben, in dem gilt:

Definition

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Bei der Photon-Teilchen-Streuung legen in einer halbklassischen Rechnung Energie- und Impulserhaltung fest, wie die Energie   des gestreuten Photons vom Streuwinkel   und der ursprünglichen Photonenenergie   abhängt (siehe Compton-Effekt):

 

Aus den Erhaltungssätzen folgt aber nicht, wie häufig dieser oder jener Streuwinkel auftritt. Diese Häufigkeit wird durch den differentiellen Wirkungsquerschnitt   angegeben. Er lautet im Laborsystem für unpolarisierte Photonen:

 

mit

  • dem Raumwinkelelement  
  • der Feinstrukturkonstante   (natürliches Einheitensystem angewendet, s. o.)

Eine Integration über den differentiellen Wirkungsquerschnitt liefert den totalen Wirkungsquerschnitt:

 

mit der Abkürzung  .

Grenzfälle

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Niederenergetischer Grenzfall

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Für Photonenergien, die klein gegen die Ruheenergie des Elektrons sind, gilt aufgrund der Masselosigkeit des Photons   und somit

 ;

dann geht der Klein-Nishina-Wirkungsquerschnitt gegen den Thomson-Wirkungsquerschnitt, den Joseph Thomson für die Streuung einer elektromagnetischen Welle an einer Punktladung berechnet hatte:

 

mit dem Polarisationsfaktor  .

Für kleine Energien ist Rückwärtsstreuung des Photons also genauso wahrscheinlich wie Vorwärtsstreuung (vgl. Abbildung); erst bei höheren Energien wird Vorwärtsstreuung wahrscheinlicher (s. u.).

Für niederenergetische Photonen ist der totale Wirkungsquerschnitt nach einer Integration über den Raumwinkel   bis auf einen Faktor 8/3 die Fläche einer Kreisscheibe, deren Radius der klassische Elektronenradius   ist:

 

mit der Elektronenmasse  .

Hochenergetischer Grenzfall

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Der totale Wirkungsquerschnitt im hochenergetischen Grenzfall   ergibt sich aus einer Entwicklung im Parameter   zu

 .

Er fällt demnach bei hohen Photonenenergien mit der Energie ab.

Herleitung

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Der fundamentale Prozess, der zum Klein-Nishina-Wirkungsquerschnitt führt, ist die Compton-Streuung  . Bezeichnet   den Impuls des einlaufenden Elektrons und   den des ein(aus)laufenden Photons (der Impuls des auslaufenden Elektrons   ist durch den Energie-Impuls-Erhaltungssatz bestimmt und keine unabhängige Größe), so lautet das Spin-gemittelte quadrierte Matrixelement der Streumatrix:

 

Für die Berechnung des differentiellen Wirkungsquerschnitts aus dem lorentzinvarianten Matrixelement muss ein Bezugssystem gewählt werden, im Fall des Klein-Nishina-Wirkungsquerschnitts das Ruhesystem des Elektrons. Weiterhin können die Koordinaten so gewählt werden, dass das einfallende Photon in  -Richtung propagiert. Dann gilt mit   und   sowie   für das Matrixelement

 

Den Quotienten der Energien von gestreutem und einfallenden Photon erhält man über den Energie-Impuls-Erhaltungssatz mittels

 

wie bereits obig postuliert, zu

 .

Der differentielle Wirkungsquerschnitt ergibt sich nun quantenfeldtheoretisch nach

 

mit den Energien   der Streupartner, der Geschwindigkeitsdifferenz   sowie dem Phasenraum-Integral

 ,

wobei   für die Viererimpulse der eingehenden (ausgehenden) Teilchen stehen und die Delta-Distribution die Energie-Impuls-Erhaltung sichert.

Im Fall der Compton-Streuung ergibt sich das Phasenraumintegral schließlich zu

 

sowie aufgrund der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit trivialerweise  .

Alles zusammengefügt und mithilfe des Energie-Impuls-Erhaltungssatzes teilweise vereinfacht, ergibt dies schließlich den Klein-Nishina-Wirkungsquerschnitt

 

Literatur

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  • Otto Nachtmann: Phänomene und Konzepte der Elementarteilchenphysik. Vieweg Braunschweig, 1986, ISBN 3-528-08926-1.
  • O. Klein und Y. Nishina: Über die Streuung von Strahlung durch freie Elektronen nach der neuen relativistischen Quantenmechanik nach Dirac. In: Zeitschrift für Physik. 52, 1929, S. 853–868, doi:10.1007/BF01366453.
  • Michael D. Peskin und Daniel V. Schroeder: An Introduction to Quantum Field Theory, Perseus Books Publishing 1995, ISBN 0-201-50397-2