Konrad Ameln
Konrad Ameln (* 6. Juli 1899 in Neuss; † 1. September 1994 in Lüdenscheid) war ein deutscher Hymnologe, Musikwissenschaftler und Hochschullehrer.
Leben
BearbeitenKindheit, Jugend- und Studienjahre
BearbeitenKonrad Ameln wuchs in Kassel auf und besuchte dort das humanistische Wilhelms-Gymnasium. Er nahm als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teil und geriet in Gefangenschaft, aus der er 1919 entlassen wurde. Nach seiner Rückkehr erhielt er ohne Prüfung das Abiturzeugnis und begann 1920 ein Studium der Musikwissenschaft bei Friedrich Ludwig in Göttingen. 1921 wechselte er nach Freiburg i. Br. zu Wilibald Gurlitt. Dort wurde er 1924 mit einer Dissertation über die Geschichte der Melodien „Innsbruck, ich muss dich lassen“ und „Ach Gott, vom Himmel sieh darein“ promoviert.
Wirken
BearbeitenSeit seiner Jugend auch in der Wandervogel- und Jugendmusikbewegung engagiert, gab Konrad Ameln von 1925 bis 1933 die Zeitschrift Die Singgemeinde des Finkensteiner Bundes heraus. Nach weiteren Studien betätigte sich Ameln als Volkshochschuldozent und Leiter diverser Chöre in Rendsburg und Kassel. Von 1926 bis 1928 arbeitete er als Fachreferent für Musik bei den städtischen Bücherhallen und der deutschen Zentralstelle für volkstümliches Büchereiwesen in Leipzig. 1928 wurde er Leiter der Singwochen des Finkensteiner Bundes.
1930 gaben Wilhelm Thomas und Konrad Ameln eine Sammlung alter Weihnachtslieder unter dem Titel Das Quempas-Heft heraus (Bärenreiter-Verlag, Kassel, künstlerisch ausgestaltet von Helmuth Uhrig) und regten damit das Quempas-Singen neu an.[1]
Von 1930 bis 1939 war Konrad Ameln mit Unterbrechung Privatdozent für evangelische Kirchenmusik an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Ab 1931 lehrte er zunächst an der Pädagogischen Akademie in Elbing, später Dortmund. Da er sich 1933 weigerte, seine kommunistischen und sozialdemokratischen Studenten von den Abschlussprüfungen auszuschließen, wurde er wie einige Kollegen kurzzeitig inhaftiert. Nach diesen Ereignissen versetzte man ihn 1933 zunächst in den vorläufigen Ruhestand. Nach seiner Zwangspensionierung 1934 zog Ameln mit seiner Familie nach Lüdenscheid.
Im selben Jahr erschienen seine Hymnen für Männerchor Wir wollen ein starkes einiges Reich sein und Das Lied vom neuen Reich auf einen Text von Hermann Claudius.[2] Nach dem Vorfall an der Pädagogischen Akademie Dortmund trat Ameln am 1. November 1933 der SS bei[3] und war dort als SS-Scharführer und Schulungsleiter des Rasse- und Siedlungsamtes tätig.[4][5] Er beantragte am 15. Juni 1937 die Aufnahme in die NSDAP und wurde rückwirkend zum 1. Mai desselben Jahres aufgenommen (Mitgliedsnummer 4.261.371).[6][7]
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs meldete sich Ameln freiwillig zur Wehrmacht. Er wurde zunächst dem Landesschützen-Ersatz-Bataillon VI zugeteilt. Im April 1940 wurde er bei der 393. Infanterie-Division zum Leutnant befördert. Ameln war danach für die Wehrmacht-Abwehr tätig.[8] Im Januar 1945 war er Hauptmann beim Grenadier-Regiment 1001 und geriet bei Enns an der Donau in amerikanische Gefangenschaft. Er wurde am 24. Mai 1946 entlassen.[9]
1946 versuchte Ameln, seine frühere Tätigkeit als Dozent an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster wieder zu erlangen. Die evangelische Fakultät und die Landeskirche lehnten dies jedoch ab.[10] In der Nachkriegszeit war Konrad Ameln erneut als Dozent tätig, zunächst an der Landesmusikschule in Hannover. Von 1949 bis 1957 lehrte er Hymnologie und Geschichte der evangelischen Kirchenmusik an der Landeskirchenmusikschule Rheinland. Dort gab er das Handbuch der deutschen evangelischen Kirchenmusik heraus, das bis heute in zahlreichen Auflagen erschienen ist.[11] 1959 gründete er die Internationale Arbeitsgemeinschaft für Hymnologie, die er bis 1967 leitete.
Konrad Ameln wurde als Herausgeber von Werken Johann Sebastian Bachs (Motetten), Georg Friedrich Händels und Leonhard Lechners bekannt, die im Bärenreiter-Verlag erschienen. Im Auftrage der Georg-Friedrich-Händel-Gesellschaft gab er den ersten Band der neuen Hallischen Händelausgabe mit dem Alexanderfest, HWV 75. heraus.[12] Für den Messias derselben Ausgabe besorgte er eine neue deutsche Textfassung.[13]
1980 wurde ihm der Professorentitel durch das Land Nordrhein-Westfalen verliehen.
Die „Lüdenscheider Musikvereinigung e. V.“
BearbeitenIn Lüdenscheid gründete Konrad Ameln 1935 zusammen mit dem Arzt Wilhelm Boecker die Lüdenscheider Musikvereinigung e. V., deren musikalischer Leiter er bis 1973 war. Höhepunkte waren die jährlich stattfindenden „Kleinen Musikfeste“, bei denen unter der Mitwirkung hochkarätiger Solisten wie Ferdinand Conrad und August Wenzinger schon sehr früh Alte Musik auf meist historischen Instrumenten, aber auch zeitgenössische Kompositionen zu hören waren.
Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden Amelns Aktivitäten stark eingeschränkt. Nach seiner Rückkehr aus der amerikanischer Gefangenschaft 1946 nahm er die Arbeit an den „Kleinen Musikfesten“ wieder auf.[14]
Quellen
Bearbeiten- Nachlass Ameln im Sängermuseum Feuchtwangen
- Nachlass Ameln im Archiv der Jugendmusikbewegung
- Nachlass Ameln im Universitätsarchiv Augsburg
- Hymnologische Sammlung Amelns in der Universitätsbibliothek Augsburg
- Privater Nachlass Konrad Ameln im Stadtarchiv Lüdenscheid (bisher unverzeichnet)
Literatur
Bearbeiten- Helmut Pahl: Lüdenscheider Köpfe des Kulturellen Lebens von A–Z. Lüdenscheid 2003.
- Gerhard Schuhmacher (Hrsg.): Traditionen und Reformen in der Kirchenmusik: Festschrift für Konrad Ameln zum 75. Geburtstag am 6. Juli 1974. Kassel u. a.: Bärenreiter, 1974; ISBN 3-7618-0501-2.
- Alexander Völker, Ada Kadelbach, Andreas Marti: In memoriam Konrad Ameln. In: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 34 (1992/93), S. VII–X; ISSN 0075-2681; darin zitiert der von Konrad Ameln selbst verfasste Lebenslauf.
- Ameln, Konrad, in: Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Frankfurt am Main : S. Fischer, 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 15
- Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. CD-ROM-Lexikon, Kiel 2009, 2. Auflage, S. 166–168. online
Weblinks
Bearbeiten- Literatur von und über Konrad Ameln im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Heinz Grosch, Johannes Thomas: THOMAS, Wilhelm. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 29, Bautz, Nordhausen 2008, ISBN 978-3-88309-452-6, Sp. 1425–1433 .
- ↑ Fred K. Prieberg: Musik im NS-Staat, Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verlag, 1982; ISBN 3-596-26901-6, S. 254 (Abb.). Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, CD-Rom-Lexikon. Kiel: Kopf 2004, S. 140–141.
- ↑ Zeitzeugeninterview mit dem Sohn Amelns vom 30. Oktober 1998, Stadtarchiv Lüdenscheid
- ↑ Bundesarchiv R 4901/13258 Hochschullehrerkartei
- ↑ Hans-Ulrich Thamer, Daniel Droste und Sabine Happ (Hgg.): Die Universität Münster im Nationalsozialismus, Bd. 1, Münster 2012, S. 287
- ↑ Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/440969
- ↑ Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. CD-ROM-Lexikon, Kiel 2009, 2. Auflage, S. 167.
- ↑ Brief an Jürgen Boeckh vom 4. Mai 1994 im Nachlass Ameln, Stadtarchiv Lüdenscheid
- ↑ Wehrbescheinigungen etc. im Nachlass Ameln, Stadtarchiv Lüdenscheid
- ↑ Hans-Ulrich Thamer, Daniel Droste und Sabine Happ (Hgg.): Die Universität Münster im Nationalsozialismus, Bd. 1, Münster 2012, S. 287
- ↑ Konrad Ameln (Hrsg.): Handbuch der deutschen evangelischen Kirchenmusik, 4 Bände, Göttingen 1932–1950
- ↑ Konrad Ameln (Hrsg.): Georg Friedrich Händel: Das Alexander-Fest oder Die Macht der Musik. Hallische Händel-Ausgabe Serie 1: Oratorien und große Kantaten. Band 1. Leipzig: Deutscher Verlag für Musik, 1957; DNB 1003121993
- ↑ John Tobin (Hrsg.): Georg Friedrich Händel: Der Messias. Hallische Händel-Ausgabe Serie 1: Oratorien und große Kantaten, Band 17; Leipzig 1965. Deutsche Textfassung von Konrad Ameln; DNB 1003610544
- ↑ Unterlagen zur Lüdenscheider Musikvereinigung im Nachlass Ameln, Stadtarchiv Lüdenscheid
Personendaten | |
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NAME | Ameln, Konrad |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Hymnologe und Musikwissenschaftler |
GEBURTSDATUM | 6. Juli 1899 |
GEBURTSORT | Neuss |
STERBEDATUM | 1. September 1994 |
STERBEORT | Lüdenscheid |