Die Korsische Mafia ist ein Überbegriff für verschiedene kriminelle Banden, die sich aus Korsen zusammensetzen. Das hauptsächliche Operationsgebiet der korsischen Mafia ist die Insel Korsika und Südfrankreich. Enge Verbindungen bestehen sowohl zur französischen Unterwelt als auch zur italienischen Mafia. Neben dem Waffen-, Drogen- und Menschenhandel ist die korsische Mafia auch in den Bereichen Abfallentsorgung und im Immobiliensektor tätig.[1]

Geschichte

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Historische Wurzeln haben spätere Mafia-Organisationen im alten Clan-System der Korsen. Seit jeher bekriegten sich Großfamilien auf der Insel gegenseitig, wobei das Gesetz der Blutrache galt. Auch das Banditentum hat eine lange Tradition, wobei kriminelle Banditen sich ins Hochland der Insel zurückzogen und die Bevölkerung terrorisierten. Zwischen 1818 und 1852 kosteten Auseinandersetzungen mit Banditen knapp 4500 Korsen das Leben, auf einer Insel mit damals nur knapp 200.000 Einwohnern. Das alte Banditentum schwächte sich im 20. Jahrhundert durch staatliche Gegenmaßnahmen ab.[2]

Die moderne korsische Mafia entstand gegen Ende des 19. Jahrhunderts unter Korsen in Südfrankreich. Banden unter der Führung von Paul Carbone und François Spirito begannen Prostitution und Glücksspiel in der Stadt Marseille zu beherrschen und bauten enge Beziehungen zur Politik auf. Auch der illegale Schmuggel über den Hafen von Marseille und der Drogenhandel wurde für diese Banden zu lukrativen Betätigungsfeldern. Erste Heroinlabore entstanden in den 1930er Jahren.

 
Drogenschmuggel der French Connection

Die Deutsche Besetzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg führte zu einer Spaltung der Mafia.[3] Die Verbrecherbosse der Vorkriegszeit in Marseille, Paul Carbone und François Spirito, arbeiteten eng mit der Milice française in Vichy-Frankreich und der Gestapo zusammen. Die Teile der korsischen Mafia unter der Führung der Brüder Guerini (Antoine und Barthélémy, Spitzname „Mémé“) schlug sich dagegen auf die Seite der antikommunistischen SFIO-Fraktion in der französischen Résistance. Nach dem Ende des Krieges arbeiteten die Guerini-Brüder eng mit dem französischen Staat zusammen und erhielten Unterstützung von der CIA,⁣⁣ um die Übernahme des Hafens von Marseille durch kommunistische Gewerkschafter zu verhindern.

Von den 1950er bis zu den 1960er Jahren genossen die Guerini-Brüder in Marseille Straffreiheit. Die Brüder schmuggelten Opiate aus Französisch-Indochina mit Hilfe der Messageries Maritimes, einer französischen Handelsreederei, bis die französische Kontrolle über Indochina verloren ging, danach wurde die Türkei zum wichtigsten Lieferanten für den Drogenhandel.

In der Nachkriegszeit etablierte sich auch ein blühender Drogenhandel mit Nordamerika. Korsische Banden transportierten Schlafmohn aus der Türkei nach Marseille, wo er zu Heroin verarbeitet wurde. Schließlich wurde die fertige Ware über den Hafen von Marseille nach Nordamerika geschmuggelt, wobei die Behörden ein Auge zudrückten. Von den 1960er bis zu den frühen 1970er Jahren wurden die wichtigsten korsischen Gruppen des organisierten Verbrechens von den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden unter dem Namen Unione Corse zusammengefasst. In dieser Zeit organisierten sie die French Connection, eine massive Heroinhandelsoperation mit Sitz in Marseille, die an die amerikanische und italokanadische Mafia verkaufte.

Die French Connection wurde schließlich Anfang der 1970er Jahre von den französischen und amerikanischen Behörden im Rahmen des 1971 von US-Präsident Richard Nixon eingeleiteten „Krieg gegen die Drogen“ zerschlagen. Der französische Richter Pierre Michel, dessen Ermittlungen entscheidend zur Zerschlagung des Drogenhandels in Südfrankreich beitrugen, wurde 1981 in Marseille ermordet.[4]

In den 1980er Jahren wurden korsische Banden zunehmend auf ihrer Heimatinsel aktiv, wo sie besonders im Baugewerbe tätig wurden. Große Teile der Wirtschaft wurden infiltriert, darunter die lukrative Tourismusbranche, wo die Mafia ihre Gelder wäscht.[5][6]

Im Jahre 1991 wurden bei einem Banküberfall auf die UBS in Genf 31 Millionen Franken entwendet. Hinter dem Überfall soll die korsische Mafiagruppe Brise de mer stecken. Die Täter wurden allerdings nie gefasst.[7]

2006 begann ein Bandenkrieg zwischen der im Norden Korsikas dominanten Bande Brise de mer und der den Süden beherrschenden Gruppe Petit Bar. Durch die zahlreichen Morde wurde die Brise de mer letztlich geschwächt. Im Jahr 2008 gab es 28 Morde auf Korsika, was die Insel zur gefährlichsten Region Frankreichs machte. Korsika gehört auch zu den Regionen in Europa mit der höchsten Mordrate. Die Rate der Kleinkriminalität ist allerdings niedrig, da die Mafia den lukrativen Tourismus nicht gefährden möchte.[7][8]

Im November 2012 wurde der Staatsanwalt Antoine Sollacaro bei einem Auftragsmord erschossen. Die französische Regierung hatte zuvor angekündigt, Recht und Ordnung auf der Insel wiederherstellen zu wollen. Es war der 15. Auftragsmord dieses Jahres.[9]

Struktur

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Es soll 2022 auf Korsika knapp 20 bis 25 kriminelle Banden geben, welche jeweils knapp ein Dutzend Mitglieder haben. Mafiagruppen sollen über gute Kontakte zu Sicherheitsdiensten und Politik verfügen.[10][11] Bekannte Gruppen der korsischen Mafia sind die Venzolasca-Bande (Spitzname in Anlehnung an das Dorf Venzolasca im Norden Korsikas, aus dem wichtige Mitglieder der Bande stammen), die als Nachfolger der Brise de Mer gelten. Die Petit Bar aus dem Großraum Ajaccio und die korsische Mafia aus Marseille sind ebenfalls aktiv.

Das Ende der French Connection führte zur Zerschlagung der korsischen Clans, die in den Heroinhandel mit Nordamerika verwickelt waren. Die Geschäfte der korsischen Mafia setzten sich jedoch in verschiedenen illegalen Aktivitäten fort (Überfälle, Schutzgelderpressung, Casinos und illegale Spielautomaten, verschiedene Drogengeschäfte und Prostitution).

Bedeutende Mafiosi

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Einzelnachweise

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  1. Korsika gerät in den Griff der Mafia. In: Der Standard. Abgerufen am 15. Juli 2024 (österreichisches Deutsch).
  2. Korsika Reiseberater: Vendetta, Banditen und aktuelle Politik Korsikas. Abgerufen am 15. Juli 2024 (deutsch).
  3. Korsika - eine lange Geschichte der Rebellion – DW – 18.03.2022. Abgerufen am 15. Juli 2024.
  4. Alexandre Marchant: La French Connection, entre mythes et réalités. In: Vingtième Siècle. Revue d’histoire. Band 115, Nr. 3, 2012, ISSN 0294-1759, S. 89–102, doi:10.3917/vin.115.0089 (cairn.info [abgerufen am 15. Juli 2024]).
  5. n-tv NACHRICHTEN: Urlaubsparadies Korsika hat dunkle Seite. Abgerufen am 15. Juli 2024.
  6. Corsica Organized Crime On The Rise. 5. März 2013, abgerufen am 15. Juli 2024.
  7. a b Stefan Ulrich: Mörderische Meeresbrise. In: Süddeutsche. 17. Mai 2010, abgerufen am 15. Juli 2024.
  8. Schatten über der „Insel der Schönheit“. 16. April 2024, abgerufen am 15. Juli 2024.
  9. Top lawyer shot in ongoing Corsican gang war. 18. Oktober 2012, abgerufen am 15. Juli 2024 (englisch).
  10. Bandes criminelles : la Corse cartographiée. 1. Dezember 2022, abgerufen am 15. Juli 2024 (französisch).
  11. Wie die Mafia in einem Urlaubsparadies mordet und erpresst. In: Focus. Abgerufen am 15. Juli 2024.