Kurt Mayer (Historiker)

deutscher Historiker, Leiter des Reichssippenamtes (Ariernachweis)

Kurt Mayer (* 27. Juni 1903 in Otterberg; † 8. Juni 1945[1] in Bad Oldesloe) war ein deutscher Historiker, SS-Standartenführer und Amtschef des Reichssippenamtes und damit letztinstanzlich zuständig, um in Zweifelsfällen einen Ariernachweis ausstellen zu lassen.

Kurt Mayer (rechts) mit seinem Stellvertreter Erich Wasmannsdorff in der Reichsstelle für Sippenforschung an einer Karte mit der „Rassenverteilung in Europa und seinen Grenzgebieten“ (November 1935), Aufnahme aus dem Bundesarchiv

Beruflicher Werdegang

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Kurt Mayer wurde als zweites von fünf Kindern des nachmaligen Oberkirchenrates Eugen Mayer geboren. Während seiner Schulzeit wuchs er in Kaiserslautern auf. Dort bestand er 1922 das Abitur und studierte anschließend Geschichte und Rechtswissenschaft in München, Hamburg und Würzburg. Er schrieb eine Dissertation über ein genealogisch-heraldisches Thema und wurde 1929 in München promoviert.

Mayer bemühte sich vergeblich um eine Dozentur und eine Anstellung im badischen Archivdienst. Erst 1930 kam er im landeskirchlichen Archiv der Evangelischen Kirche der Pfalz unter. 1931 war er in Halle/Saale für den Evangelischen Bund tätig.[2]

Politischer Werdegang

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Mayer war schon im Jahre 1923 in die NSDAP eingetreten und hatte sich bei Widerstandshandlungen gegen die französisch-belgische Besatzung betätigt (s. Ruhrbesetzung). Nach Ende des Verbots der NSDAP trat er der Partei wieder bei (Mitgliedsnummer 161.070).[3] 1930 übernahm er die Leitung der Hitlerjugend im Bezirk Speyer-Germersheim. 1931 war er als Gauredner tätig. Im November 1933 wurde Mayer Abteilungsleiter beim Berliner „Rasse- und Siedlungshauptamt der SS“ (SS-Mitgliedsnummer 7.115),[3] dem nachmaligen „Rasse- und Siedlungshauptamt“ (RuSHA), das die „Sippenbücher“ der SS-Angehörigen führte und Heiratsgenehmigungen erteilte. 1934 wurde Mayer zudem Vorsitzender des Vereins „Herold“, in dem führende Fachleute für Heraldik und Genealogie mitarbeiteten. Aus dieser Position heraus ging Mayer zielstrebig gegen Achim Gercke vor, der die Reichsstelle für Sippenforschung leitete.

Anfang 1935 geriet Gercke in Verdacht, sich mit Homosexuellen eingelassen zu haben. Kurt Mayer hatte zuvor schon Gerüchte über angebliche Bestechungen Gerckes verbreitet.[4] Gercke wurde entlassen und Mayer übernahm im März 1935 die Leitung der „Reichsstelle für Sippenforschung beim Reichsministerium des Inneren“, die er in Personalunion mit dem parteieigenen „Amt für Sippenforschung der NSDAP“ führte.

Dienststellenleiter

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Durch weitere gesetzliche Verordnungen erweiterte sich der Aufgabenbereich der Dienststelle. Sie allein war zuständig bei Zweifelsfällen für die „rassische Einordnung“ nach der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz und bei Einbürgerungsverfahren.

Damit wuchs die Zahl der Anträge. Im Jahre 1936 ordnete Mayer eine Urlaubssperre an, um die Anfragen zu bewältigen zu können. Später waren bis zu 125 Mitarbeiter beschäftigt, die mehr als 150.000 Abstammungsbescheide erteilten.[5] Pläne für eine reichseinheitliche „Reichssippenkartei“ und eine größere Machtfülle seiner Dienststelle scheiterten im Kompetenzgerangel um Zuständigkeiten. Die 1940 in „Reichssippenamt“ umbenannte Dienststelle erhielt niemals den Status einer eigenständigen Behörde.

Nach verleumderischen und beleidigenden Äußerungen Mayers in angetrunkenem Zustand – unter anderem auch gegen Joseph Goebbels – liefen 1936 mehrere Parteiverfahren gegen ihn. Dennoch wurde er 1937 zum Oberregierungsrat befördert. Wahrscheinlich war er zu dieser Zeit bereits in der SS; 1941 oder 1943 erhielt Mayer den Rang eines SS-Standartenführers.[6] 1942 schrieb Kurt Mayer über seine Tätigkeit: „Ich habe mich die ganzen Jahre über immer nur gewissermaßen als Platzhalter für den Reichsführer SS gefühlt“.[7]

Kurt Mayer blieb bis zum Kriegsende Direktor des Reichssippenamtes. Am 8. Juni 1945 beging er mit seiner Frau Suizid und nahm seine Kinder mit in den Tod.[8] Seine Frau überlebte und starb im Juni 1946 im britischen Militärgefängnis.

Schriften

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  • Genealogisch-heraldische Untersuchungen zur Geschichte des alten Königreichs Burgund, Speier a. Rh., H. Gilardone, 1930. (Inaugural Diss. München)
  • Egon Freiherr von Berchem, Donald Lindsay Galbreath, Otto Hupp, Kurt Mayer: Die Wappenbücher des deutschen Mittelalters. In: Beiträge zur Geschichte der Heraldik. Verlag für Standesamtswesen, Berlin 1939 (reprographischer Nachdruck, Bauer & Raspe, Neustadt an der Aisch 1972, ISBN 3-87947-104-5), S. 1–102; archive.org.
  • Suchblatt allgemeines Sippenforscher. Allgemeines Suchblatt für Sippenforscher. Zugleich Nachrichtenblatt des Amtes für Sippenforschung d. NSDAP. Enthält die Nachrichten d. Reichsstelle f. Sippenforschung (des Reichssippenamtes). Hrsg. f. den Volksbund d. deutschen sippenkundlichen Vereine <VSV> e. V. v. Kurt Mayer. Metzner in Komm., Berlin 1937–1944
  • Karl Bamberger: Familienkunde und Rassenpflege. Mit e. Geleitw. v. Kurt Mayer. Zentralstelle f. dt. Personen- u. Familiengeschichte, Leipzig 1935

Literatur

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  • Diana Schulle: Das Reichssippenamt. Eine Institution nationalsozialistischer Rassenpolitik. Dissertation, Universität Greifswald, 1999. Logos, Berlin 2001, ISBN 3-89722-672-3.
  • Manfred Gailus: „Sippen-Mayer“. Eine biographische Skizze über den Historiker und Leiter der Reichsstelle für Sippenforschung Dr. Kurt Mayer (1903–1945). In: Ders. (Hrsg.): Kirchliche Amtshilfe. Die Kirche und die Judenverfolgung im „Dritten Reich“. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, ISBN 978-3-525-55340-4, S. 195 ff.
  • Jürgen Arndt (Bearbeiter) unter Mitwirkung von Horst Hilgenberg und Marga Wehner: Biographisches Lexikon der Heraldiker sowie der Sphragistiker, Vexillologen und Insignologen. Hrsg.: Herold, Verein für Heraldik Genealogie und verwandte Wissenschaften (= J. Siebmachers Großes Wappenbuch. H). Bauer & Raspe, Neustadt an der Aisch 1992, ISBN 3-87947-109-6, S. 346
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Einzelnachweise

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  1. Todestag nach Klee = 3. Juni / Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Frankfurt 2005, ISBN 3-596-16048-0 / Todestag bei Schulle = 8. Juni /Diana Schulle: Das Reichssippenamt…, ISBN 3-89722-672-3, S. 383.
  2. Angaben nach Diana Schulle: Das Reichssippenamt. Eine Institution nationalsozialistischer Rassenpolitik. (Diss. 1999) Berlin 2001, ISBN 3-89722-672-3, S. 143ff.
  3. a b Dienstaltersliste der Schutzstaffel der NSDAP. Stand vom 1. Dezember 1936, S. 64 f., Nr. 1394. (JPG; 1,1 MB) In: dws-xip.pl. Abgerufen am 6. November 2019.
  4. Diana Schulle: Das Reichssippenamt…, ISBN 3-89722-672-3, S. 155–159.
  5. 170 Mitarbeiter nach Enzyklopädie des Nationalsozialismus, ISBN 3-423-33007-4, S. 694 / Schulle, S. 168, zieht die zum Wehrdienst eingezogenen ab / Zahl 151.898 bis 1943 = S. 170.
  6. 1941 nach Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Frankfurt 2005, ISBN 3-596-16048-0 / 1943 bei Diana Schulle: Das Reichssippenamt…, ISBN 3-89722-672-3, S. 325.
  7. Reimund Haas, "Zur restlosen Erfassung des deutschen Volkes werden insbesondere Kirchenbücher unter Schriftdenkmalschutz gestellt" : Kirchenarchive im Spannungsfeld zwischen Kooperationen und Enteignung 1933-1943, In: Das deutsche Archivwesen und der Nationalsozialismus, Tagungsdokumentation, Band 10 (2007), S. 150.
  8. Diana Schulle: Das Reichssippenamt… ISBN 3-89722-672-3, S. 383 mit Anm. 12.