Das „Lübecker Literaturtreffen“ ist der von Günter Grass bestimmte Titel eines am 5. Dezember 2005 gegründeten deutschen Autorenzirkels. Die zunächst in Anlehnung an die Gruppe 47 „Lübeck 05“ titulierte Vereinigung setzt sich aus bekannten deutschsprachigen Schriftstellern zusammen. Ziel ist es laut Grass, das „Bedürfnis nach politischer Einmischung“ in der jüngeren Schriftstellergeneration wachzuhalten, und ihrer regionalen „Verstreuung“ über das Land hinweg entgegenzuwirken. Im Gegensatz zur Gruppe 47 können am Zirkel Lübeck 05 keine Literaturkritiker teilnehmen.
Bei den Mitgliedern – Thomas Brussig, Michael Kumpfmüller, Katja Lange-Müller, Benjamin Lebert, Eva Menasse, Matthias Politycki, Tilman Spengler und Burkhard Spinnen – handelt es sich überwiegend um Schriftsteller, die sich vor der Bundestagswahl 2005 deutlich für eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition ausgesprochen hatten. Neben der Diskussion laufender schriftstellerischer Projekte im Sinne eines Werkstattgesprächs sollte auch die politische Situation erörtert werden. Nach einem ersten Treffen im Lübecker Günter-Grass-Haus am 5. Dezember 2005 fand am 6. Dezember eine erste gemeinsame Lesung im Buddenbrookhaus statt, wobei Thomas Brussig und Burkhard Spinnen wegen Krankheit abgesagt hatten.
In ihren ersten programmatischen Äußerungen betonte die Gruppe, die sich selbst als „Zusammenrottung“ versteht, vor allem ihren experimentellen Charakter. Auf einen expliziten Schulterschluss mit der Gruppe 47 wird verzichtet, es gibt auch kein gemeinsames Manifest. Der überwiegende Teil der Arbeit, besonders die Besprechung unveröffentlichter Manuskripte, soll nichtöffentlich stattfinden. Auch soll der professionellen Kulturkritik der Feuilletons kein besonderer Raum zugestanden werden (Grass: „Wir sind das Primäre, die Kritiker das Sekundäre“). Die Gruppe will sich fortan jährlich treffen. Neue Mitglieder sind zulässig.
2015 findet das Lübecker Literaturtreffen zum zehnten Mal statt. Zu den regelmäßigen Teilnehmern zählen inzwischen auch die Schriftsteller Dagmar Leupold, Feridun Zaimoglu, Norbert Niemann, Fridolin Schley, Ingo Schulze und Sherko Fatah. Wenige Wochen nach dem Jubiläumstreffen starb Günter Grass. Am 22.–24. Januar 2016 fand das Treffen, zu dem als Gastautoren Nora Bossong, Lena Gorelik, Christiane Neudecker und Karen Köhler geladen waren, erstmals ohne ihn statt.[1]
Ursprünglich vorausgegangen war dem Projekt der Versuch Grass’, an die Strukturen der ehemaligen Gruppe 47 wiederanzuknüpfen: Im April 2005 war er erstmals nach 38 Jahren seit dem Zerbrechen der Vereinigung wieder mit Hans Magnus Enzensberger und Peter Rühmkorf aus Anlass einer gemeinsamen Lesung zusammengekommen.
Das Lübecker Literaturtreffen wird von der Kulturstiftung Hansestadt Lübeck unterstützt.
Literaturpreis
Bearbeiten2011 vergab der Autorenkreis zum ersten Mal zusammen mit der Kulturstiftung, dem Dachverband der Lübecker Museen, den Literaturpreis „Von Autoren für Autoren“. Die Höhe des Preisgeldes wurde nicht festgelegt, da es von den Teilnehmern des Literaturtreffens aufgebracht wurde.[2] Der Preis wird alle zwei Jahre vergeben. Seit 2017 heißt er offiziell Günter-Grass-Preis. Erste Preisträgerin unter diesem Namen war Katja Lange-Müller.[3] Sie erhielt den Preis am 19. Februar 2017. Seit 2021 wird der Preis alle zwei Jahre von der Hansestadt Lübeck für das Lebenswerk einer Autorin bzw. eines Autors vergeben; als erste Preisträgerin dieses neu gefassten und mit 10.000 Euro dotierten Preises wurde im Mai 2022 rückwirkend für 2021 Ulrike Edschmid bekannt gegeben.[4]
Von Autoren für Autoren
BearbeitenPreisträger
Bearbeiten- 2011: Erster Preisträger war Günter Herburger. Die Laudatio hielt Tilman Spengler, verliehen wurde der Preis am 30. Januar 2011 in Lübeck.[5]
- 2013: Ernst Augustin. Die Laudatio hielt am 23. Januar Sherko Fatah.[6]
- 2015: Irina Liebmann. Die Laudatio hielt am 1. März Dagmar Leupold[7][8]
Günter-Grass-Preis
BearbeitenPreisträger
Bearbeiten- 2017: Katja Lange-Müller. Die Laudatio hielt am 19. Februar 2017 Eva Menasse.[9]
- 2019: Jens Sparschuh. Die Laudatio hielten am 27. Januar 2019 Ingo Schulze, Thomas Hettche, Zora del Buono, Eva Menasse und Tilman Spengler.[10]
- 2021: Ulrike Edschmid. Laudatorin bei der nachgeholten Verleihung am 10. Juni 2022: Verena Lueken.[11]
- 2023: Ljudmila Ulizkaja. Laudatorin am 16. Juni 2023: Ilma Rakusa.[12]
Weblinks
Bearbeiten- „Was ich nicht ausstehen kann, sind Genies“. Interview mit Grass in Die Zeit vom 1. Dezember 2005.
- Und was kommt nach der "Gruppe 47"? auf 3sat.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Literaturtreffen nach Grass - «Sein Geist lebt weiter» ( vom 1. Februar 2016 im Internet Archive), 24. Januar 2016
- ↑ Berliner Zeitung vom 2. März 2015, S. 23
- ↑ NDR: Katja Lange-Müller erhält Günter-Grass-Preis. Abgerufen am 16. Februar 2017.
- ↑ Der erstmals vergebene Günter Grass-Preis geht an Ulrike Edschmid | BuchMarkt. 11. Mai 2022, abgerufen am 11. Mai 2022 (deutsch).
- ↑ Michael Berger: Auszeichnung für einen Vergessenen. In: Lübecker Nachrichten vom 8. Januar 2011, S. 16
- ↑ Formbewusst in FAZ vom 24. Dezember 2012, Seite 26
- ↑ Irina Liebmann wird vom Grass-Autorenkreis geehrt Berliner Zeitung vom 2. März 2015, S. 23
- ↑ Text der Laudatio von Dagmar Leupold, gehalten am 1. März 2015 [1]
- ↑ Die Wahrheit über das Erdferkel, Süddeutsche Zeitung, 21. Februar 2017
- ↑ WELT: Günter Grass-Preis für Jens Sparschuh. 10. Januar 2019 (welt.de [abgerufen am 17. Januar 2019]).
- ↑ Cornelia Geißler: Günter-Grass-Preis: Ulrike Edschmid erhält den Günter-Grass-Preis. Abgerufen am 13. Juni 2022.
- ↑ LN: Lübeck: Ljudmila Ulitzkaja erhält Günter Grass-Preis 2023 für ihr Lebenswerk. Abgerufen am 1. Mai 2023.