Ulrike Edschmid

deutsche Schriftstellerin und Publizistin

Ulrike Edschmid (* 10. Juli 1940 in Berlin) ist eine deutsche Schriftstellerin und Textilkünstlerin.

Ulrike Edschmid (2012)

Ulrike Edschmid wuchs auf der Burg Schwarzenfels in der Rhön (Main-Kinzig-Kreis) auf, wohin ihre Mutter als Kriegswitwe mit ihr und ihrem Bruder geflüchtet war. Von dort aus besuchte sie zunächst das Ulrich-von-Hutten-Gymnasium Schlüchtern. Mitte der 1950er Jahre begann ihre Mutter ein Studium an der Pädagogischen Hochschule Jugenheim, wo sie mit ihren Kindern in einem Studentenheim lebte.

Nach dem Abitur 1960 studierte Ulrike Edschmid zunächst an der Freien Universität Berlin Literaturwissenschaft u. a. bei Wilhelm Emrich, danach an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Während dieser Zeit engagierte sie sich in der Studentenbewegung, war Mitbegründerin der ersten Berliner Kinderläden und arbeitete für kurze Zeit als Lehrerin. Der kurzen Ehe mit dem Schauspieler und Regisseur Enzio Edschmid[1] entstammt der Sohn Sebastian Edschmid (* 1965).[2]

Danach lebte sie zusammen mit ihrem Kind und dem Filmstudenten Werner Sauber in einer Wohngemeinschaft. Sauber, der Schweizer Bürger war, zum zweiten Jahrgang der Filmakademie in Berlin (dffb) gehörte und sich der „Bewegung 2. Juni“ angeschlossen hatte, erschoss 1975 bei einem Schusswechsel mit der Polizei in Köln einen Polizisten und erlag selbst dabei erlittenen Verletzungen. 2013 griff Edschmid diese Erfahrung als Romanstoff auf und schrieb das Buch Das Verschwinden des Philip S., mit dem ihr der literarische Durchbruch gelang.[3][4][5] Nach dem Literaturkanon des Spiegel zählt das Werk zu den 100 besten Büchern der Jahre zwischen 1924 und 2024.[6]

Ulrike Edschmid lebt in Berlin.

Literarisches Schaffen

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Nach ersten literarischen Arbeiten und Rundfunksendungen ab Mitte der 1980er Jahre bewegt sich das literarische Werk von Ulrike Edschmid an der Nahtstelle zwischen Biographie, Zeitgeschichte und Fiktion.[7] 1999 gab sie den von ihr redigierten Briefwechsel ihres früheren Schwiegervaters Kasimir Edschmid mit dessen Lebensgefährtin, der vor den Nationalsozialisten nach England emigrierten Künstlerin und Naturwissenschaftlerin Erna Pinner, heraus, wobei sie weitere Einblicke zur Aufklärung zu den Brüchen, der Entfremdung und Sprachlosigkeit zwischen den Partnern offen lässt.[8] Edschmid wird für die genaue Sprache ihrer weitgehend schmalen Bücher gelobt.

Für ihren Roman Das Verschwinden des Philip S. wurde Edschmid 2013 mit dem Johann-Jacob-Christoph von Grimmelshausen-Preis und dem Preis der SWR-Bestenliste sowie mit dem Johann Friedrich von Cotta-Literatur- und Übersetzerpreis der Landeshauptstadt Stuttgart 2014 ausgezeichnet. 2015 erhielt sie ein Stipendium des Berliner Senats. Im Jahr 2021 erschien Edschmids Roman Levys Testament. Darin erzählt sie von einem Engländer polnisch-jüdischer Herkunft auf der „Suche nach seiner Identität“ im Nachkriegs-Großbritannien.[9] Auch dieses Buch wurde sehr gelobt.[10] Im Mai 2022 wurde Edschmid der neu gefasste Günter-Grass-Preis der Hansestadt Lübeck zuerkannt.[11] Die NZZ lobt bezüglich des 2024 erschienenen Romans Die letzte Patientin wieder den Rhythmus der Sätze, der einer pochenden Uhr ähnle; Edschmid habe erneut einen Text vorgelegt, „dessen enorme Brillanz in der Verknappung liegt.“[12]

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Einzelnachweise

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  1. Enzio Edschmid. In: filmportal.de. Deutsches Filminstitut, abgerufen am 29. August 2024.
  2. Leben und Sterben des Philip Werner Sauber | Hans Helmut Prinzler. Abgerufen am 21. Oktober 2024 (deutsch).
  3. Wolfgang Höbel: (S+) Eine Bande zu zweit. In: Der Spiegel. 17. März 2013, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 21. Oktober 2024]).
  4. Literatur - Philip S.: von der Goldküste in den bewaffneten Untergrund. 9. Juli 2013, abgerufen am 21. Oktober 2024.
  5. :: in bewegung bleiben :: materialien :: Wer war Philipp Werner Sauber. Abgerufen am 21. Oktober 2024.
  6. DER SPIEGEL Nr.42,. 12. Oktober 2024.
  7. Ulrike Baureithel: Ulrike Edschmid – Nähe und Distanz. Website des Goethe-Instituts, Februar 2015, abgerufen am 4. Januar 2018.
  8. Die Vergangenheit ist anders - WELT. Abgerufen am 21. Oktober 2024.
  9. Günter Rinke: Roman eines Wurzellosen - Ulrike Edschmid erzählt in „Levys Testament“ von einem Engländer polnisch-jüdischer Herkunft auf der Suche nach seiner Identität : literaturkritik.de. Abgerufen am 21. Oktober 2024 (deutsch).
  10. Ulrike Edschmids aufregender Roman „Levys Testament“. 30. April 2021, abgerufen am 21. Oktober 2024.
  11. Ulrike Edschmid wird fürs Lebenswerk geehrt, boersenblatt.net, veröffentlicht und abgerufen am 9. Mai 2022.
  12. Paul Jandl: Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Ulrike Edschmid demonstriert in ihrem neuen Roman die Lebenslügen alternativer Milieus der 1970er Jahre. NZZ vom 10. Sept. 2024, S. 29
  13. Roman Bucheli: Die Leichtigkeit des Indikativs. In: Neue Zürcher Zeitung. 16. April 2013, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 21. Oktober 2024]).
  14. Auf den Punkt: Auf Du und Du mit Holger Meins - WELT. Abgerufen am 21. Oktober 2024.
  15. Schweizer im deutschen Untergrund. 10. Februar 2013, abgerufen am 21. Oktober 2024.
  16. Katja Baigger: Ein einsamer Wanderer in Schwarz-Weiss. In: Neue Zürcher Zeitung. 30. Januar 2015, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 21. Oktober 2024]).
  17. deutschlandfunkkultur.de: Ulrike Edschmid über ihr Buch "Ein Mann, der fällt" - "Ich war so beeindruckt von der Kraft". 5. Mai 2017, abgerufen am 21. Oktober 2024.
  18. Ulrike Baureithel: „Ein Mann, der fällt“ von Ulrike Edschmid: Westberlin aussitzen zur Person. In: Der Freitag. ISSN 0945-2095 (freitag.de [abgerufen am 21. Oktober 2024]).
  19. Ulrike Edschmid: «Ich möchte nichts erfinden, das Leben erfindet alles selbst». 23. August 2017, abgerufen am 21. Oktober 2024.
  20. "Ein Mann, der fällt" von Ulrike Edschmid: Das Rückgrat von West-Berlin. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 21. Oktober 2024]).
  21. Autobiografischer Roman - Ein gefallener Mann lernt wieder gehen. 27. Juni 2017, abgerufen am 21. Oktober 2024.