Petrikirche (Lübeck)
Die St.-Petri-Kirche zu Lübeck ist ein Gotteshaus, das erstmals im Jahr 1170 erwähnt wurde. Im Laufe der Jahrhunderte wurde sie mehrmals umgebaut, bis der Bau der Kirche im 15. Jahrhundert abgeschlossen war. Im Zweiten Weltkrieg erlitt St. Petri sehr starke Schäden und die Restaurierung wurde erst 1987 abgeschlossen. Da die Ausstattung nicht wiederhergestellt werden konnte, finden nur besondere Gottesdienste in der Kirche statt. Als Stadtkirche ohne Gemeinde wird sie hauptsächlich für kulturelle und religiöse Veranstaltungen sowie für Kunstausstellungen genutzt.
Die Wirkung des schlichten Raumes der fünfschiffigen Hallenkirche kommt durch die besondere Architektur sehr gut zur Geltung. Moderne Kunstwerke wie das Altarkreuz des österreichischen Künstlers Arnulf Rainer sowie das illuminierte Neonkreuz von Hanna Jäger laden Besucher zum Nachdenken ein.
Geschichte
BearbeitenBereits 1170 fand die Kirche erste Erwähnung zusammen mit der Marienkirche. Zwischen 1227 und 1250 erfolgte der Bau einer spätromanischen, dreischiffigen Kirchenhalle mit vier Jochen und drei Apsiden. Sie war 29,80 m + 3 m lang und 21 m breit. Um 1290 entstand ein dreischiffiger, gotischer Hallenchor. St. Petri war die Kaiserkirche Lübecks.[1] Gleichzeitig war die Petrikirche neben der Marienkirche die zweite Lübecker Marktkirche. Im 15. Jahrhundert erfolgte der Ausbau zur heutigen Erscheinung: Eine gotische, fünfschiffige Hallenkirche aus Backsteinen mit fünf Jochen. Damit wurde die Petrikirche eine der wenigen existierenden fünfschiffigen Kirchen. Im Osten befinden sich drei Apsiden, im Westen ein Einturm auf einem breiten Unterbau. Die Reformation hielt in Lübeck 1529/30 einzug,[2][3] und die Petrikirche wurde evangelisch.[4] Während des Luftangriffs auf Lübeck am Palmsonntag 1942 brannte die Petrikirche völlig aus. Das Dach, der Turmhelm und die reiche Innenausstattung wurden zerstört. Dazu gehörte auch der Orgelprospekt, geschaffen durch den Bildschnitzer Tönnies Evers den Jüngeren, oder die bedeutende Messinggrabplatte des Ratsherrn Johann Klingenberg. Erhalten blieb das barocke Taufbecken der Kirche gestiftet von dem Ratsherrn Johann Philipp Lefèvre.
Bedeutende Prediger und Pastoren
Bearbeiten- Valentin Curtius
- Reimar Kock, Chronist der Reformationszeit
- Adam Helms, 1613–1653
- Georg Ritter, Prediger 1668, Hauptpastor 1687–1706
- Peter Hermann Becker, 1756–1767
- Adde Bernhard Burghardi, Prediger 1737, Hauptpastor 1756, ab 1767 auch Senior
- Johann Gerhard Köppen, Prediger 1767, Archidiaconus 1783, Hauptpastor 1787
- Ludwig Suhl, Diaconus 1783, Archidiaconus 1787
- Hermann Friedrich Behn
- Ludwig Trummer, Hauptpastor 1880–1906
- Theodor Zietz, Prediger 1876, Hauptpastor ab 1906
Wiederaufbau nach 1945
BearbeitenDie notdürftig abgedeckte Kirche diente der Lübecker Kirchbauhütte zunächst als Lapidarium, in dem geborgene skulpturale Fragmente aus allen kriegszerstörten Lübecker Kirchen zwischengelagert wurden. Erst 1987 war die Kirche äußerlich wieder vollständig aufgebaut. Von einer Rekonstruktion der Innenausstattung wurde abgesehen, sodass innen heute vor allem die Mächtigkeit des puren Baukörpers und die relativ seltene Form der Grundrissgestaltung auf den Besucher einwirken. Dazu passt das neue Kruzifix im Chor, eine Arbeit mit den Ausmaßen eines kleinen Triumphkreuzes (214 × 123 cm) von Arnulf Rainer 1980/83 aus rohen Planken versehen mit einem Corpus aus dem Devotionalienhandel. Das Kruzifix ist mit dicken Farbschichten überzogen. Für die Petrikirche sind 48 mittelalterliche Grabplatten überliefert, von denen der größte Teil nicht mehr vorhanden oder nicht mehr nachweisbar ist. Von dem Geläut blieb bis auf eine Glocke nichts übrig. Die Glocke, die den Flammen entkam hängt heute als Leihgabe in der Kirche in Nusse und wurde 1507 von Gerhard van Wou und Johannes Schonenborch gegossen. Die beiden Meister schufen ihre letzten Werke in der Hansestadt, wovon nur noch der Salichmaker in der Jakobikirche, und die größte der drei Glocken in der Kirche in Nusse existieren.
Orgel
Bearbeiten1992 erhielt die Petrikirche eine neue Orgel, finanziert durch Stiftungszuwendungen. Das Instrument befindet sich im nördlichen Seitenschiff. Es wurde von der Orgelbaufirma Hinrich Otto Paschen (Kiel) erbaut und hat 19 Register (Schleifladen) auf zwei Manualen und Pedal. Die Spieltrakturen und die Registertrakturen sind mechanisch. Der Spieltisch ist in das Positivwerk eingefügt. Der Organist sitzt vor dem Hauptwerk und blickt über das Positiv zur Gemeinde.[5]
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- Koppeln: II/I (Manual-Schiebekoppel)
Neue Nutzung
BearbeitenSt. Petri dient nun ohne eigene Gemeinde als Kirche für die ganze Stadt. Unter der Leitung der Pastoren Günter Harig (1988–2005) und Bernd Schwarze (seit 1998) wurde für die Kirche ein Nutzungskonzept entwickelt, das stilbildend für die Stadtkirchenarbeit im deutschsprachigen Raum wurde. Der Einsicht in die zunehmende Säkularisierung in den Städten folgend, basiert das Konzept auf einer neuen Verhältnisbestimmung von Kirche und Kultur, Religion und Wissenschaft. Ein Kuratorium, das sich aus Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zusammensetzt, verantwortet das vielseitige Veranstaltungsprogramm. Neben Lesungen, Vorträgen, Podien, Messen und Konzerten finden regelmäßig theologische und liturgische Experimente statt. Seit dem Jahr 2000 wird einmal im Monat die nächtliche Themen-Performance „Petrivisionen“ durchgeführt. Die Reden-Reihe „solo verbo“ setzt sich kritisch mit religiösen Fragen auseinander. Am Gründonnerstag 2017 fand unter dem Titel „Supper’s Ready“ eine künstlerisch gestaltete Abendmahlsfeier statt.[6]
Als Kirche ohne Gemeinde gehört die St.-Petri-Kirche kirchenrechtlich gesehen zu den „Diensten und Werken“ des Evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg.[7] Als Kunst-Kuratoren fungierten bisher Roswitha Siewert, Thomas Baltrock, Björn Engholm, Bernd Schwarze und Valentin Rothmaler. Im Januar 2016 hat das St. Petri Kuratorium einem Kooperationsvertrag mit dem Lübecker Kunstverein Overbeck-Gesellschaft geschlossen. Deren Geschäftsführer Oliver Zybok wurde damit bis zu seinem Wechsel an das Kunstmuseum Bonn 2023 auch Chefkurator der St. Petri-Kirche.[8]
Seit 2004 ist die Petrikirche offiziell Universitätskirche der Universität zu Lübeck. Seit 2006 kooperieren auch die Technische Hochschule Lübeck und die Musikhochschule Lübeck mit der Universitäts- und Hochschulkirche.
Turm
BearbeitenDie in 50 m Höhe gelegene Aussichtsplattform des 108 m hohen Turmes kann nur per Aufzug erreicht werden. Von dort bietet sich ein Rundblick über die gesamte Altstadt Lübecks und das Umland bis hin zur Lübecker Bucht.[9] Siehe auch: Lübeck#Geografie.
Kunstausstellungen in der Kulturkirche (Auszug)
Bearbeiten- 1988: Arnulf Rainer, Christian Chuber, Günther Uecker und Hermann Nitsch
- 1996: Kiki Smith
- 2005: Annette Goessel
- 2008: Lynn Umlauf und Michael Goldberg
- 2009: Kreuz und Figur von Felix und Irmel Droese
- 2010: Tintenbilder von Hanna Frenzel und südindische Schattenspielfiguren aus dem Theaterfigurenmuseum Lübeck
- 2010: konkret von Horst Bartnig
- 2012: Trashstones von Wilhelm Mundt und Michael Jäger
- 2014: 24 Gelbe Säulen von Franz Erhard Walter
- 2015: Think Tank von Mischa Kuball
- 2016: Brocoli Is Holy von Andrew Gilbert
- 2017: White Rabbit (Martin Luther) von Thomas Zipp
Sonstiges
BearbeitenSchon im Mittelalter waren in Lübeck an der Marien-, der Jakobi- und der Petrikirche Türmer, deren Unterkunftsräume in den Türmen der Kirchen noch vor dem Zweiten Weltkrieg vorhanden waren bzw. es noch heute sind, angestellt. Das Wächterstübchen war in größter Höhe im Inneren des Turmes eingebaut und nur am Petrikirchturm war dieser Einbau nach außen hin erkennbar. Von dem Türmer der Petrikirche heißt es 1505 und 1511, dass er auf dem Turm „des avendes vnnde des morgens blest.“[10]
Die beiden vor dem Hauptportal stehenden Glocken gehörten ursprünglich Danziger Kirchen und waren im Zweiten Weltkrieg zur Rohstoffgewinnung auf den Hamburger Glockenfriedhof gekommen. Diese Glocken sind dem Einschmelzen entgangen. Nach 1945 wurden sie (wie auch die Glocken des Glockenspiels der Marienkirche und die Paramente der Danziger Marienkirche, die heute im St. Annen-Museum zu sehen sind) nach Lübeck gebracht, weil hier viele Flüchtlinge aus Danzig eine neue Heimat gefunden hatten. Die zuletzt diskutierte Restitution scheitert derzeit nicht an der Haltung Lübecker Gremien, sondern an einer ausstehenden grundsätzlichen Einigung der Union Evangelischer Kirchen in Berlin, die als Rechtsnachfolgerin der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union durch Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 22. September 1970 für alle Vermögensangelegenheiten ehemaliger preußischer evangelischer Kirchengemeinden östlich der polnisch-deutschen Staatsgrenze für zuständig erklärt worden ist, soweit es sich um bewegliche Vermögensstücke handelt, die sich nach dem 8. Mai 1945 auf deutschem Staatsgebiet befanden, mit den zuständigen Stellen in Polen.
Die im Jahre 1600 errichtete Leichenhalle der Petrikirche auf dem Petrikirchhof wurde 1942 vernichtet. An ihrem ehemaligen Standort hat heute die Lübecker Bauhütte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland in einem Neubau ihren Sitz.
Literatur
Bearbeiten- Rainer Andresen: Lübeck. Geschichte-Kirchen-Befestigungen. Band I, S. 44 ff.
- Rainer Andresen: Lübeck. Die Baugeschichte der St. Petri-Kirche. Bd. 6, 1984.
- Günter Harig: St. Petri zu Lübeck: Realität und Idee einer Stadtkirche. epd-Dokumentation, Frankfurt am Main 1994.
- Klaus Krüger: Corpus der mittelalterlichen Grabdenkmäler in Lübeck, Schleswig, Holstein und Lauenburg (1100–1600). (= Kieler historische Studien. Bd. 40). Thorbecke, Stuttgart 1999, ISBN 3-7995-5940-X.
- Gustav Schaumann, Friedrich Bruns (Bearbeiter): Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck. Hrsg. von der Baudeputation. Bd. 2, Teil 1: St. Petri. Nöhring, Lübeck 1906 (Digitalisat im Internet Archive).
- Bernd Schwarze: Die Petrivisionen. Ein Gottesdienst, der nicht Gottesdienst heißt und vielleicht auch keiner ist. In: Nils Petersen (Hrsg.): Stadtliturgien – Visionen, Träume, Nachklänge. Kirche in der Stadt. Bd. 24, eb-Verlag Berlin 2016, S. 13–19.
- Roswitha Siewert: Raumdialoge. Gegenwartskunst und Kirchenarchitektur. Wieland, Lübeck 1993, ISBN 3-87890-070-8.
- Friedrich Techen: Die Grabsteine der lübeckischen Kirchen. Rahtgens, Lübeck 1898, S. 98–108 (Digitalisat).
- Wolfgang Teuchert: Die Baugeschichte der Petrikirche zu Lübeck. Dissertation Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Kiel 1953.
- Wolfgang Teuchert: Die Baugeschichte der Petrikirche zu Lübeck. In: Der Wagen. 1954, S. 24–29.
- Friedrich Zimmermann: Die Petrikirche zu Lübeck (= Große Baudenkmäler. Heft 389). 2. Auflage, München/Berlin 1998.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ „Turris in ede s. Petri corona deaurata cum armis cesaris et urbis insignata est“ (1492)
- ↑ Deutsche Biographie – Kock, Reimar. In: deutsche-biographie.de. Abgerufen am 9. Mai 2016.
- ↑ eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
- ↑ Ev. Kirchbautag und Institut für Kirchbau: St. Petri Kirche Lübeck. In: kirchbautag.de. Institut für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart an der Philipps-Universität Marburg, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 28. März 2016; abgerufen am 9. Mai 2016. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Nähere Informationen zur Orgel in St. Petri. Auf den Seiten des Ev.-Luth. Kirchenkreises. Abgerufen am 7. August 2020.
- ↑ StPetriLuebeck: SUPPER’S READY – Ein Abend über das Abendmahl. 3. Mai 2017, abgerufen am 23. März 2018.
- ↑ Evangelisch-lutherischer Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg ( des vom 11. November 2018 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Redakteur KMB 1: Neu im Team: Dr. Oliver Zybok als stellvertretender Direktor. In: Kunstmuseum Bonn. 18. April 2023, abgerufen am 30. August 2023 (deutsch).
- ↑ https://www.st-petri-luebeck.de/index.php/aussichtsturm
- ↑ Wilh. Stahl: Zum Gedächtnis der Reformation. III. Turmmusik. In: Vaterstädtische Blätter, Jahrgang 1917/18, Nr. 10, Ausgabe vom 30. Dezember 1917, S. 39–40.
Weblinks
BearbeitenKoordinaten: 53° 51′ 57″ N, 10° 41′ 0″ O