Laser-Linienbreite
Die Laser-Linienbreite ist die spektrale Linienbreite eines Laser-Strahls. In diesem Artikel werden die neuesten Erkenntnisse zur Entstehung der spektralen Kohärenz und Linienbreite eines Lasers dargestellt.
Theorie
BearbeitenHistorie: Erste Herleitung der Laser-Linienbreite
BearbeitenDie erste von Menschenhand erschaffene kohärente Lichtquelle war ein „Maser“. Das Akronym MASER bedeutet „Microwave Amplification by Stimulated Emission of Radiation“ (auf Deutsch: Mikrowellen-Verstärkung durch stimulierte Emission von Strahlung). Genauer gesagt war es der Ammoniak-Maser, der auf einer Wellenlänge von 12,5 mm emittiert, welcher 1954 von Gordon, Zeiger und Townes erstmals betrieben wurde.[1] Ein Jahr später leiteten dieselben Autoren[2] theoretisch die Maser-Linienbreite her, indem sie die sinnvollen Näherungen machten, dass ihr Ammoniak-Maser
(i) im Dauerstrahl-Betrieb (englisch: „continuous-wave“, cw) arbeitet,[2]
(ii) ein ideales Vier-Niveau-Energieschema besitzt,[2] und
(iii) keine intrinsischen Resonatorverluste erleidet, sondern lediglich Auskoppelverluste durch die Spiegel.[2]
Bemerkenswerterweise basiert diese Herleitung[2] auf rein semi-klassischen Annahmen. Sie beschreibt die Ammoniak-Moleküle als Quanten-Emitter, während klassische elektromagnetische Felder angenommen werden (dagegen keine quantisierten Felder oder Quantenfluktuationen). Daraus resultiert die halbe Halbwertsbreite (englisch: „half-width-at-half-maximum“, HWHM) der Maser-Emission[2]
die hier mit einem Sternchen gekennzeichnet ist und auf die volle Halbwertsbreite (englisch: „full-width-at-half-maximum“, FWHM) der Maser-Emission umgerechnet wird. ist die Boltzmann-Konstante, ist die Temperatur, ist die Ausgangsleistung des Lasers, und und sind die passiven HWHM- und FWHM-Linienbreiten des verwendeten Mikrowellen-Resonators.
Im Jahr 1958, zwei Jahre bevor Maiman den ersten Laser baute (welcher zunächst als „optischer Maser“ bezeichnet wurde),[3] transferierten Schawlow und Townes[4] die Maser-Linienbreite in den sichtbaren und nah-infraroten Spektralbereich, indem sie die thermische Energie durch die Photonenenergie ersetzten. ist Plancks Wirkungsquantum, und ist die Frequenz des Laserlichts. Dieser Transfer beinhaltet die Näherung, dass
(iv) während der Resonatorabklingzeit ein Photon durch spontane Emission in die Laser-Mode eingekoppelt wird,[5]
und führt zur Schawlow-Townes-Linienbreite:[4]
Auch der Transfer vom Mikrowellen- zum optischen Spektralbereich beruht auf einer rein semi-klassischen Grundlage,[4] ohne die Annahme von quantisierten Feldern oder Quanten-Fluktuationen. Daher basiert die ursprüngliche Schawlow-Townes-Gleichung komplett auf semi-klassischen physikalischen Annahmen[2][4] und ist eine vierfache Näherung einer allgemeineren Laser-Linienbreite,[5] die im Folgenden hergeleitet wird.
Passive Resonator-Mode: Resonatorabklingzeit
BearbeitenBetrachtet wird ein aus zwei Spiegeln bestehender Fabry-Pérot-Resonator[6] der geometrischen Länge , der homogen ausgefüllt ist mit einem aktiven Laser-Medium, das einen Brechungsindex hat. Wir definieren als Referenz-Situation die passive Resonator-Mode, deren aktives Laser-Medium transparent ist, d. h., es bewirkt weder Verstärkung noch Absorption von Licht.
Licht bewegt sich im Resonator mit der Geschwindigkeit fort, wobei die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum ist. Somit sind die Resonator-Umlaufzeit und der freie Spektralbereich gegeben durch[6][5]
Licht in der uns interessierenden longitudinalen Resonator-Mode oszilliert auf der q-ten Resonanzfrequenz[6][5]
Die exponentielle Auskopplungszeit und die entsprechende Ratenkonstante ergeben sich aufgrund der Spiegelreflektionen der beiden Resonator-Spiegel zu[6][5]
Die exponentielle intrinsische Verlustzeit und die entsprechende Ratenkonstante ergeben sich aufgrund der intrinsischen Resonatorverluste pro Resonator-Umlauf zu[5]
Die resultierende exponentielle Resonatorabklingzeit und die entsprechende Ratenkonstante betragen somit[5]
Alle drei exponentiellen Zerfallszeiten mitteln über die Resonator-Umlaufzeit [5] Im Folgenden nehmen wir an, dass , , , und und daher auch , und sich innerhalb des Spektralbereichs, der für die Laser-Linienbreite von Interesse ist, nicht wesentlich ändern.
Passive Resonator-Mode: Lorentz-Linienbreite, Q-Faktor, Kohärenzzeit und -länge
BearbeitenNeben der Resonatorabklingzeit kann man die spektralen Kohärenz-Eigenschaften der passiven Resonator-Mode äquivalent durch folgende Parameter ausdrücken. Die FWHM-Lorentz-Linienbreite der passiven Resonator-Mode, die in der Schawlow-Townes-Gleichung auftritt, erhält man durch Fourier-Transformation der exponentiellen Resonatorabklingzeit in den Frequenzraum,[6][5]
Der Qualitätsfaktor (Q-Faktor) ist definiert als die Energie , die im Resonator gespeichert ist, geteilt durch die Energie , die pro Oszillationszyklus des Lichts verloren geht,[5]
wobei die Zahl der Photonen in der Resonator-Mode ist. Die Kohärenzzeit und die Kohärenzlänge des Lichts, das aus der Resonator-Mode emittiert wird, sind gegeben durch die Gleichung[5]
Aktive Resonator-Mode: Verstärkung, Resonatorabklingzeit, Lorentz-Linienbreite, Q-Faktor, Kohärenzzeit und -länge
BearbeitenUnter Berücksichtigung der Besetzungsdichten und des oberen und unteren Laser-Niveaus und der effektiven Wirkungsquerschnitte und der stimulierten Emission und der Absorption auf der Resonanz-Frequenz ergibt sich die Verstärkung pro Längeneinheit im aktiven Laser-Medium auf der Resonanz-Frequenz zu[5]
Ein Wert bedeutet Verstärkung auf der Resonanz-Frequenz , während ein Wert Absorption bedeutet. Dies resultiert in einer entsprechend verlängerten oder verkürzten Resonatorabklingzeit , mit der die Photonen sich aus der aktiven Resonator-Mode entfernen:[5]
Die anderen vier Eigenschaften der spektralen Kohärenz der aktiven Resonator-Mode erhält man in derselben Weise wie für die passive Resonator-Mode. Die Lorentz-Linienbreite ergibt sich durch Fourier-Transformation in den Frequenzraum,[5]
Ein Wert führt zu Verstärkungsreduzierung der Linienbreite, während ein Wert zu Absorptionsverbreiterung führt. Der Q-Faktor beträgt[5]
Die Kohärenzzeit und -länge betragen[5]
Spektraler Kohärenzfaktor
BearbeitenDer Faktor, um den die Resonatorabklingzeit durch Verstärkung verlängert oder durch Absorption verkürzt wird, wird hier als sogenannter spektraler Kohärenzfaktor eingeführt:[5]
Alle fünf oben eingeführten Parameter, die gleichbedeutend die spektrale Kohärenz beschreiben, skalieren mit demselben spektralen Kohärenzfaktor :[5]
Lasende Resonator-Mode: Fundamentale Laser-Linienbreite
BearbeitenFür eine gegebene Zahl an Photonen, die sich in der lasenden Resonator-Mode befinden, lauten die stimulierte Emissionsrate und Resonator-Abklingrate:[5]
Der spektrale Kohärenzfaktor beträgt somit[5]
Die Resonatorabklingzeit der lasenden Resonator-Mode beträgt[5]
Die fundamentale Laser-Linienbreite beträgt[5]
Diese fundamentale Linienbreite gilt für Laser mit beliebigem Energie-Niveau-Schema (Vier- oder Drei-Niveau-Schema oder irgendeine Situation zwischen diesen beiden Extremen), im Betrieb unterhalb, an, und oberhalb der Laser-Schwelle, einer Verstärkung, die kleiner, gleich, oder größer als die Verluste ist, und in einem CW- oder transienten Laser-Regime.[5]
Aus dieser Herleitung wird deutlich, dass die fundamentale Linienbreite eines CW-Lasers auf dem semi-klassischen Effekt beruht, dass die Verstärkung die Resonatorabklingzeit verlängert.[5]
Dauerstrahl-Laser: Die Verstärkung ist kleiner als die Verluste
BearbeitenDie spontane Emissionsrate in die lasende Resonator-Mode hinein ist gegeben durch[5]
Es ist zu beachten, dass grundsätzlich eine positive Rate ist, weil bei jedem einzelnen Emissionsprozess eine atomare Anregung in ein Photon in der Laser-Mode umgewandelt wird.[7][5] Diese Rate ist der Quellterm der Laserstrahlung und darf keinesfalls als „Rauschen“ missinterpretiert werden.[5] Die Photonen-Ratengleichung für eine einzelne Laser-Mode ergibt sich als[5]
Ein CW-Laser zeichnet sich durch eine zeitlich konstante Photonenzahl in der Laser-Mode aus. Daher ist . In einem CW-Laser kompensieren die stimulierte und spontane Emissionsrate gemeinsam die Resonator-Abklingrate. Daher ist[5]
Die stimulierte Emissionsrate ist kleiner als die Resonator-Abklingrate. Anders ausgedrückt: Die Verstärkung ist kleiner als die Verluste.[5] Diese Tatsache ist seit Jahrzehnten bekannt und wurde dazu ausgenutzt, das Verhalten von Halbleiter-Lasern an der Laser-Schwelle quantitativ zu beschreiben.[8][9][10][11] Selbst weit oberhalb der Laser-Schwelle ist die Verstärkung immer noch minimal kleiner als die Verluste. Es ist genau dieser extrem kleine Unterschied, der die endliche Linienbreite eines CW-Lasers hervorruft.[5]
Aus dieser Herleitung wird klar, dass ein Laser grundlegend ein Verstärker spontaner Emission ist und die CW-Laser-Linienbreite durch den semi-klassischen Effekt hervorgerufen wird, dass die Verstärkung kleiner ist als die Verluste.[5] Auch in quantenoptischen Beschreibungen der Laser-Linienbreite,[12] die auf der Dichteoperator-Hauptgleichung beruhen, kann gezeigt werden, dass die Verstärkung kleiner ist als die Verluste.[5]
Schawlow-Townes-Näherung
BearbeitenWie oben bereits erwähnt, wird aus ihrer historischen Herleitung klar, dass die ursprüngliche Schawlow-Townes-Gleichung eine vierfache Näherung der fundamentalen Laser-Linienbreite ist. Ausgehend von der fundamentalen Laser-Linienbreite , die oben hergeleitet wurde, erhält man durch explizite Anwendung der vier Näherungen (i)-(iv) genau die ursprüngliche Schawlow-Townes-Gleichung:
(i) Es ist ein reiner CW-Laser. Entsprechend gilt[5]
(ii) Es ist ein idealer Vier-Niveau-Laser. Entsprechend gilt[5]
(iii) Intrinsische Resonator-Verluste sind vernachlässigbar. Entsprechend gilt[5]
(iv) Genau ein Photon wird während der Resonatorabklingzeit durch spontane Emission in die Laser-Mode eingekoppelt. Geschehen würde dies in einem idealen Vier-Niveau-CW-Laser genau an dem unerreichbaren Punkt, an dem der spektrale Kohärenz-Faktor , die Photonenzahl in der Resonator-Mode und die Ausgangsleistung unendlich groß werden, also an dem Punkt, an dem die Verstärkung gleich den Verlusten würde. Entsprechend gilt[5]
Das heißt, wenn man dieselben vier Näherungen (i)-(iv), die bereits in der ersten Herleitung benutzt wurden,[2][4] auf die fundamentale Laser-Linienbreite anwendet, erhält man konsequenterweise die ursprüngliche Schawlow-Townes-Gleichung.[5]
Zusammenfassend lautet die fundamentale Laser-Linienbreite[5]
während die ursprüngliche Schawlow-Townes-Gleichung eine vierfache Näherung dieser fundamentalen Laser-Linienbreite und daher hauptsächlich von historischer Bedeutung ist.
Zusätzliche Mechanismen der Linienverbreiterung und -verengung
BearbeitenNach ihrer Veröffentlichung im Jahr 1958 wurde die ursprüngliche Schawlow-Townes-Gleichung[4] auf verschiedene Weisen erweitert. Diese erweiterten Gleichungen werden oftmals mit demselben Namen bezeichnet, nämlich der Schawlow-Townes-Linienbreite. Dadurch ist in der publizierten Literatur zur Laser-Linienbreite durchaus Konfusion entstanden, da oft unklar ist, welche Erweiterung der ursprünglichen Schawlow-Townes-Gleichung die jeweiligen Autoren betrachten oder benutzen.
Einige semi-klassische Erweiterungen hatten zum Ziel, eine oder mehrere der oben genannten Näherungen (i)-(iv) zu eliminieren, wodurch diese erweiterten Gleichungen der oben hergeleiteten fundamentalen Laser-Linienbreite in ihrem physikalischen Gehalt ähnlicher wurden.
Folgende mögliche Erweiterungen der fundamentalen Laser-Linienbreite wurden vorgeschlagen:
- Hempstead und Lax,[13] sowie unabhängig Hermann Haken,[14] sagten quantenmechanisch vorher, dass nahe der Laser-Schwelle eine zusätzliche Reduzierung der Laser-Linienbreite um einen Faktor zwei auftritt. Allerdings wurde eine solche Reduzierung nur in ganz wenigen Fällen experimentell beobachtet.
- Petermann erklärte semi-klassisch eine zuvor experimentell beobachtete Linienverbreiterung in durch optische Verstärkung anstatt durch einen Brechungsindex-Unterschied wellenleitenden Halbleiter-Lasern.[15] Siegman zeigte später, dass dieser Effekt durch die Nicht-Orthogonalität transversaler Moden hervorgerufen wird.[16][17] Woerdman und Mitarbeiter erweiterten diese Idee auf longitudinale Moden[18] und Polarizationsmoden.[19] Daher wird manchmal der sogenannte „Petermann-K-Faktor“ der Gleichung für die Laser-Linienbreite hinzugefügt.
- Henry sagte quantenmechanisch eine zusätzliche Linienverbreiterung vorher, die dadurch auftritt, dass Variationen des Brechungsindex aufgrund von Elektron-Loch-Paar-Anregungen in Halbleiter-Lasern (aber natürlich auch in allen anderen Anregungsprozessen) Phasenvariationen im Resonator-Umlauf bewirken.[20] Daher wird manchmal der sogenannte „Henry- -Faktor“ der Gleichung für die Laser-Linienbreite hinzugefügt.
Messung der Laser-Linienbreite
BearbeitenEine der ersten Methoden zur Messung der spektralen Kohärenz eines Lasers war die Interferometrie.[21] Eine typische Methode zur Messung der Laser-Linienbreite ist selbst-heterodyne Interferometrie.[22][23]
Dauerstrich-Laser
BearbeitenSeltenerd-dotierte dielektrische oder Halbleiter-basierte Laser mit verteilter Rückkopplung durch integrierte Bragg-Spiegel haben typische Linienbreiten in der Größenordnung von 1 kHz.[24][25] Die Laser-Linienbreite stabilisierter CW-Laser kann weit weniger als 1 kHz betragen.[26] Beobachtete Linienbreiten sind größer als die fundamentale Laser-Linienbreite, da technische Einflüsse auftreten (z. B. zeitliche Fluktuationen der optischen oder elektrischen Pumpleistung, mechanische Vibrationen, Brechungsindex- und Längenänderungen aufgrund von Temperaturschwankungen usw.).
Einzelnachweise
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- ↑ a b c d e f g h J. P. Gordon, H. J. Zeiger, C. H. Townes: The maser−New type of microwave amplifier, frequency standard, and spectrometer. In: Physical Review. 99. Jahrgang, Nr. 4, 1955, S. 1264–1274, doi:10.1103/PhysRev.99.1264.
- ↑ T. H. Maiman: Stimulated optical radiation in Ruby. In: Nature. 187. Jahrgang, Nr. 4736, 1960, S. 493–494, doi:10.1038/187493a0.
- ↑ a b c d e f A. L. Schawlow, C. H. Townes: Infrared and optical masers. In: Physical Review. 112. Jahrgang, Nr. 6, 1958, S. 1940–1949, doi:10.1103/PhysRev.112.1940.
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- ↑ L. W. Hollberg, CW dye lasers, in Dye Laser Principles, F. J. Duarte and L. W. Hillman (eds.) (Academic, New York, 1990) Chapter 5.