Lenhard Everwien

deutscher Politiker

Lenhard Everwien (* 6. Oktober 1897 in Hamswehrum, Landkreis Norden; † 25. Oktober 1971 in Norden (Ostfriesland)[1]) war ein deutscher Politiker (NSDAP) und Bäckermeister.

Lenhard Everwien

Nach dem Besuch der Volksschule begann Everwien 1912 eine Ausbildung zum Bäcker. Von 1916 bis 1918 nahm er als Soldat am Ersten Weltkrieg teil.[2] Seit 1923 arbeitete er als Bäckermeister und Kaufmann in Woltzeten. Von 1929 bis 1931 saß Everwien als Beigeordneter im Gemeinderat der Gemeinde Woltzeten und schloss sich zum 1. April 1930 der NSDAP an (Mitgliedsnummer 244.473).[3] Bereits 14 Tage später wurde er zum Stützpunktleiter und am 15. Januar 1931 zum Stellvertreter des NSDAP-Kreisleiters Johann Menso Folkerts ernannt. Im selben Jahr erfolgte seine Wahl zum Bürgermeister in Woltzeten. Von Mai bis Oktober 1932 war er Vorsitzender des NSDAP-Kreisgerichts.

Auf Vorschlag Carl Rövers, Gauleiter des Gaus Weser-Ems von 1929 bis 1942, wurde er von Adolf Hitler zum Kreisleiter und damit zum Nachfolger Folkerts’ ernannt, der wegen seiner Weigerung, aus der Kirche auszutreten, entlassen worden war,[4]. Aus der bislang nebenberuflichen wurde damit eine hauptberufliche Parteitätigkeit. Lenhard Everwien unterstanden die 28 NSDAP-Ortsgruppen des Landkreises Norden sowie die drei Norder Ortsgruppen.[5] Everwien übernahm als Kreisleiter die „politische und weltanschauliche Erziehung und Ausrichtung der Politischen Leiter, Parteimitglieder sowie der Bevölkerung“. Zu seinen Machtbefugnissen gehörte es auch, „öffentliche und nichtöffentliche Veranstaltungen und Handlungen, die der Zielsetzung der NSDAP zuwiderliefen“, zu unterbinden. 1933 wurde Everwien Mitglied des Kreistags Norden. 1935 erließ das nationalsozialistische Regime die Deutsche Gemeindeordnung. Sie erweiterte die politische Einflussnahme der NSDAP-Kreisleiter. Dadurch erhielt auch Everwien das Recht, Personen für die Besetzung von politischen Ämtern (Bürgermeister, Gemeinderäte, Beigeordnete) vorzuschlagen. Von 1939 bis 1940 war Everwien zeitweise Kreisleiter der NSDAP des Landkreises Emden.[6]

 
Ruine der Norder Synagoge

In der sogenannten Reichspogromnacht 1938 wurde unter Everwiens Leitung die Synagoge der jüdischen Gemeinde Norden niedergebrannt. Gemeinsam mit zwei anderen SA-Mitgliedern hatte Lenhard Everwien dazu Benzin bei einer Norder Tankstelle besorgt.[7]

Am 5. Oktober 1942 trat Everwien im Nachrückverfahren für den ausgeschiedenen Abgeordneten Lühr Hogrefe in den nationalsozialistischen Reichstag ein, dem er bis zum Ende der NS-Herrschaft im Frühjahr 1945 als Vertreter des Wahlkreises 14 (Weser-Ems) angehörte.

Everwiens vorletzter öffentlicher Auftritt datiert auf den 20. April 1945. Bei einer Rede anlässlich des Führergeburtstags im vollbesetzten Saal des Norder Hotels Deutsches Haus gelobte er unter anderem die „unwandelbare Treue“ der Nationalsozialisten „zum Führer“ und schloss seine Rede mit den Worten: „Die Ostfriesen werden – wie ihre Vorfahren – stur und verbissen kämpfen, sich durch nichts irre machen lassen, bis der Sieg errungen ist!“ Zum Zeitpunkt dieser Ansprache standen die alliierten Streitkräfte bereits im südlichen Ostfriesland bei Leer.[8] Seine letzte öffentliche Rede hielt Everwien am 2. Mai 1945. Anlass war eine Trauerfeier für Adolf Hitler, die im NSDAP-Kreishaus am Norder Marktplatz stattfand. Wenige Tage später wurde er verhaftet und interniert.[9]

In zwei Prozessen wurde Everwien 1948 wegen Denunziation und Brandstiftung in der Norder Synagoge zu vier Jahren Zuchthaus und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Auch wurden ihm für einen Zeitraum von vier Jahren die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt. Die Bielefelder Spruchkammer verurteilte ihn wegen der Zugehörigkeit zu einer verbrecherischen Organisation 1949 zu einer weiteren Gefängnisstrafe, die aber auf seine Internierungshaft angerechnet wurde.[10]

Veröffentlichungen

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  • Frontzeitung: Der Wall. Emdens Gruß an seine Soldaten. Emden, zwischen 1942 und 1944 (Herausgeber)[11]

Literatur

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  • Michael Rademacher: Die Kreisleiter der NSDAP im Gau Weser-Ems. Tectum-Verlag, Marburg 2005, ISBN 3-8288-8848-8.
  • Joachim Lilla, Martin Döring, Andreas Schulz: Statisten in Uniform. Die Mitglieder des Reichstags 1933–1945. Ein biographisches Handbuch. Unter Einbeziehung der völkischen und nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten ab Mai 1924. Droste, Düsseldorf 2004, ISBN 3-7700-5254-4, S. 130.
  • Erich Stockhorst: 5000 Köpfe. Wer war was im 3. Reich. 2. Auflage. Arndt, Kiel 2000, ISBN 3-88741-116-1.
  • Hans Forster jun., Günther Schwickert: Norden. Eine Kreisstadt unterm Hakenkreuz. Dokumente aus der Zeit der Gewaltherrschaft 1933–1945 (Hrsg. Norder Jungsozialisten, SPD-Ortsverein Norden). Norden 1988, DNB 881206539.
  • Ernst Kienast (Hrsg.): Der Großdeutsche Reichstag 1938, IV. Wahlperiode. R. v. Decker´s Verlag, G. Schenck, Ausgabe Juni 1943, Berlin.

Einzelnachweise

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  1. Bunkermuseum Emden (Hrsg.); Dietrich Janßen: Am Tage danach … 1945 (Memento vom 7. September 2014 im Internet Archive) (PDF; 384 kB). Anmerkung 14, abgerufen am 18. August 2024.
  2. Die Daten und Fakten dieses Abschnitts stützen sich – wenn nicht anders vermerkt – auf Hans Forster jun., Günther Schwickert: Norden. Eine Kreisstadt unterm Hakenkreuz. Dokumente aus der Zeit der Gewaltherrschaft 1933–1945 (Hrsg. Norder Jungsozialisten, SPD-Ortsverein Norden). Norden 1988, S. 63 ff.
  3. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/8181017
  4. Inge Lüpke-Müller: Eine Region im politischen Umbruch. Der Demokratisierungsprozess in Ostfriesland nach dem Zweiten Weltkrieg. Aurich 1998, ISBN 3-932206-11-8, S. 215.
  5. Siehe dazu Forster, Schwickert: Norden. Eine Kreisstadt unterm Hakenkreuz. 1988, S. 53 ff.
  6. Michael Rademacher: Stadt und Landkreis Emden. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  7. Lina Gödeken: Rund um die Synagoge in Norden. Die Geschichte der Synagogengemeinde seit 1866. Aurich 2000, ISBN 3-932206-18-5, S. 304.
  8. Johann Haddinga: Stunde Null. 1944–1948. Ostfrieslands schwerste Jahre. Norden 1988, ISBN 3-922365-76-0, S. 54.
  9. Lüpke-Müller: Eine Region im politischen Umbruch. 1998, S. 215.
  10. Lüpke-Müller: Eine Region im politischen Umbruch. 1998, S. 315.
  11. Marten Klose: Propaganda aus Emden. (Memento vom 6. September 2014 im Internet Archive) In: Emder Zeitung. Wochenmagazin. Nr. 68, 21. März 2009, zit. in bunkermuseum.de (PDF; 70 kB), abgerufen am 18. August 2024.