Leo Baeck College

Rabbinerseminar mehrerer jüdischer Denominationen in London

Das Leo Baeck College in London ist ein Rabbinerseminar, das liberale, Reform- und Masorti-Rabbiner für alle europäischen Länder ausbildet und ordiniert. Auch werden jüdische Religionslehrer ausgebildet. In Nord-London verfügt es über Unterrichtsräume, Büroräume, studentische Aufenthaltsräume sowie eine der führenden Judaica-Bibliotheken in Europa mit über 50.000 Bänden und einem Archiv mit ca. 80.000 Traktaten und Tonaufnahmen.

Geschichte

Bearbeiten

1933 gab es in Großbritannien 9 liberale bzw. Reformgemeinden. 1945 war die Zahl auf Grund der vielen Immigranten aus Deutschland auf 16 gestiegen, im Jahr 1956 auf 32. Die Rabbiner der damaligen Gemeinden waren am amerikanischen Hebrew Union College, vor allem aber an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin bzw. am Jüdisch-Theologischen Seminar in Breslau ausgebildet worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die europäischen Ausbildungsstätten in Deutschland nun zerstört. Das amerikanische Reformjudentum war inzwischen so stark gewachsen, dass es selbst Rabbinermangel hatte.

Das orthodoxe Jew’s College in London lehnte die Aufnahme nicht-orthodoxer Studenten ab und die Universitäten boten keine ausreichenden Möglichkeiten zur Ausbildung rabbinischer Persönlichkeiten. In den 50er Jahren waren die Reformgemeinden und die liberalen Gemeinden in Großbritannien daher von der Notwendigkeit überzeugt, eigene Möglichkeiten zur Ausbildung von Rabbinern zu schaffen. Die liberalen Synagogen gründeten ein Minister’s Training Scheme, die Reformgemeinden einen Leo Baeck Scholarship Fund. Doch erst am 30. September 1956 wurde mit der Gründung des Jewish Theological College eine feste Institution ins Leben gerufen. Gründungsdirektor war der aus Deutschland stammende Rabbiner Dr. Werner van der Zyl. Eigentlich war Rabbiner Leo Baeck für dieses Amt bestimmt worden, doch eine schwere Krankheit verhinderte dies und als Leo Baeck wenige Monate später am 2. November 1956 starb, wurde das Jewish Theological College ihm zu Ehren in Leo Baeck College for the Study of Judaism and the Training of Rabbis, Ministers and Teachers umbenannt.

Es begann seine Arbeit mit einem halben Dutzend Studenten, zwei hauptamtlich angestellten Dozenten sowie vier Teilzeit-Dozenten in einem Raum der West London Synagogue. Die ersten Dozenten waren überwiegend Lehrer der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin, wie Rabbiner Ignaz Maybaum, Arjeh Dörfler, Ellen Littmann. Der große Anteil an deutschsprachigen Werken in der Bibliothek des Colleges geht auf diese ersten deutschen Dozenten zurück.

1963 zog das College in den neugebauten Anbau der West London Synagogue um und verfügte nun über eigene Unterrichtsräume, einen Bibliotheksraum und einen Studentenraum. Seit 1964 steht das College unter der Trägerschaft der Reformsynagogues of Great Britain (heute Movement for Reform Judaism) und der Union of Liberal and Progressive Synagogues (heute Liberal Judaism). Im Jahre 1967 wurde die erste Frau zum rabbinischen Programm zugelassen. Ihr Name ist Jacqueline Tabick. Sie wurde 1975 als erste Frau zur Rabbinerin am Leo Baeck Colleges ordiniert. Im selben Jahr begann Professor Dr. Hyam Z. Maccoby die Reihe der Gelehrten, die die Bibliothek des Colleges systematisch zu einer einzigartigen Sammlung von Judaica in Europa aufbauten.

Seine heutigen Räumlichkeiten im Sternberg Centre for Judaism in Nord-London bezog das Leo Baeck 1982. Vier Jahre darauf wurde das Centre for Jewish Education zur Ausbildung und Weiterbildung von Religionslehrern gegründet, das 2001 mit der Rabbinerausbildung fusioniert und heute als dessen Department for Education and Professional Development arbeitet. Es bietet unter anderem auch Videokonferenzen für Schulklassen über Judentum an.

Inzwischen wurden insgesamt 153 Rabbinerinnen und Rabbiner am Leo Baeck College ordiniert, die in verschiedenen Ländern amtieren, vor allem in Großbritannien, Deutschland, Holland, Frankreich, Südafrika und den USA, seit 1999 auch in Russland und der Ukraine.

Das College gibt die Zeitschrift „European Judaism. A Journal for the New Europe“ heraus.

Rektoren (Principals)

Bearbeiten

Absolventen (Auswahl)

Bearbeiten

Literatur

Bearbeiten
  • Jonathan Magonet: From Artilleriestrasse to Upper Berkeley Street: The Origins of a Rabbinical College. In: European Judaism. 39 (2006), S. 3–15.
  • Jonathan Romain: Fifty Years of Leo Baeck College: An Overview (1956-2006). In: European Judaism. 39 (2006), S. 27–31.
  • Ellen Littmann: The First Ten Years of the Leo Baeck College. In: Dow Marmur (Hrsg.): Reform Judaism. Essays on Reform Judaism in Britain. RSGB, London 1973, S. 160–178.
  • Jonathan A. Romain: Leo Baeck and the College. In: Jonathan A. Romain (Hrsg.): Renewing the Vision. SCM Press, London 1996, S. xi - xvi.
  • Michael Leigh: 1956 and All That. In: Jonathan A. Romain (Hrsg.): Renewing the Vision. SCM Press, London 1996, S. 165–181.
  • Jackie Tabick: I Never Really Wanted to be First. In: Sybil Sheridan (Hrsg.): Hear Our Voice. Women rabbis tell their stories. SCM Press, London 1994, S. 16–26.
Bearbeiten