Lesebuch 65

Schullesebuchreihe für Haupt- und Realschulen

Das "Lesebuch 65" war eine Schullesebuchreihe für Haupt- und Realschulen, die vom Hermann Schroedel Verlag, Hannover, herausgegeben wurde und nach seinem Erscheinungsjahr benannt ist.

Herausgeber des "Lesebuch 65" waren Klaus Gerth, Alfred Blumenthal, Heinz-Günther Pflughaupt, Ulrich Thiergard und Ulrich Wangerin.

Entstehungskontext

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In den 1960er Jahren entfachte in der Bundesrepublik Deutschland eine intensive Debatte über die inhaltliche Ausrichtung von Lesebüchern.

Diese Diskussion wurde unter anderem initiiert durch Robert Minder, Hildegard Hamm-Brücher und Peter Glotz und war Teil einer breiteren Bewegung zur Reform des Bildungswesens und spiegelte den gesellschaftlichen Wandel jener Zeit wider. Besonders kritisiert wurde, dass die Schullesebücher in den Nachkriegsjahren wirklichkeitsfremd wären, ein agrarisches Gesellschaftsbild vermitteln und die industrielle Wirklichkeit der bundesrepublikanischen Nachkriegsgesellschaft ausblenden[1] und über das zeitgenössische Leben so gut wie nichts enthalten, dafür aber Blut und Boden romantisieren.[2]

Pädagogische Bedeutung und Rezeption

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Das "Lesebuch 65" stellte eine wegweisende Entwicklung in der Geschichte deutscher Schullesebücher dar, denn es zeichnete sich durch einen innovativen Ansatz aus, der sowohl zeitgemäß als auch zugänglich war. Die Modernität des "Lesebuch 65" zeigte sich vor allem in der Erweiterung des traditionellen Literaturbegriffs. Die Herausgeber wollten die Welt zeigen wie sie ist[3] und integrierten neben den Klassikern auch zeitgenössische Texte von Autorinnen und Autoren sowie Auszüge aus populären Jugendbüchern und schafften damit eine Kombination aus Tradition und Moderne. Dieser Ansatz gilt als Paradigmenwechsel, denn das "Lesebuch 65" berücksichtigte erstmals auch die Lebenswelt und Interessen der Schülerinnen und Schüler, was aus jugendpsychologischer Sicht einen bedeutenden Fortschritt darstellte[4] und zielte darauf ab, dass Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt werden, sich gegenüber Literatur eigenständig, aktiv und kritisch verhalten zu können.[5]

Trotz dieser Neuerungen präsentierte das "Lesebuch 65" inhaltlich und qualitativ vorbildliche Texte für den Unterricht und bot damit eine Brücke zwischen bewährten pädagogischen Konzepten und den sich wandelnden, Anforderungen an den Deutschunterricht in den 1960er Jahren. Peter Glotz bezeichnete das "Lesebuch 65" als "Einen Schritt in Richtung auf unsere Gegenwart."[6]

Typografie und Gestaltung

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Das "Lesebuch 65" setzte auch in der visuellen Gestaltung neue Maßstäbe. Im Gegensatz zu früheren Schulbüchern, die oftmals konservative Layouts aufwiesen, präsentierte sich das "Lesebuch 65" mit einer klaren, übersichtlichen und zeitgemäßen Typografie und modernen grafischen Prinzipien. Mit diesem klaren und funktionalen Layout unterstrich es seine Modernität und den Aufbruch in eine neue Zeit.

Einzelnachweise

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  1. Christoph Humburg: "Gesellschaftspädagogische Grundlagen und Vorstellungen zur kindlichen Anthropologie und deren Spiegelungen in der erziehungswissenschaftlichen Fachliteratur wie in Lesebuchtexten für den Deutschunterricht der Unterstufe (DDR) und der Primarstufe (BRD) im Vergleich der politischen Systeme im geteilten Deutschland (1958-1990)". Inaugural Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie an der Kulturwissenschaftlichen Fakult‰t der Universität Dortmund. Universität Dortmund, S. 183, abgerufen am 16. November 2024.
  2. Dunkles Geraune. Spiegel-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG, 16. November 1965, abgerufen am 16. November 2024.
  3. Michael Hohm: Zum Zusammenhang von Sprachbewusstheit, Lesekompetenz und Textverstehen. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät II der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Universität Würzburg, 2005, S. 36, abgerufen am 16. November 2024.
  4. Drucksachen - Drecksachen. In: DIE ZEIT. Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, 10. Januar 1975, abgerufen am 16. November 2024.
  5. Michael Hohm: Zum Zusammenhang von Sprachbewusstheit, Lesekompetenz und Textverstehen. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät II der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Universität Würzburg, 2005, S. 36, abgerufen am 16. November 2024.
  6. Dunkles Geraune. Spiegel-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG, 16. November 1965, abgerufen am 16. November 2024.