Liebigit ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Carbonate und Nitrate“ (ehemals „Carbonate, Nitrate und Borate“) mit der chemischen Zusammensetzung Ca2[UO2|(CO3)3]·(8+3)H2O[3] und ist damit chemisch gesehen ein wasserhaltiges Calcium-Uranylcarbonat.

Liebigit
Liebigit aus der Schwartzwalder Mine, Colorado, USA
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Lbi[1]

Andere Namen
  • Flutherit
  • Hebergit
  • Kalkurancarbonat
  • Uranothallit
Chemische Formel
  • Ca2(UO2)(CO3)3·11H2O[2]
  • Ca2[UO2|(CO3)3]·(8+3)H2O[3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Carbonate und Nitrate (8. Auflage: Carbonate und Borate)
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

Vb/D.04
V/F.02-070

5.ED.20
15.03.02.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem orthorhombisch
Kristallklasse; Symbol orthorhombisch-pyramidal; mm2[4]
Raumgruppe Bbe2[5] (Nr. 41, Stellung 2)Vorlage:Raumgruppe/41.2[3]
Gitterparameter a = 16,70 Å; b = 17,56 Å; c = 13,70 Å[3]
Formeleinheiten Z = 8[3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 2 bis 3[6]
Dichte (g/cm3) 2,41[6]
Spaltbarkeit deutlich {100}[6]
Bruch; Tenazität uneben
Farbe gelb, gelbgrün, grün
Strichfarbe hellgrün
Transparenz durchsichtig bis durchscheinend
Glanz Glasglanz
Radioaktivität stark radioaktiv
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,497[7]
nβ = 1,502[7]
nγ = 1,539[7]
Doppelbrechung δ = 0,042[7]
Optischer Charakter zweiachsig positiv
Achsenwinkel 2V = 37 bis 42°[7]
Pleochroismus sichtbar: X = fast farblos; Y und Z = hell gelblichgrün[7]
Weitere Eigenschaften
Besondere Merkmale starke, grüne bis blaugrüne Fluoreszenz[6]

Liebigit kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem und entwickelt meist blättrige oder körnige Mineral-Aggregate und krustige Überzüge, selten aber auch tafelige bis kurzprismatische Kristalle von bis zu 5 mm Größe[6] und gelbgrüner Farbe. Die Kristalle sind durchsichtig bis durchscheinend und zeigen auf den Kristallflächen einen glasartigen Glanz.

Etymologie und Geschichte

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Erstmals gefunden wurde Liebigit bei Edirne (früher: Adrianopel) in der Türkei und 1848 beschrieben durch John Lawrence Smith (1818–1883)[8], der das Mineral zu Ehren des deutschen Chemikers Justus von Liebig nach diesem benannte.[9][10]

Das Typmaterial des Minerals wird im American Museum of Natural History in New York City (USA) unter der Katalog-Nr. 16847 aufbewahrt.[6]

Klassifikation

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In der mittlerweile veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Liebigit zur gemeinsamen Mineralklasse der „Carbonate, Nitrate und Borate“ und dort zur Abteilung „Wasserhaltige Carbonate mit fremden Anionen“, wo er zusammen mit Andersonit, Bayleyit, Metazellerit, Rabbittit, Rutherfordin, Schröckingerit, Sharpit, Studtit, Swartzit, Voglit, Wyartit und Zellerit die „Gruppe der Uranyl-Carbonate“ Vb/D.04 bildete.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser klassischen Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. V/F.02-70. Auch in der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der gemeinsamen Mineralklasse der „Carbonate, Nitrate und Borate“, dort allerdings der Abteilung „Uranylcarbonate [UO2]2+–[CO3]2-“, wo der Liebigit zusammen mit Agricolait, Andersonit, Bayleyit, Čejkait, Fontanit, Grimselit, Leószilárdit, Metazellerit, Swartzit und Zellerit eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe bildet.[11]

Seit der vollständigen Überarbeitung der Strunz’schen Mineralsystematik in der 9. Auflage (2001) ist die Mineralklasse der Carbonate (und Verwandte) neu aufgeteilt und die Borate bilden eine eigene Klasse. Der Liebigit ist entsprechend in der Mineralklasse der „Carbonate und Nitrate“ und dort in der nach wie vor existenten Abteilung der „Uranylcarbonate“ zu finden. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach dem Stoffmengenverhältnis des Uranyl-Kations (UO22+) zum Carbonat-Anion (CO32−), das beim Liebigit 1 : 4 beträgt. Liebigit bildet in dieser Unterabteilung als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 5.ED.20.

Die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Liebigit wie die veraltete Strunz’sche Systematik in die gemeinsame Klasse der „Carbonate, Nitrate und Borate“. Dort steht der Liebigit allerdings in der Abteilung der „Wasserhaltigen Carbonate“ und der Unterabteilung der „Wasserhaltigen Carbonate mit der allgemeinen Zusammensetzung A+mB2+n(XO3)p • x(H2O), dem Verhältnis (m+n) : p = 1 : 1 und mit U, Th, Zr, Y“, wo er als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 15.03.02 bildet.

Kristallstruktur

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Liebigit kristallisiert orthorhombisch in der Raumgruppe Bbe2[5] (Raumgruppen-Nr. 41, Stellung 2)Vorlage:Raumgruppe/41.2 mit den Gitterparametern a = 16,70 Å; b = 17,56 Å; c = 13,70 Å sowie 8 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[3]

Die Kristallstruktur von Liebigit besteht aus [UO2|(CO3)3]4--Baugruppen, die über CaO4(H2O)4-Polyeder miteinander verbunden sind. Diese Verbindungen bilden einerseits Zickzack-Ketten parallel der c-Achse [001] und gradlinige Ketten parallel der a-Achse [100]. Das Resultat sind „runzelige“ Schichten parallel der Fläche (010) beziehungsweise senkrecht zur b-Achse.[3]

Eigenschaften

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Das Mineral ist durch seinen Urangehalt von bis zu 32,7 % radioaktiv. Unter Berücksichtigung der Mengenanteile der radioaktiven Elemente in der idealisierten Summenformel sowie der Folgezerfälle der natürlichen Zerfallsreihen wird für das Mineral eine spezifische Aktivität von etwa 58,5 kBq/g[4] angegeben (zum Vergleich: natürliches Kalium 0,0312 kBq/g). Der zitierte Wert kann je nach Mineralgehalt und Zusammensetzung der Stufen deutlich abweichen, auch sind selektive An- oder Abreicherungen der radioaktiven Zerfallsprodukte möglich und ändern die Aktivität.

Unter kurz- und langwelligem UV-Licht zeigt Liebigit eine blaugrüne Fluoreszenz, die an synthetischem Material genauer untersucht wurde.[12]

Bildung und Fundorte

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Liebigit aus dem Bjertnes Pegmatit am Binnensee Krøderen in Norwegen (Sichtfeld 6 × 4 cm)

Liebigit bildet sich als Sekundärmineral gewöhnlich durch Verwitterung von Uraninit in Anwesenheit von alkalischen Carbonatlösungen. Begleitminerale sind neben dem Uraninit weitere Uranminerale wie unter anderem Autunit, Bayleyit, Carnotit, Schröckingerit, Tyuyamunit, Uranophan, Uranophan-beta, aber auch Gips und Calcit.

Als seltene Mineralbildung konnte Liebigit nur an wenigen Orten weltweit nachgewiesen werden, wobei bisher rund 90 Fundorte dokumentiert sind (Stand: 2019).[13] Seine Typlokalität Edirne (Adrianopel) ist dabei der bisher einzige Fundort in der Türkei.

In Deutschland trat Liebigit unter anderem im Kirchheimer Stollen des Uranbergbaus Müllenbach bei Baden-Baden in Baden-Württemberg; am Steinbruch Fuchs an der Hartkoppe bei Sailauf (Hösbach), im Quarz-Steinbruch bei Altrandsberg in der Gemeinde Miltach und in den Schächten Höhenstein und Wäldel der Uranlagerstätte Mähring in Bayern; bei Eisleben in Sachsen-Anhalt; an mehreren Orten bei Schneeberg und Johanngeorgenstadt in Sachsen sowie bei Beerwalde/Löbichau und Schmirchau nahe der Uranlagerstätte Ronneburg in Thüringen auf.

In Österreich konnte das Mineral unter anderem im Aushubmaterial des Speichers Kölnbrein der Maltakraftwerke in Kärnten sowie des Tauerntunnels im Anlauftal, des Kurcasinos bei Bad Gastein und des Stollens Bockhart bei Siglitz im Gasteinertal in Salzburg gefunden werden.

Weitere Fundorte liegen unter anderem in Australien, China, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Demokratische Republik Kongo, Norwegen, Schweden, Tschechien, Türkei, Ungarn, im Vereinigten Königreich (Großbritannien) und in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).[14]

Vorsichtsmaßnahmen

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Aufgrund der Toxizität und der starken Radioaktivität des Minerals sollten Mineralproben vom Liebigit nur in staub- und strahlungsdichten Behältern, vor allem aber niemals in Wohn-, Schlaf- und Arbeitsräumen aufbewahrt werden. Ebenso sollte eine Aufnahme in den Körper (Inkorporation, Ingestion) auf jeden Fall verhindert und zur Sicherheit direkter Körperkontakt vermieden sowie beim Umgang mit dem Mineral Atemschutzmaske und Handschuhe getragen werden.

Siehe auch

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Literatur

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  • Howard T. Evens, Jn., Clifford Frondel: Studies of Uranium Minerals (II) – Liebigite and Uranothallite. In: American Mineralogist. Archivband 35, März–April, 1950 (minsocam.org [PDF; 245 kB; abgerufen am 26. April 2019]).
  • Heinz Meixner, Kurt Walenta: Liebigit, ein für Österreich neues Urankarbonatmineral von der Kölnbreinsperre, Maltaltal, Kärnten. In: Der Karinthin. Folge 81. Knappenberg 1979, S. 151–153.
  • K. Mereiter: The crystal structure of Liebigite, Ca2UO2(CO3)3·∼11H2O. In: Tschermaks mineralogische und petrographische Mitteilungen. Band 30, 1982, Kap. 4, S. 277–288, doi:10.1007/BF01087173.
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Commons: Liebigite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  2. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2024. (PDF; 3,6 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2024, abgerufen am 13. August 2024 (englisch).
  3. a b c d e f Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 321 (englisch).
  4. a b David Barthelmy: Liebigite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 26. April 2019 (englisch).
  5. a b Die ehemalige Bezeichnung dieser Raumgruppe lautete Bba2.
  6. a b c d e f Liebigite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 68 kB; abgerufen am 26. April 2019]).
  7. a b c d e f Liebigite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 26. April 2019 (englisch).
  8. William H. Brock: Justus Von Liebig: The Chemical Gatekeeper. Cambridge University Press, Cambridge 1997, ISBN 0-521-56224-4, S. 349 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 26. April 2019]).
  9. J. Laurence Smith: Zwei neue Mineralien – Medjidit (schwefelsaures Uranoxyd-Kalk) – Liebigit (kohlensaures Uranoxyd-Kalk). In: Justus Liebig’s Annalen der Chemie. Band 66, Heft 2, 1848, S. 253–256 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 26. April 2019]).
  10. J. Lawrence Smith: Two new minerals, – medjidite (sulphate of uranium and lime) – liebigite (carbonate of uranium and lime). In: The American Journal of Science and Arts. Band 5, Mai 1848, S. 336–338 (englisch, rruff.info [PDF; 221 kB; abgerufen am 26. April 2019]).
  11. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  12. Renaud Vochten, Laurent van Haverbeke, Karel van Springel: Synthesis of liebigite and andersonite, and study of their thermal behavior and luminescence. In: The Canadian Mineralogist. Band 31, 1993, S. 167–171 (englisch, rruff.info [PDF; 648 kB; abgerufen am 26. April 2019]).
  13. Localities for Liebigite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 26. April 2019 (englisch).
  14. Fundortliste für Liebigit beim Mineralienatlas und bei Mindat