Die Lima-Liturgie ist ein Formular für den Ablauf einer ökumenischen Eucharistiefeier, das eine mögliche Konkretisierung der Konvergenzerklärung „Taufe, Eucharistie und Amt“ der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rats der Kirchen darstellt.

Entstehung

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Bei ökumenischen Konferenzen war es im 20. Jahrhundert zunächst üblich, dass die Teilnehmer nach Konfessionen getrennt eigene Gottesdienste feierten, und diese Trennung wurde als Gegensatz zu den in Gesprächen erzielten Annäherungen wahrgenommen. Die Lima-Liturgie bietet hierzu eine Alternative. Während der Konvergenztext in umfangreichen Beratungen erarbeitet wurde, ist die Lima-Liturgie das Werk eines Einzelnen. Max Thurian wurde hiermit beauftragt.[1]

Da die Lima-Liturgie weitgehend, allerdings nicht konsequent der Struktur der Messe folgt (also eine besondere Ausformung einer westkirchlichen Liturgie darstellt), wirkt sie für Katholiken, Anglikaner und Lutheraner vertraut, unvertraut allerdings für Reformierte und Mitglieder von Freikirchen. Der altorientalische und orthodoxe Anteil dieser ökumenischen Liturgie kommt mehr durch einzelne Texte, weniger durch den Ablauf zur Geltung.[2]

Am 15. Januar 1982 wurde in Lima erstmals ein Gottesdienst nach der Lima-Liturgie gefeiert; der Hauptzelebrant war Robert Wright (Episcopal Church in the USA). Im Juli 1982 fand ein Lima-Gottesdienst in der Kapelle des Ökumenischen Instituts Bossey statt, anlässlich des Treffens des ÖRK-Zentralkomitees; diese Feier leitete der ÖRK-Generalsekretär Philip Potter. Der vom damaligen Erzbischof von Canterbury, Robert Runcie, geleitete Abschlussgottesdienst der 6. ÖRK-Vollversammlung 1983 in Vancouver nach der Lima-Liturgie fand weltweit große Beachtung.[3]

An den Gottesdiensten in Lima und in Vancouver nahmen die Repräsentanten der altorientalischen und orthodoxen Mitgliedskirchen sowie der römisch-katholischen Kirche teil, ohne aber die Kommunion zu empfangen, da sie die Bedingungen hierfür als nicht erfüllt ansahen.[4][5]

(Die Ordnungsziffern entsprechen der offiziellen deutschen Fassung; das entfaltete Eucharistiegebet ist kursiv.)

Nr. Teil Bemerkungen
1 Gesang zum Eingang
2 Begrüßung (Votum)
3 Sündenbekenntnis
4 Absolution
5 Kyrie-Litanei
6 Gloria
7 Kollektengebet
8 Schriftlesung aus dem Alten Testament, der Apostelgeschichte oder der Johannesoffenbarung
9 Zwischengesang
10 Epistellesung
11 Halleluja
12 Evangelienlesung
13 Predigt
14 Stille
15 Glaubensbekenntnis Nicäno-Konstantinopolitanum ohne Filioque
16 Fürbittengebet
17 Lied, Gabensammlung und Gebet Gabenprozession
18 Dialog Dominus vobiscum – Sursum corda
19 Präfation
20 Sanctus
21 Epiklese I und Akklamation Herabrufung des Heiligen Geistes auf Brot und Wein
22 Einsetzungsworte und Akklamation
23 Anamnese und Akklamation
24 Epiklese II und Akklamation Herabrufung des Heiligen Geistes auf die Gemeinde
25 Gedenkbitten und eschatologischer Ausblick
26 Abschluss
27 Vaterunser
28 Friedensgebet und Friedensgruß
29 Votum zum Brotbrechen
30 Agnus Dei
31 Austeilung
32 Dankgebet
33 Schlusslied
34 Sendungswort
35 Segen

Besonderheiten

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Charakteristisch für die Lima-Liturgie sind folgende Elemente:[6]

  • Stellung der Begrüßung (2) und des Glaubensbekenntnisses (15);
  • Zusätzliche liturgische Elemente: Dritte Schriftlesung mit Zwischengesang (8 und 9), Stille nach der Predigt (14), Gabengebet (17), Brotbrechen (29), Sendungswort (34).
  • Neue Zeichenhandlungen: Gabenprozession (17), mit einem Zeichen des Friedens verbundener Friedensgruß (28), Brotbrechen (29).
  • In sich gegliedertes, von Antwortrufen der Gemeinde unterbrochenes Eucharistiegebet (18–26, hier kursiv).

Gegenüber einer Agende bzw. einem Messbuch fällt auf: Die Lima-Liturgie lässt weitgehend offen, welche Texte vom Hauptzelebranten und welche von anderen Geistlichen zu sprechen sind. Sie verzichtet völlig auf Rubriken, also Angaben zu Gesten und Handlungen.[7]

Rezeption

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Evangelisch (EKD)

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Obwohl die Lima-Liturgie kein Teil der Konvergenzerklärung von Lima ist und daher auch nicht offiziell angenommen wurde, war die Rezeption dieses Gottesdienstablaufs im evangelischen Raum vielfältig. Es zeigte sich, dass in den Gemeinden, die Gottesdienste nach der Lima-Liturgie feierten, häufig Texte des Propriums neu ausgewählt wurden (7, 8, 10, 12, 16, 19, 32). Die Kyrie-Litanei (5) und andere Gebetstexte wurden gern im Wortlaut von Lima übernommen, offenbar als Rückverweis auf das „ökumenische Ereignis“ von Lima.[6]

Besonders im lutherischen Raum folgte seit 1983 eine „Prüfung“ der Lima-Liturgie mit teils harscher Kritik (Hans Martin Müller, Reinhard Slenczka, Ernst Volk).[8] Das große Eucharistiegebet von Lima, in das die Einsetzungsworte eingebettet sind, war in Kirchen der Reformation ungewohnt, indes durch liturgische Forschung und liturgische Innovation in ökumenischem Geist in vielen Gemeinde bereits vorbereitet. Auch exegetische Gründe sprechen nach Meinung von Frieder Schulz dafür, die Unterscheidung von Worten Jesu und Worten der Gemeinde, die im 16. Jahrhundert absolut gesetzt wurde, weniger zu betonen und insofern über Martin Luther hinauszugehen. Andere Kritiker vermissten spezifisch evangelische Abendmahlstheologie (das „für euch gegeben“), die in der Lima-Liturgie von einer universalen heilsgeschichtlichen Perspektive überlagert werde. Statt des sich im Abendmahl schenkenden Christus werde außerdem der Gottesdienst als ein Tun der Kirche relativ stark betont.[9] Schwierig ist die Opfertheologie[10] und Formulierungen der Fürbitten (Bitte für die Verstorbenen, Bedeutung Mariens und der Heiligen).

Während die Lima-Liturgie als Ganzes in evangelischen Gemeinden eher fremdartig blieb, adaptierten einzelne Landeskirchen liturgische Elemente daraus in ihre eigene liturgische Tradition. In der Württembergischen Landeskirche beispielsweise wurde Gabenbereitung (17), Friedensgruß (28) und Eucharistiegebet von Lima 1984 empfohlen. Die Nordelbische Kirche regte 1985 eine Erneuerung des sonntäglichen Hauptgottesdienstes auf Grundlage der Lima-Liturgie an.[11]

Die Erarbeitung der Lima-Liturgie in den Landeskirchen spiegelt sich auch im Evangelischen Gottesdienstbuch. Es enthält das Eucharistiegebet von Lima, sprachlich überarbeitet, aber mit den kennzeichnenden zwei Epiklesen und Maranatha-Rufen der Gemeinde.[12]

Römisch-Katholisch

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Bereits bei der Abfassung der Lima-Liturgie gab es nach Angaben von Max Thurian eine Vereinbarung mit Rom, dieses Formular nicht zur römisch-katholischen Feier der Eucharistie zu verwenden. Dieses Verbot wurde mehrfach bekräftigt.[13]

Aus katholischer Sicht ist merkwürdig, dass es im Eingangsteil der Lima-Liturgie eine Absolution (4) gibt; hier folgt die Lima-Liturgie nach Angaben von Thurian der reformierten Gottesdiensttradition. Für eine sakramentale Absolution im katholischen Verständnis sind die Bedingungen aber nicht erfüllt.[14] Trotz einiger Eigenwilligkeiten Thurians ist die Lima-Liturgie für Angelus Häußling und Reiner Kaczynski „ein akzeptables Meßformular.“[15] Umso weniger kann Rom die Lima-Liturgie zulassen, denn dadurch entstünde nach Häußling wegen der ungelösten Amtsfrage „die fatale, wirklich entlarvende Situation, daß mit den gleichen Worten in verschiedenen Kirchen Eucharistiefeiern gehalten würden, von denen, im Verständnis der katholischen Kirche, die einen gültig wären und die anderen nicht …“[16]

Altkatholisch

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Das Eucharistiegebet von Lima liegt dem Eucharistiegebet VII in dem 1995 herausgegebenen altkatholischen Eucharistiebuch zugrunde. Nach Oliver Schuegraf ist dies die getreueste Übernahme des Lima-Textes in eine deutschsprachige Gottesdienstordnung.[17]

  • Frieder Schulz (Hrsg.): Die Lima-Liturgie: die ökumenische Gottesdienstordnung zu den Lima-Texten; ein Beitrag zum Verständnis und zur Urteilsbildung. Stauda, Kassel 1983. ISBN 3-7982-0178-1.

Literatur

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  • Angelus Häußling: Eine ‹missa oecumenica›? Eine katholische Lektüre der Lima-Liturgie. In: Berliner Theologische Zeitschrift 2 (1985), S. 170–180.
  • Heinrich Holze: Unreformatorischer Gottesdienst? Die Abendmahlsfeier der Lima-Liturgie aus der Sicht frühreformatorischer Gottesdienstordnungen. In: Zeitschrift für Theologie und Kirche 88/3 (1991), S. 287–312.
  • Reiner Kaczynski: Fragen und Überlegungen zur Lima-Liturgie aus katholischer Sicht. In: Heinrich Riehm (Hg.): Freude am Gottesdienst. Festschrift für Frieder Schulz. Eigenverlag, Heidelberg 1988, S. 58–69.
  • Frieder Schulz: Die Rezeption der Lima-Liturgie. In: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 31 (1987/88), S. 1–37.
  • Frieder Schulz: Die Rezeption der Lima-Liturgie (Ergänzungen). In: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 32 (1989), S. 143.
  • Hans-Christoph Schmidt-Lauber: Die Bedeutung der ‹Lima-Liturgie› für die ökumenische Bewegung. In: Liturgisches Jahrbuch 35 (1985), S. 131–147.
  • Geoffrey Wainwright: Ecumenical Convergences. In: Geoffrey Wainwright, Karen Westerfield Tucker (Hrsg.): The Oxford History of Christian Worship. Oxford University Press, Oxford / New York 2006. S. 721–754.
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Einzelnachweise

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  1. Reiner Kaczynski, Fragen und Überlegungen zur Lima-Liturgie aus katholischer Sicht. In: Heinrich Riehm (Hg.): Freude am Gottesdienst. Festschrift für Frieder Schulz. Eigenverlag, Heidelberg 1988, S. 58–69, hier: 65.
  2. Frieder Schulz: Die Rezeption der Lima-Liturgie, 1987/88, S. 12, bes. Anm. 40.
  3. Geoffrey Wainwright: Ecumenical Convergences, Oxford / New York 2006, S. 746.
  4. Frieder Schulz: Die Rezeption der Lima-Liturgie, 1987/88, S. 1.
  5. Heinrich Holze: Unreformatorischer Gottesdienst? Die Abendmahlsfeier der Lima-Liturgie aus der Sicht frühreformatorischer Gottesdienstordnungen, 1991, S. 290.
  6. a b Frieder Schulz: Die Rezeption der Lima-Liturgie, 1987/88, S. 13.
  7. Reiner Kaczynski: Fragen und Überlegungen zur Lima-Liturgie aus katholischer Sicht. In: Heinrich Riehm (Hg.): Freude am Gottesdienst. Festschrift für Frieder Schulz. Eigenverlag, Heidelberg 1988, S. 58–69, hier: 60 f.
  8. Heinrich Holze: Unreformatorischer Gottesdienst? Die Abendmahlsfeier der Lima-Liturgie aus der Sicht frühreformatorischer Gottesdienstordnungen, 1991, S. 290. Vgl. Hans Martin Müller: Anfragen zu Kirchengemeinschaft, Abendmahl und Amt. In: Theologische Beiträge 17 (1986), S. 40–43 (Digitalisat); Reinhard Slenczka: Die Konvergenzerklärungen zu Taufe, Eucharistie, Amt und ihre Konsequenzen für Lehre und Gottesdienst. In: Kerygma und Dogma 31 (1985), S. 9f.; Ernst Volk: Mahl des Herrn oder Mahl der Kirche? Theologische Anmerkungen zu einem ökumenischen Dokument. In: Kerygma und Dogma 31 (1985), S. 33–64.
  9. Frieder Schulz: Die Rezeption der Lima-Liturgie, 1987/88, S. 17f.
  10. Hier notiert Heinrich Holze eine Spannung zwischen den Formulierungen des Lima-Textes und dem Umstand, dass Max Thurian sich eigenen Angaben zufolge dabei an Luthers Sermon von der Messe orientierte. Vgl. Heinrich Holze: Unreformatorischer Gottesdienst? Die Abendmahlsfeier der Lima-Liturgie aus der Sicht frühreformatorischer Gottesdienstordnungen, 1991, S. 309.
  11. Frieder Schulz: Die Rezeption der Lima-Liturgie, 1987/88, S. 26f. Auch Frieder Schulz meint, dass es nicht sinnvoll sei, die Lima-Liturgie „sozusagen als liturgisches Drehbuch unverändert zu wiederholen.“ (ebd., S. 28)
  12. Michael Meyer-Blanck: Gottesdienstlehre. Mohr Siebeck, Tübingen 2011, S. 509. Vgl. Evangelisches Gottesdienstbuch, S. 656–658 („Abendmahlsgebet“).
  13. Reiner Kaczynski: Fragen und Überlegungen zur Lima-Liturgie aus katholischer Sicht. In: Heinrich Riehm (Hg.): Freude am Gottesdienst. Festschrift für Frieder Schulz. Eigenverlag, Heidelberg 1988, S. 58–69, hier: 58 f.
  14. Reiner Kaczynski: Fragen und Überlegungen zur Lima-Liturgie aus katholischer Sicht. In: Heinrich Riehm (Hg.): Freude am Gottesdienst. Festschrift für Frieder Schulz. Eigenverlag, Heidelberg 1988, S. 58–69, hier: 62.
  15. Reiner Kaczynski: Fragen und Überlegungen zur Lima-Liturgie aus katholischer Sicht. In: Heinrich Riehm (Hg.): Freude am Gottesdienst. Festschrift für Frieder Schulz. Eigenverlag, Heidelberg 1988, S. 58–69, hier: 64.
  16. Hier zitiert nach: Reiner Kaczynski: Fragen und Überlegungen zur Lima-Liturgie aus katholischer Sicht. In: Heinrich Riehm (Hg.): Freude am Gottesdienst. Festschrift für Frieder Schulz. Eigenverlag, Heidelberg 1988, S. 58–69, hier: 67.
  17. Hier zitiert nach: Angela Berlis: Die Sprache des Gebets im alt-katholischen Eucharistiebuch. In: Benedikt Kranemann, Birgit Jeggle-Merz (Hrsg.): Liturgie und Konfession: Grundfragen der Liturgiewissenschaft im interkonfessionellen Gespräch. Herder, Freiburg / Basel / Wien2013, S. 125–139, hier S. 129 und Anm. 15.