Liv Ullmann
Liv Johanne Ullmann (* 16. Dezember 1938 in Tokio, Japan) ist eine international bekannte norwegische Schauspielerin und Regisseurin. Ihre bekanntesten Filmauftritte hatte sie in Filmdramen von Ingmar Bergman, etwa in Persona, Szenen einer Ehe, Schreie und Flüstern und Von Angesicht zu Angesicht, sowie in Jan Troells Emigranten und Das neue Land. Sie spielte überwiegend in Norwegen, Schweden und zeitweilig in den USA; ihre Arbeitssprachen sind Norwegisch, Schwedisch und Englisch.
Leben
BearbeitenLiv Ullmann wurde in Tokio geboren. Ihr Vater, Ernst Viggo Ullmann, arbeitete als Luftfahrtingenieur für eine amerikanische Firma, ihre Mutter Janna Erbe Lund war Buchhändlerin.[1] 1941 zog die Familie nach Kanada.[2] Kurz vor Kriegsende (1945) starb der Vater an den Folgen eines zwei Jahre zurückliegenden Arbeitsunfalls mit einem Flugzeugpropeller.[1] Nach Kriegsende kehrte Ullmann mit ihrer Mutter und Schwester nach Norwegen zurück, wo sie sich in Trondheim niederließen. Liv Ullmann durchlief eine Schauspielausbildung, unter anderem in London, und bewarb sich mehrmals vergebens an der Schauspielschule des Nationaltheaters in Oslo. 1960 wurde sie schließlich als Ensemblemitglied des Nationaltheaters angenommen.[3]
Ullmann war bereits eine bekannte Theaterschauspielerin in ihrer Heimat, als sie Mitte der 1960er Jahre den schwedischen Regisseur Ingmar Bergman kennenlernte. Unter seiner Regie und an der Seite von Bibi Andersson spielte sie in Persona (1966) eine verstummte Bühnenschauspielerin. Die folgenden Filme, einige an der Seite von Max von Sydow, machten sie international bekannt. Auch privat wurden Ullmann und Bergman ein Paar. 1966 gebar sie eine Tochter, die spätere Schriftstellerin Linn Ullmann. Nach fünf Jahren trennten sie sich, arbeiteten aber weiterhin zusammen. In Kalter Schweiß (1970) trat sie erstmals in einem nicht-skandinavischen Film auf. Für ihre Rolle in dem schwedischen Auswanderer-Epos Emigranten (1971) wurde sie für den Oscar nominiert; danach spielte sie auch in der Fortsetzung, Das neue Land (1972). Über ihre Persönlichkeit und ihre Wirkung als Darstellerin meinte sie 1974: „Ich glaube, die Leute können sich mit mir identifizieren. In gewisser Weise bin ich gewöhnlich. Sie verwechseln mich nicht mit einem Hollywoodstar. Das ist vielleicht meine Stärke.“[4]
Neben weiteren Rollen in Filmen von Bergman, darunter die erfolgreiche Fernsehserie Szenen einer Ehe (1973), wirkte sie in zahlreichen internationalen Film- und Theaterproduktionen mit, bezeichnete jedoch ihre Hollywoodkarriere als gescheitert. Insbesondere die Zusammenarbeit mit ihrem schwedischen Kollegen Erland Josephson bezeichnete sie als symbiotisch; er sei ihr ein guter Freund geworden, und sie empfänden auch in intimen Szenen voreinander keinerlei Scheu, sodass sie ihre gemeinsamen Auftritte besonders intensiv miteinander entwickeln konnten.[5]
1975 spielte sie mit ihrer Darstellung der Nora aus Henrik Ibsens Nora oder Ein Puppenheim erstmals an einem Theater in den USA. Für ihre Schauspielarbeit in Eugene O’Neills Stück Anna Christie erhielt sie 1979 den Outer Critics Circle Award.[3] Außerdem engagierte sie sich für UNICEF und andere karitative Organisationen, wofür sie unter anderem 1984 mit dem Four Freedoms Award ausgezeichnet wurde.
1992 gab Ullmann ihr Debüt als Spielfilmregisseurin mit dem Drama Sofie, das mehrere Auszeichnungen erhielt. Mit Die Treulosen konnte sie im Jahr 2000 an diesen Erfolg anknüpfen. Der Film nach einem Drehbuch von Bergman lief im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele von Cannes. Ihre Regiearbeiten vereinten sie wieder mit den Bergman-Darstellern von Sydow und Erland Josephson sowie Bergmans Kameramann Sven Nykvist. Nach 25 Jahren trat sie mit Sarabande (2003) auch wieder in einem Bergman-Film auf, der der letzte des Regisseurs sein sollte und eine Fortsetzung von Szenen einer Ehe darstellte.
1998 wurde sie „in Anerkennung und in Würdigung ihrer herausragenden Verdienste um die Förderung der Nordischen Filmtage Lübeck als kultureller Brückenschlag im Ostseeraum“ mit der Ehrenprofessur des Landes Schleswig-Holstein ausgezeichnet.[6] Im Dezember 2004 erhielt sie den Europäischen Filmpreis für ihren „herausragenden Beitrag zum Weltkino“. Im Jahr 2022 wurde Ullmann für ihre Arbeit als Schauspielerin der Ehrenoscar für ihr Lebenswerk verliehen.[7]
Liv Ullmann war zweimal verheiratet, zunächst mit dem Psychiater Hans Jacob Stang (1960–1965) und später mit dem Makler Donald Saunders (1985–1995). Im Jahr 2002 diagnostizierten die Ärzte bei ihr einen Hirnschlag und eine lebensbedrohliche Öffnung einer Herzkammer. Nach einer Operation ist sie vollständig genesen. Ihre Memoiren erschienen 1976 unter dem Titel Wandlungen. Eine weitere Autobiografie erschien 1985 unter dem Titel Gezeiten. Der Pianist und Autor Ketil Bjørnstad fasste 2005 Gespräche mit ihr zusammen, die unter dem Titel Livslinjer (dt. Lebenswege) erschienen sind.
Filmografie (Auswahl)
BearbeitenDarstellerin
- 1959: Die jungen Sünder (Ung Flukt) – Regie: Edith Carlmar[8]
- 1962: Aller Nächte Sehnsucht (Kort är sommaren) – Regie: Bjarne Henning-Jensen
- 1966: Persona – Regie: Ingmar Bergman
- 1968: Die Stunde des Wolfs (Vargtimmen) – Regie: Ingmar Bergman
- 1968: Schande – Regie: Ingmar Bergman
- 1969: Passion (En passion) – Regie: Ingmar Bergman
- 1970: Kalter Schweiß (De la part des copains)
- 1971: Emigranten (Utvandrarna) – Regie: Jan Troell
- 1971: Der unheimliche Besucher (The Night Visitor) – Regie: László Benedek
- 1972: Das neue Land (Nybyggarna) – Regie: Jan Troell
- 1972: Schreie und Flüstern (Viskningar och rop) – Regie: Ingmar Bergman
- 1972: Papst Johanna (Pope Joan)
- 1973: Szenen einer Ehe (Scener ur ett äktenskap) – Regie: Ingmar Bergman
- 1973: Der verlorene Horizont (Lost Horizon)
- 1973: Vierzig Karat (40 Carats)
- 1974: Zandys Braut (Zandy’s Bride) – Regie: Jan Troell
- 1976: Von Angesicht zu Angesicht (Ansikte mot ansikte) – Regie: Ingmar Bergman
- 1977: Das Schlangenei – Regie: Ingmar Bergman
- 1977: Die Brücke von Arnheim (A Bridge Too Far)
- 1978: Herbstsonate – Regie: Ingmar Bergman
- 1980: Richards Erbe (Richard’s Things)
- 1983: Die Wildente (The Wild Duck)
- 1984: Gefährliche Züge (La Diagonale du fou)
- 1986: Hoffen wir, daß es ein Mädchen wird (Speriamo che sia femmina)
- 1987: Farewell Moskau – Regie: Mauro Bolognini
- 1987: Gaby – Eine wahre Geschichte (Gaby: A True Story)
- 1988: La Amiga – Die Freundin (La amiga) – Regie: Jeanine Meerapfel
- 1989: Der Rosengarten (The Rose Garden)
- 1990: Wendezeit[9] (Mindwalk) - Regie: Bernt Amadeus Capra
- 1991: Der Ochse (Oxen) – Regie: Sven Nykvist
- 1994: Zorn
- 2003: Sarabande (Saraband) – Regie: Ingmar Bergman
- 2012: Zwei Leben – Regie: Georg Maas
- 2022: Mehr denn je (Plus que jamais) – Regie: Emily Atef
Erzählerin
- 1983: Children in the Holocaust.[10]
- 2006: The Danish Poet – Eine Liebesgeschichte (The Danish Poet)
Regisseurin
- 1982: Love (Episode „Parting“)
- 1992: Sofie
- 1995: Kristin Lavrans Tochter (Kristin Lavransdatter)
- 1995: Lumière et Compagnie (Episode „Liv Ullmann“)
- 1996: Enskilda samtal (Fernsehfilm)
- 2000: Die Treulosen (Trolösa)
- 2014: Fräulein Julie (Miss Julie)
Auszeichnungen (Auswahl)
Bearbeiten- 1973: nominiert als beste Hauptdarstellerin für Emigranten
- 1977: nominiert als beste Hauptdarstellerin für Von Angesicht zu Angesicht
- 2022: Ehrenoscar für ihr Lebenswerk als Schauspielerin[7]
- 1976: nominiert als beste Hauptdarstellerin für Szenen einer Ehe
- 1977: nominiert als beste Hauptdarstellerin für Von Angesicht zu Angesicht
- 1974: Spezialpreis für Schreie und Flüstern (zusammen mit Harriet Andersson, Kari Sylwan und Ingrid Thulin)
- 1975: Beste ausländische Schauspielerin für Szenen einer Ehe
- 1979: Beste ausländische Schauspielerin für Herbstsonate (zusammen mit Ingrid Bergman)
- 1986: nominiert als beste Schauspielerin für Hoffen wir, daß es ein Mädchen wird
- 1987: Beste Schauspielerin für Farewell Moskau
- 1973: Beste Hauptdarstellerin – Drama für Emigranten
- 1974: nominiert als beste Hauptdarstellerin – Komödie oder Musical für Vierzig Karat
- 1975: nominiert als beste Hauptdarstellerin – Drama für Szenen einer Ehe
- 1977: nominiert als beste Hauptdarstellerin – Drama für Von Angesicht zu Angesicht
- 1990: nominiert als beste Hauptdarstellerin – Drama für Der Rosengarten
- 1969: Beste Hauptdarstellerin für Die Stunde des Wolfs; Schande
- 1973: Beste Hauptdarstellerin für Das neue Land
- 1976: Beste Hauptdarstellerin für Von Angesicht zu Angesicht
National Society of Film Critics
- 1969: Beste Hauptdarstellerin für Schande
- 1974: Beste Hauptdarstellerin für Das neue Land
- 1975: Beste Hauptdarstellerin für Szenen einer Ehe
- 1977: nominiert als beste Hauptdarstellerin für Von Angesicht zu Angesicht – Platz 3
New York Film Critics Circle Award
- 1970: nominiert als beste Hauptdarstellerin für Passion – Platz 3
- 1973: Beste Hauptdarstellerin für Schreie und Flüstern; Emigranten
- 1974: Beste Hauptdarstellerin für Szenen einer Ehe
- 1977: Beste Hauptdarstellerin für Von Angesicht zu Angesicht
- 1992: Beliebtester Film für Sofie
- 1992: Preis der Ökumenischen Jury für Sofie
- 1992: Großer Preis der Jury für Sofie
- 1995: Grand Prix Special des Amériques „für ihren außerordentlichen Beitrag zur Filmkunst“
Weitere Auszeichnungen
- 1969: Guldbagge als Beste Hauptdarstellerin: Schande
- 1976: Bambi in der Kategorie „Schauspielerin International“
- 1976: Los Angeles Film Critics Association Award als Beste Hauptdarstellerin: Von Angesicht zu Angesicht
- 1980: Pasinetti-Preis als Beste Schauspielerin bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig: Richards Erbe
- 1988: Beste Schauspielerin bei den Internationalen Filmfestspielen von San Sebastián: La amiga
- 1992: Kinderfilmpreis der Nordischen Filminstitute bei den Nordischen Filmtagen Lübeck: Sofie
- 1997: Norsk kulturråds ærespris
- 1997: Premi Flaiano de Cinematografia für ihr Lebenswerk
- 1997: FIPRESCI-Preis der Internationalen Filmfestspiele von Valladoid: Enskilda samtal
- 1998: Ehrenprofessorin des Landes Schleswig-Holstein
- 2000: Baltischer Filmpreis für einen Nordischen Spielfilm bei den Nordischen Filmtagen Lübeck: Die Treulosen
- 2000: Ökumenischer Filmpreis des Internationalen Filmfestivals Norwegen: Die Treulosen
- 2000: Sonderpreis der Internationalen Filmfestspiele von Vlaanderen-Ghent: Die Treulosen
- 2002: DIVA Award
- 2003: Ehrenpreis der Internationalen Filmfestival Kopenhagen für ihr Lebenswerk
- 2004: Europäischer Filmpreis „für ihre herausragende europäische Leistung im internationalen Kino“
- 2005: Spezialpreis des Internationalen Filmfestivals Karlovy Vary „für ihren herausragenden Beitrag zum internationalen Kino“
- 2007: Donostia Lifetime Achievement Award der Internationalen Filmfestspiele von San Sebastián
- 2014: Benennung eines Asteroids: (96327) Ullmann
Literatur
Bearbeiten- Liv Ullmann: Wandlungen (Forandringe, 1976). Knaur, München 1996, ISBN 3-426-00568-9 (EA 1976).
- Liv Ullmann: Gezeiten (Choices, 1984). Knaur, München 1999, ISBN 3-426-61618-1 (EA 1985).
- Liv Ullmann: Briefe an mein Enkelkind (Letters to my Grandchild, 1997). 2. Aufl., dtv, München 1999, ISBN 3-423-25150-6.
- Edvard Hambro: Liv Ullmann. Szenen eines Lebens. Dtv, München 2001, ISBN 3-423-24268-X.
- Liv Ullmann, Ketil Bjørnstad: Lebenswege (OT: Livslinjer, 2005). Btb, München 2006, ISBN 3-442-75175-6.
- Robert Emmet Long (Hrsg.): Liv Ullmann: Interviews. University of Mississippi Press 2006, ISBN 978-1-57806-824-1.
- Linn Ullmann: Die Unruhigen. Luchterhand, München 2018, ISBN 978-3-630-87421-0.
Dokumentarfilme
Bearbeiten- Liv & Ingmar. Dokumentarfilm, Norwegen, 2012, 119 Min., Buch: Dheeraj Akolkar und Ragnhild Lund, Regie: Dheeraj Akolkar, Produktion: NordicStories, Svensk Filmindustri (SF), Sveriges Television (SVT), Liv & Ingmar bei IMDb. Freunde, Kollegen und Liv Ullmann erzählen über die 42 Jahre andauernde Beziehung zwischen Bergman und Ullmann.
- Liv Ullmann – Eine Nahaufnahme. Dokumentarfilm, Deutschland, 2013, 52:40 Min., Buch und Regie: Georg Maas, Produktion: Schnittstelle, Zinnober Film, WDR, arte, Erstsendung: 3. Dezember 2013 auf arte, Inhaltsangabe von arte, ( vom 25. März 2013 im Internet Archive).
Weblinks
Bearbeiten- Liv Ullmann bei IMDb
- Literatur von und über Liv Ullmann im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Liv Ullmann in der Deutschen Synchronkartei
Artikel
- Eine gefährliche Muse. In: Neue Zürcher Zeitung, 16. Dezember 2008
- Schreie und Flüstern. In: FAZ, 16. Dezember 2008
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b Svend Erik Løken Larsen: Liv Ullmann. Store norske leksikon, 13. Februar 2009, abgerufen am 6. Dezember 2020.
- ↑ Ralph Geisenhanslüke: Liv Ullmann: „An meinen Vater habe ich nur eine einzige Erinnerung“. In: Zeit-Magazin, Serie: Ich habe einen Traum, 28. Februar 2015, S. 71.
- ↑ a b Robert Emmet Long (Hrsg.): Liv Ullmann: Interviews. University of Mississippi Press, Jackson/MS 2006, ISBN 978-1-57806-824-1, S. xv–xvii.
- ↑ Robert Emmet Long (Hrsg.): Liv Ullmann: Interviews. University of Mississippi Press, Jackson/MS 2006, ISBN 978-1-57806-824-1, S. 79.
- ↑ Ingmar Bergman (Regie): Scenes from a marriage. Schweden 1973, digital bearbeitet, mit Interviews der Schauspieler ..., The Criterion Collection 2004.
- ↑ Ehrentitel „Professorin“ oder „Professor“. In: schleswig-holstein.de. Archiviert vom am 22. März 2015; abgerufen am 16. Oktober 2014.
- ↑ a b THE ACADEMY TO HONOR DANNY GLOVER, SAMUEL L. JACKSON, ELAINE MAY AND LIV ULLMANN WITH OSCARS® AT 2022 GOVERNORS AWARDS. 24. Juni 2021, abgerufen am 25. Juni 2021.
- ↑ https://www.berlinale.de/de/programm/berlinale_programm/datenblatt.html?film_id=201902217
- ↑ Wendezeit. Internet Movie Database, abgerufen am 12. November 2024 (englisch).
- ↑ http://www.middlebury.edu/newsletters/hillelhayom/fall2018/kent
Personendaten | |
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NAME | Ullmann, Liv |
ALTERNATIVNAMEN | Ullmann, Liv Johanne (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | norwegische Schauspielerin und Regisseurin |
GEBURTSDATUM | 16. Dezember 1938 |
GEBURTSORT | Tokio, Japan |