Lurainz Wietzel

Psalmenherausgeber

Lurainz Wietzel (* 1627 in Zuoz im Oberengadin; † 1670 vermutlich in Zuoz) war ein Schweizer Jurist und Übersetzer des Genfer Psalters und pietistischer Erbauungsliteratur ins Ladinische, in die Engadiner Schriftsprache der rätoromanischen Sprache.

Wietzel stammte aus einer bekannten und einflussreichen Familie in Zuoz. Er war ein Sohn des Landammanns, Politikers und Chronisten Giörin Wietzel (1595–1670),[1] ein Bruder hiess Fadrich Wietzel.[2] Er studierte Jura und wurde Doktor der Jurisprudenz. Über seinen beruflichen Werdegang und seine Laufbahn ist wenig bekannt. Seine Übersetzungen des Genferpsalms und eines pietistischen Erbauungsbuches ins Ladinische waren aber wegweisend und hatten Einfluss auf Glaube, Sprache und Kultur des Engadins. Er heiratete Mengia von Planta.

Übersetzung «Ils psalms da David» von 1661

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Ab 1600 begann sich in der reformierten Schweiz der Genfer Psalter durchzusetzen. Wietzel übersetzte 1661 alle 150 Psalmen von Ambrosius Lobwasser ins Puter, ins Oberengadiner Romanische; und zwar erstmals einstimmig mit Noten nach den Genfer Melodien. Es handelte sich dabei um eine sogenannte Enkelübersetzung des französischen Urtextes der Genfer Dichter Clément Marot und Théodore de Bèze. Wietzel wollte aber die bisherige Gesangspraxis des Engadins nicht einfach übergehen. Deshalb gab er seinem Psalter zwei Anhänge, den ersten mit 25 Psalmen Ils pü usitôs suainter la vêglia melodia & versiun tudaischia (in Deutsch: «den gebräuchlichsten nach der alten Melodie und deutschen Fassung») und den zweiten mit 65 Canzuns ecclesiasticas & spirituaelas, da cantaer sün las feistas & da tuot’ oters temps, in Baselgia & eir ourdvart aquella (auf Deutsch: «kirchlichen und geistlichen Gesängen, an den Festen und allen anderen Zeiten in der Kirche wie auch ausserhalb derselben zu singen»). Hierin sind viele bekannte Kirchenlieder des Reformators Ulrich Campell enthalten. Es war das erste rätoromanische Gesangbuch mit Noten, und es beeinflusste in der Folge den Engadiner Kirchengesang bis ins 19. Jahrhundert hinein.

1733 wurde es noch einmal neu aufgelegt[3], diesmal mit den 4- bis 5-stimmigen Sätzen von Claude Le Jeune. Es war eine verlegerische und typographische Leistung, dass Landammann Johann Batista Rascher von Zuoz diese Psalmsätze von le Jeune zu den 150 Genfer Psalmen mit dem ladinischen Text Wietzels in einem fast 800 Seiten starken Quartband neu herausgab. Das Werk wurde von Johan Nuot Janet in Strada gedruckt und ist zum bedeutendsten Musikdruck in rätoromanischer Sprache geworden. Es erfuhr insgesamt 16 Auflagen.

1776 erschien eine dritte Auflage mit den 4-stimmigen Sätzen von Claude Goudimel, die weniger schön ausfiel, aber über 1.000 Seiten umfasste. Vier Landammänner waren die Promotoren und die drei Drucker Jachen Nuot Gadina von Scuol, Johann Pfeffer und Bernard Otto von Chur waren am Druck beteiligt.[4][5][6]

Übersetzung «La Pratica da Pietaet» von 1668

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Lewis Baylys Practise of Piety war im puritanischen England und im pietistischen Deutschland eines der erfolgreichsten Erbauungsbücher. Der Inhalt dieses Werks behandelte den ganzen protestantischen Glauben. Der Lesende wurde mit den Eigenschaften Gottes bekannt gemacht, und er erhielt auch praktische Hinweise für das tägliche Leben. In deutscher Übersetzung – der Übersetzer ist nicht bekannt – erschien das Buch als Praxis Pietatis zuerst 1628 bei Ludwig König in Basel, möglicherweise nach einer 1625 in Genf erschienenen französischen Fassung. Neue Auflagen folgten in Zürich 1629, Basel 1629 und Bremen 1630. 1631 erschien die erste lutherische Ausgabe bei Johann und Heinrich Stern in Lüneburg. Die zweite Lüneburger Ausgabe erschien 1633, und im folgenden Jahr 1634 wurde die Praxis Pietatis in einer revidierten Version bei Caspar Dietzel in Strassburg nachgedruckt.

Wietzel besorgte 1668 die erste Übersetzung ins Ladinische; als Vorlage wird ihm die deutsche Strassburger Ausgabe von 1634 gedient haben. In einem lateinischen Epigramm begrüsste Johannes Justus Anderus V.D.M. den Dorta als Rev. D. Jacobum Dortam, V.D.M. acp. T. Scolij i. i. Patria Typographum. Daraus wird ersichtlich, dass Jachen Andri Dorta sich als Pfarrer und Typograph betätigt hatte. Auf dem Titelblatt des zweiten Teiles zeichnen als Drucker Andri e Florin Dorta, fraers 1668, das sind die Söhne des Jachen Andri Dorta des Jüngeren.

Die Übersetzung Wietzels diente 1670 Christian Gaudenz für seine Übersetzung ins Sursilvan, ins Oberländer Romanische.

1771 wurde das Werk in einer zweiten Auflage mit einer Einleitung von Valentin Nicolai bei Jachen Nott Gadina in Scuol gedruckt. Als Promotoren traten Nott Schucan, Padrut Bezola und Jachien Bezola auf.[7]

Eine letzte Schrift wurde nach seinem Tod 1696 mit dem Titel Praeparatium sün la S. Tschaina Que ais, Forma da provaer se suessa herausgegeben.

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Giörin Wietzel in lexicon istoric retic
  2. Fadrich Wietzel in lexicon istoric retic
  3. Lurainz Wietzel: Ils psalms da David - Digitalisat. In: Digitalisierungszentrum München. 1733, abgerufen am 18. Dezember 2024 (romanisch).
  4. Ils psalms da David suainter la melodia francêsa : ils pü usitôs suainter la vêglia melodia & versiun tudaischia … canzuns ecclesiaticas & spirituaelas da cantaer sün las feistas & oters têmps … / arr. da Claude Goudimel; schantaeda eir in tudaisch à 4 vuschs traes Johannem Iacobum et Bartholomeum Gonzenbach … ; eir alchüns da’ls medems psalms … suainter la melodia et vêglia versiun tudaisca da Martin Luther … ; vertieus & schantôs in vears romaunschs da cantaer traes Lurainz Wietzel in www.e-rara.ch
  5. http://worldcat.org/identities/lccn-nr2003016666/
  6. Hans-Peter Schreich-Stuppan: 500 Jahre evangelischer Kirchengesang in Graubünden. Proposition. Soglio 2015, Seite 9 (Memento des Originals vom 26. November 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gr-ref.ch als pdf auf www.gr-ref.ch
  7. Lurainz Wietzel: La Pratica da Pietat, 1668, Bayerische Staatsbibliothek digital
  8. Hans-Peter Schreich-Stuppan: 500 Jahre evangelischer Kirchengesang in Graubünden. Proposition. Soglio 2015 (Memento des Originals vom 26. November 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gr-ref.ch als pdf auf www.gr-ref.ch