Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom

Fehlbildung des weiblichen Genitals
(Weitergeleitet von MRKHS)
Klassifikation nach ICD-10
Q52.8 Sonstige näher bezeichnete angeborene Fehlbildungen der weiblichen Genitalorgane
Q51.8 Sonstige angeborene Fehlbildungen des Uterus und der Cervix uteri – Hypoplasie des Uterus und der Cervix uteri
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ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Das Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom (MRKHS), kurz zum Beispiel Mayer-von-Rokitansky-Küster-Syndrom,[1] Rokitansky-Küster-Syndrom,[2] Küster-Mayer-Syndrom, Rokitansky-Küster-Mayer-Syndrom,[3] Mayer-Rokitansky-Küster-Syndrom,[4] Küster-Syndrom,[5] Rokitansky-Küster-Komplex,[6] Rokitansky-Küster-Syndrom oder Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom genannt, ist eine angeborene Fehlbildung des weiblichen Genitals durch Hemmungsfehlbildung der Müller-Gänge im zweiten Embryonalmonat. Die Ätiologie ist unbekannt. Höchstwahrscheinlich liegt eine Chromosomenstörung vor, die vor allem eine Fehlbildung der Müllerschen Gänge hervorbringt.

Benannt wurde diese Erbkrankheit nach[7]

Pathophysiologie

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Die Ovarialfunktion (Östrogen- und Gestagensynthese) ist nicht gestört, was die normale Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale erlaubt. Das MRKH-Syndrom ist eine angeborene Fehlbildung, die nur Frauen betrifft. Die Prävalenz liegt bei 1:4500 Frauen.[14]

Normalerweise verbindet die Vagina (Scheide) als circa acht bis zwölf Zentimeter langes und zwei bis drei Zentimeter breites, schlauchförmiges Organ das äußere Genital mit der Gebärmutter.[15] Bei Frauen mit einem MRKHS befindet sich etwa an der Stelle, an der normalerweise die Gebärmutter und die Vagina liegen, nur ein Gewebestrang. Bei einigen ist eine etwa 0,5–3 cm große Grube am Eingangsbereich der Scheide vorhanden. Nach anderen Angaben sind von der Vaginalhypoplasie nur die oberen zwei Drittel betroffen.[16] Ohne chirurgische Korrektur oder Therapie ist kein penetrativer vaginaler Geschlechtsverkehr möglich. Einzelfälle eines regelmäßigen (mitunter unwissentlichen) Urethralverkehrs wurden beschrieben.

Einteilung

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Folgende Unterteilung des Syndromes ist gebräuchlich:

  • Isoliertes MRKHS (Typ I): Synonyme: Kongenitales Fehlen von Uterus und Vagina; MRKH-Syndrom Typ 1; Rokitansky-Sequenz.[17][18]
  • MRKHS mit weiteren Fehlbildungen (MRKHS Typ II oder MURCS-Assoziation): Schallleitungsschwerhörigkeit – Fehlen der Vagina; MRKH-Syndrom Typ 2; Müller-Gang-Aplasie – Nierenaplasie – Dysplasie der zerviko-thorakalen Somiten.[19][20] MURCS ist die Abkürzung von MÜllerian duct aplasia, Renal dysplasia and Cervical Somite anomalies oder von „llerian duct aplasia, renal agenesis/ectopia, cervical somite dysplasia“.[21]
  • Atypisches MRKHS: Synonyme: MRKH-Syndrom, atypisches; Rokitansky-Syndrom, atypisches; WNT4-Mangel, autosomal-dominanter Erbgang mit Mutationen am WNT4-Gen auf Chromosom 1, Genort p36.12.[22][23]

Symptome

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Klinische Manifestation:

Weitere Befunde:

Therapie

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Zur Therapie stehen verschiedene operative (Kolpopoese) und konservative Verfahren zur Verfügung.

Als konservatives Vorgehen ist die Dehnung nach Frank zu nennen. Hierbei wird die Scheide durch Dilatatoren, die eigenen Finger und/oder Geschlechtsverkehr selbst gedehnt. Dieses Vorgehen erfordert ein hohes Maß an Bereitschaft der Patientin, erweist sich aber für die Entwicklung des Selbstwertgefühls und Körperbewusstseins weit überlegen, so dass sie bei geeignetem Befund mittlerweile als Methode der ersten Wahl empfohlen wird. Bei allen operativen Verfahren können Verletzungen von Scheide und Rektum entstehen, außerdem ist die psychosoziale Nachsorge oft unzureichend. Die gängigsten Methoden sind die Epidermisscheide nach McIndoe, die Darmscheide, die Peritonealscheide und die Neovagina nach Vecchietti.[28][29]

Bei der laparoskopisch modifizierten Vecchietti-Operation wird in das meist vorhandene Scheidengrübchen ein sogenanntes Phantom eingebracht. Laparoskopisch werden an diesem Phantom zwei Fäden befestigt, die durch die Bauchdecke zu einem Spannapparat geführt werden. Der Spannapparat verbleibt nun vier bis sechs Tage auf dem Bauch. Durch Zug an den Fäden zieht er die Scheide in die Bauchhöhle und verlängert sie bis auf zehn bis zwölf Zentimeter. Anschließend werden zur Dehnung Dilatatoren eingesetzt. Das Operationsziel, der Patientin ein normales Sexualleben zu ermöglichen, wird meist erreicht.[30] Vorteil dieses Verfahrens ist, dass die Neovagina wie eine normale Scheide reagiert. Sie wird, wie bei jeder anderen Frau, feucht und weit beim Geschlechtsverkehr.[15]

Bei allen operativen Methoden (mit Ausnahme der Darmscheide) ist postoperativ das Tragen eines Phantoms nötig, um Schrumpfungen vorzubeugen.[28]

2014 wurde im Fachjournal The Lancet ein Artikel veröffentlicht über vier Frauen von damals 13 bis 18 Jahren, welche vor acht Jahren eine aus eigenen Körperzellen aus dem Genitalgewebe gezüchtete Vagina eingesetzt bekamen. Sie soll voll funktionsfähig sein und von einer herkömmlichen Vagina nicht zu unterscheiden sein. Durchgeführt haben dies Wissenschaftler um Anthony Atala vom Wake Forest Baptist Medical Center für Regenerative Medizin in North Carolina.[31]

Im März und im Mai 2019 haben zwei Frauen, die vom MRKHS betroffen waren, am Universitätsklinikum Tübingen per Kaiserschnitt ein Kind geboren, nachdem ihnen die Gebärmütter ihrer Mütter transplantiert wurden.[32]

Im analogen Stichwort in der portugiesischen und der ukrainischen Wikipedia werden bekannte betroffene Frauen mit dem MRKH-Syndrom genannt.

Siehe auch

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Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Benno Runnebaum, Thomas Rabe: Pathophysiologie des menstruellen Zyklus. In: Benno Runnebaum, Thomas Rabe: Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin. Band 1, Gynäkologische Endokrinologie, Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York / London / Paris / Tokyo / Hong Kong / Barcelona / Budapest 1994, ISBN 3-540-57345-3, S. 235.
  2. Peter Reuter: Springer Klinisches Wörterbuch 2007/2008. Springer-Verlag, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-540-34601-2, S. 1619.
  3. Willibald Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, Walter de Gruyter Verlag, Berlin / New York 2007, ISBN 978-3-11-018534-8, S. 1048.
  4. Lexikon Medizin. 4. Auflage. Elsevier, München, Sonderausgabe. Naumann & Göbel Verlag, Köln ohne Jahr [2005], ISBN 3-625-10768-6, S. 1074.
  5. Roche Lexikon Medizin., Roche Lexikon Medizin, 5. Auflage. Urban & Fischer, München / Jena 2003, ISBN 3-437-15156-8, S. 1058.
  6. Maxim Zetkin, Herbert Schaldach: Lexikon der Medizin, 16. Auflage, Ullstein Medical, Wiesbaden 1999, ISBN 978-3-86126-126-1, S. 1251.
  7. Duden: Wörterbuch medizinischer Fachbegriffe. Dudenverlag, 10. Auflage, Berlin 2021, ISBN 978-3-411-04837-3, S. 504.
  8. G. A. Hauser, M. Keller, T. Koller et alii: Das Rokitansky-Küster-Syndrom. Uterus bipartus solidus rudimentarius cum vagina solida. In: Gynaecologia, Basel 1961, 151: S. 111 f.
  9. G. A. Hauser, W. E. Schreiner: Das Mayer-v. Rokitansky-Küster-Syndrom. In: Schweizerische medizinische Wochenschrift, Basel 1961, 91. Jahrgang, S. 383 f.
  10. Hermann Küster: Uterus bipartitus solidus rudimentarius cum vagina solida. In: Zeitschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie, Stuttgart 1910, 67. Jahrgang, S. 692–718.
  11. C. A. J. Mayer: Über Verdoppelungen des Uterus und ihre Arten, nebst Bemerkungen über Hasenscharte und Wolfsrachen. In: Journal der Chirurgie und Augen-Heilkunde, Berlin 1829, 13. Jahrgang, S. 525–564.
  12. K. F. von Rokitansky: Über die sogenannten Verdoppelungen des Uterus. In: Medizinische Jahrbücher des kaiserlich königlichen österreichischen Staates. Wien, 1838, 26: S. 39–77.
  13. Heinz Walter, Günter Thiele (Hrsg.): Reallexikon der Medizin und ihrer Grenzgebiete. Loseblattsammlung, Band 4 (Hypermagnesiämie–Melusinidae), Verlag Urban & Schwarzenberg, München / Berlin / Wien 1971, ISBN 3-541-84004-8, S. M 69.
  14. Eintrag zu Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten), abgerufen am 8. August 2022.
  15. a b Claudia Arthen: Scheidenaplasie - Endlich eine ganz normale Frau 23. Februar 2010. Abgerufen am 22. November 2013
  16. Benno Runnebaum, Thomas Rabe: Pathophysiologie des menstruellen Zyklus. In: Benno Runnebaum, Thomas Rabe: Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin. Band 1, Gynäkologische Endokrinologie, Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York / London / Paris / Tokyo / Hong Kong / Barcelona / Budapest 1994, ISBN 3-540-57345-3, S. 232.
  17. Eintrag zu Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom Typ 1. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
  18. MAYER-ROKITANSKY-KUSTER-HAUSER SYNDROME. In: Online Mendelian Inheritance in Man. (englisch).
  19. Eintrag zu Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom Typ 2. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten).
  20. MURCS. In: Online Mendelian Inheritance in Man. (englisch)
  21. Theresa E. Geley, Ingmar Gaßner: Lower Urinary Tract Anomalies of Urogenital Sinus and Female Genital Anomalies. In: Richard Fotter (Hrsg.): Pediatric Uroradiology. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg 2008, ISBN 978-3-540-33004-2, S. 140.
  22. Eintrag zu Müller-Gang-Aplasie und Hyperandrogenismus. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
  23. MULLERIAN APLASIA AND HYPERANDROGENISM. In: Online Mendelian Inheritance in Man. (englisch).
  24. Pola Nawrocki, Günter Wangerin: Lexikon Gynäkologie. Verlag Urban & Schwarzenberg, München / Wien / Baltimore 1993, ISBN 3-541-17341-6, S. 208.
  25. Benno Runnebaum, Thomas Rabe: Pathophysiologie des menstruellen Zyklus. In: Benno Runnebaum, Thomas Rabe: Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin. Band 1, Gynäkologische Endokrinologie, Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York / London / Paris / Tokyo / Hong Kong / Barcelona / Budapest 1994, ISBN 3-540-57345-3, S. 232.
  26. Manfred Stauber, Thomas Weyerstahl: Duale Reihe: Gynäkologie und Geburtshilfe, 2. Auflage, Stuttgart 2005, ISBN 978-3-13-125342-2. Kapitel Mayer-v. Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom, S. 113.
  27. Universitätsklinikum Tübingen: Informationsbroschüre - Seltene Erkrankungen(PDF; 1,3 MB)
  28. a b Marlene Heinz: Konservatives Vorgehen bei Vaginalplasie (Memento des Originals vom 2. Dezember 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.frauenarzt.de(PDF; 384 kB) 2006.
  29. Das Erlanger MRKH Portal (Memento des Originals vom 18. Mai 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.mrkh-syndrom.de aufgerufen am 14. März 2010
  30. Luigi Fedele, Stefano Bianchi, Giada Frontino, Eleonora Fontana, Elisa Restelli, Vincenzina Bruni: The laparoscopic Vecchietti’s modified technique in Rokitansky syndrome: anatomic, functional, and sexual long-term results. In: American Journal of Obstetrics & Gynecology. 198. Jahrgang, Nr. 4, April 2008, S. 377.e1–6, doi:10.1016/j.ajog.2007.10.807, PMID 18241821.
  31. Organe aus dem Labor: Künstliche Vagina hilft erkrankten Frauen. Spiegel Online, 11. April 2014
  32. Uterus-Spende: Zwei gesunde Kinder zur Welt gekommen. BR24.de, 23. Mai 2018
  33. Siehe auch: Die klinische Bedeutung der Müllerschen Fehlbildungen. (PDF; 871 kB; 7 Seiten) In: Frauenheilkunde Aktuell, Nr. 1, 2009.