Die Maggia Kraftwerke AG,[1] italienisch Officine Idroelettriche della Maggia SA, kurz Ofima, mit Sitz in Locarno nutzt die Wasserkräfte im Einzugsbereich des Flusses Maggia im Kanton Tessin zur Erzeugung elektrischer Energie. Sie ist die leistungsfähigste Kraftwerksgruppe im Tessin.

Maggia Kraftwerke AG /
Officine Idroelettriche della Maggia SA

Logo
Rechtsform Aktiengesellschaft (Schweiz)
Gründung 10. Dezember 1949
Sitz Locarno TI Schweiz Schweiz
Leitung Hofstetter Marold
Branche Energieversorgung
Website www.ofima.ch
Maggia Kraftwerke
Drei der acht Stauseen der Maggia Kraftwerke bei Robièi. Von links nach rechts: Lago del Zött, Lago di Robièi und Lago dei Cavagnöö.
Drei der acht Stauseen der Maggia Kraftwerke bei Robièi. Von links nach rechts: Lago del Zött, Lago di Robièi und Lago dei Cavagnöö.
Lage

Maggia Kraftwerke (Kanton Tessin)
Maggia Kraftwerke (Kanton Tessin)
Koordinaten 698805 / 109749
Land Schweiz Schweiz
Kanton Tessin Tessin
Ort Val Bavona, Valle Maggia
Gewässer Lago di Robièi, Lago del Narèt, Lago del Sambuco, Lago dei Cavagnöö, Griessee, Lago Sfundau, Lago di Palagnedra, Lago del Zött, Maggia, Bavona, Rovana, Isorno, Melezza
Daten

Typ Speicherkraftwerkgruppe mit zwei Pumpspeicherkraftwerken
Primärenergie Wasser
Leistung turbinieren: 596 MW
pumpen: 162 MW
Eigentümer Maggia Kraftwerke AG im Besitz von:
Projektbeginn 1949
Betriebsaufnahme 1955
Eingespeiste Energie 2019 1378 GWh
Stand 2020

Geschichte

Bearbeiten

Am 10. März 1949 erteilte der Grosse Rat des Kantons Tessin die Konzession für die Nutzung der Maggia und ihrer Zuflüsse bis zum Lago Maggiore, am 10. Dezember des gleichen Jahres wurde die Ofima gegründet. In den Jahren 1950 bis 1955 wurde daraufhin die erste Ausbaustufe mit dem Stausee Lago del Sambuco und den Kraftwerken Peccia, Cavergno und Verbano erstellt. Die Konzession hierfür läuft bis zum Jahr 2035. In den 1960er-Jahren folgten die Speicherbecken Lago dei Cavagnöö, Lago del Narèt, Lago di Robièi, Lago del Zött und das Kraftwerk Bavona, die bis zum Jahr 2048 konzessioniert sind.[2]

Eine ursprünglich vorgesehene dritte Etappe wurde nicht umgesetzt. So wurde zum Beispiel darüber nachgedacht, die Laghi della Crosa zuhinterst im Val Calnègia auf eine Kote von 2116 m ü. M. aufzustauen und deren Wasser mit einem 7,5 km langen Stollen einer Zentrale auf der Alp Zött zuzuführen, die das Wasser in den Lago del Zött abgegeben hätte. Ebenso wurde auf den Aufstau des Lago Bianco und den Bau von Laufkraftwerken bei Cevio oder in den Seitentälern Calnègia und Vergeletto verzichtet. Andere Projekte der dritten Etappe wurden in die zweite Etappe aufgenommen, wie z. B. der Bau des Lago del Zött oder die Nutzung des Lago Sfundau.[3]

Stollenunglück von Robièi

Bearbeiten

In der zweiten Ausbauetappe kam es beim Bau des 13 km langen Freispiegelstollens zwischen dem Maschinenhaus Altstafel und dem Lago di Robièi zu einem schweren Arbeitsunfall. Der Stollen war bereits fertig ausgebrochen, der Durchschlag zwischen dem Bedrettotal und Robièi erfolgte Mitte 1965. Um die Fertigstellungsarbeiten am Südende des Stollens nicht zu behindern, wurde etwa 3,2 km von Robièi entfernt eine Schottwand in den Stollen eingebaut, die das Grund- und Sickerwasser aus dem bergwärts liegenden Teil des Stollens aufhielt. Das angesammelte Wasser im oberen Teil des Stollens musste von Zeit zu Zeit durch einen in die Schottwand eingelassenen Schieber von ca. 30 cm Durchmesser in den talwärts liegenden Teil des Stollens abgelassen werden. Diese Arbeit wurde bereits 1965 einmal ausgeführt und wurde am 15. Februar 1966 wiederholt, wobei geschätzte 4000 m³ Wasser abgelassen werden sollten. Wegen der an der Schottwand aufgestauten verbrauchten sauerstoffarmen Luft wurden mit dieser Arbeit zwei Feuerwehrleute aus Locarno beauftragt, die mit Atemschutzgeräten ausgerüstet in Begleitung des Baustellenleiters von Robièi zur Schottwand aufstiegen. Sie konnten den Schieber ordnungsgemäss öffnen, jedoch bemerkte das in sicherer Distanz zurückgebliebene Begleitteam kurze Zeit nach Öffnen des Schiebers, dass das Licht der Lampen der Aufgestiegenen verschwunden war. Sie konnten später nur noch tot geborgen werden. Auf der Nordseite der Schottwand starben zwei Gruppen von italienischen Gastarbeitern. Im Gesamten forderte das Unglück 17 Todesopfer, die durch Ersticken gestorben waren.[4] Es verursachte internationale Spannungen zwischen der Schweiz und Italien, weil Italien die Sicherheit auf den Baustellen in der Schweiz anzweifelte.[5] Der Unfall ereignete sich nur sechs Monate nach dem Unglück auf der Baustelle des Staudamms von Mattmark, wo durch den Abbruch des Allalingletschers die Baracken auf der Baustelle zerstört wurden und 88 Bauarbeiter den Tod fanden – auch mehrheitlich Italiener.[6]

Beteiligungen

Bearbeiten

An der Maggia Kraftwerke AG sind folgende Unternehmen beteiligt:[7]

Kraftwerksanlagen

Bearbeiten
Maggia Kraftwerke AG
Stauseen und Kraftwerke
im Einzugsgebiet der Maggia
Griessee 2386 m
Kraftwerk Altstafel 1975 m
Kantonsgrenze WallisTessin
Lago del Narèt 2310 m
Fassung von 5 Bächen
Lago dei Cavagnöö 2310 m
Fassung von 6 Bächen
Kraftwerk Robiei 1878 m
Fassung von 3 Bächen
Lago di Robiei, Lago del Zött 1940 m
Lago del Sambuco 1461 m
Fassung von 2 Bächen
Kraftwerk Bavona 1050 m
Kraftwerk Peccia 1036 m
Fassung von 2 Bächen
Fassung von 3 Bächen
Ausgleichsbecken Peccia 1032 m
Kraftwerk Cavergno 528 m
Fassung von 8 Bächen
Zufluss Melezza
Lago di Palagnedra Staubecken 486 m
Überlauf ins Ausgleichsbecken
Lago di Palagnedra Ausgleichsbecken 486 m
Umgehungsstollen Ausgleichsbecken
Abfluss Melezza
Kraftwerk Verbano 203 m
Lago Maggiore bei Brissago[8] 193 m

Die Kraftwerke verfügen über eine installierte Gesamtleistung von beinahe 600 MW (Megawatt). Die Speicherseen der Kraftwerksgruppe dienen neben der Deckung des Mehrbedarfs an Energie im Winter auch der Spitzenenergieerzeugung.

Neben den beiden Doppel-Pelton-Turbinen sind in der Zentrale Peccia zwei horizontale zweistufige Radialpumpen aufgestellt, die in Schwachlastzeiten Wasser aus dem Ausgleichsbecken in den Lago del Sambuco zurückpumpen. Seit 1991 nutzt eine kleine vertikale Kaplan-Turbine das Gefälle zwischen der Wasserfassung Corgello, wo Wasser der Maggia abgeleitet wird, und dem Ausgleichsbecken Peccia.

Die Zentrale Robièi Wasser nutzt überschüssige Energie im Netz, um Wasser aus dem Lago di Robièi in den Lago dei Cavagnöö zu pumpen. Sie ist dafür mit vier Pumpturbinen und einer Isogyre-Pumpturbine ausgerüstet. Die Zentrale war bei Inbetriebnahme das erste Maschinenhaus der Schweiz, das mit später üblichen reversierbaren Pumpturbinen ausgerüstet wurde, und gleichzeitig kam erstmals eine Isogyre-Pumpturbine in einem Kraftwerk zum Einsatz.[9] Die von den Ateliers des Charmilles SA in Genf entwickelte Bauart einer Pumpturbine benötigte kein Drehrichtungswechsel zwischen Pump- und Turbinenbetrieb, wodurch zwischen den Betriebsarten sehr schnell gewechselt werden konnte. Zur Erschliessung dieser Zentrale wurde die Luftseilbahn San Carlo–Robièi gebaut.

Als Besonderheit befindet sich die Zentrale Altstafel, die oberste Zentrale der Kraftwerksgruppe, auf Walliser Boden. Sie wird von der Kraftwerk Aegina AG betrieben, an der die Rhonewerke eine 50 %-Beteiligung haben.[10]

Im Oktober 2018 wurde das Kleinwasserkraftwerk Borgnone in Betrieb genommen, das das Wasser aus dem Stollen Cavergno–Palagnedra turbiniert und dabei das Gefälle zwischen der Wasserfassung des Isorno und dem Lago di Palagnedra ausnutzt. Das nutzbare Gefälle beträgt je nach Wasserstand des Sees zwischen 6 und 16 m.[11]

Zentrale Turbine mittlere
Nutz-
gefälle (m)
Umdrehungen
pro Minute
Funktion Inbetrieb-
nahme
Energie in GWh
(pro Jahr)
Engpassleistung
(MW)
Altstafel 1 × Francis 384 1500 turbinieren 1967 21,6 9,2
Robièi 4 × Pumpturbine
1 × Isogyre
338 Francis: 1000
Isogyre: 1500
turbinieren 1968 30,4 165
pumpen 24,9 140
Bavona 2 × Pelton 887 428 turbinieren 1966 324 124
Peccia (Sambuco) 2 × Doppel-Pelton 381 300 turbinieren 1955 85,4 44
2 × zweistufige Radialpumpe 374 1000 pumpen 12 22
Peccia (Corgello) 1 × Kaplan turbinieren 1991 2 1
Cavergno 4 × Pelton 489 375 turbinieren 1955 398 104
Borgnone 1 × Kaplan 11 turbinieren 2018 11 2,8
Verbano 1 4 × Francis 255 600 turbinieren 1953 346 96
Verbano 2 1 × Francis 255 500 1973 160 50
Total Turbinieren 1378 596
Pumpen 36,9 162

Stauseen

Bearbeiten
 
Lagekarte der Kraftwerksanlagen

Die Maggia Kraftwerke beziehen das Wasser aus fünf grösseren Stauseen und drei kleineren Staubecken. Der Lago del Narèt ist ein Natursee, dessen unterirdischer Abfluss abgedichtet wurde.

Seen Staumauer Erster

Aufstau

Nutzinhalt

(Mio. m³)

Energieinhalt

(Mio. kWh)

Seehöhe

(m ü. NN.)

Griessee Gewichtsmauer 1965 18 63 2386
Lago dei Cavagnöö Bogenmauer 1968 28 104 2310
Lago Sfundau abgedichteter

Natursee

1968 4,1 15 2351
Lago del Narèt Bogenmauer

Gewichtsmauer

1969 31,1 115 2310
Lago di Robièi Gewichtsmauer 1967 6,5 157 1940
Lago del Zött Bogenmauer 1967 1,2 2,4 1940
Lago del Sambuco Bogenmauer 1956 63 109 1461
Lago di Palagnedra   Bogengewichtsmauer 1952 4,8 3 487
Total 157 568

Literatur

Bearbeiten
  • Ofima (Hrsg.): Ofima, eine spannende Herausforderung. Broschüre des Betreibers. (ofima.ch [PDF]).
  • A. Kaech: Die Wasserkräfte des Maggiatales: Beschreibung des Konzessionsprojektes vom Januar 1949. In: Schweizerische Bauzeitung. 1949, doi:10.5169/SEALS-84018.
  • Jean-Emile Graeser: Die elektromechanische Ausrüstung der Kavernenzentrale Robiei. In: Schweizerische Bauzeitung. 1970, doi:10.5169/SEALS-84449.
Bearbeiten
Commons: Maggia Kraftwerke – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Officine Idroelettriche della Maggia SA. Handelsregister des Kanton Tessins, abgerufen am 6. Juni 2020.
  2. Über OFIMA. OFIMA, abgerufen am 13. Juni 2020.
  3. A. Kaech: Die Wasserkräfte des Maggiatales
  4. Radiotelevisione svizzera: Robiei, 50 anni dalla tragedia. Nachrichtenbeitrag zur 50. Jährung des Unglücks. In: RSINews. Radiotelevisione svizzera, abgerufen am 11. Juni 2020 (italienisch, Bei 06:46 ist die Schottwand mit dem Schieber sichtbar).
  5. Grossrisiken – wenn plötzlich die Katastrophe eintritt. SUVA, abgerufen am 11. Juni 2020 (Abschnitt Katastrophen mit Nachwirkungen).
  6. Mattmark – die Katastrophe in den Alpen. SUVA, abgerufen am 11. Juni 2020.
  7. Officine Idroelettriche della Maggia SA. Abgerufen am 6. Juni 2020 (Abschnitt Beteiligungsquoten am Aktienkapital).
  8. Anlagenschema. Ofima, abgerufen am 6. Juni 2020.
  9. Jean-Emile Graeser: Die elektromechanische Ausrüstung der Kavernenzentrale Robiei. 1970, S. 219, doi:10.5169/SEALS-84449.
  10. EnAlpin AG - Kraftwerk Aegina AG. Abgerufen am 8. Juni 2020.
  11. Ofima (Hrsg.): Inaugurazione della nuova centrale di Borgnone. 12. Oktober 2018 (ofima.ch [PDF]).