Manfred Laubert

deutscher Philologe

Manfred Alexander Karl Sigur Laubert (* 4. November 1877 in Frankfurt (Oder); † 3. Juli 1960 in Göttingen) war ein deutscher Historiker.

Manfred Laubert wurde als Sohn des Realgymnasialdirektors Karl Laubert geboren. Er besuchte die von seinem Vater geleitete Bildungsanstalt an seinem Heimatort, an der er nach achteinhalbjähriger Schulzeit an Ostern 1895 – unter Dispens von allen Teilen der mündlichen Prüfung – das Abitur ablegte.[1] Er studierte in Breslau, Zürich, Berlin und Leipzig, wo er Schüler von Karl Bücher war[2] und im Jahr 1899 von dem Historiker Erich Marcks mit einer Arbeit zur Kritik der Quellen zur Schlacht bei Kunersdorf promoviert wurde.[3] Nach dem Militärdienst folgte mehrjährige Archivarbeit in Posen und Berlin, als deren erstes Ergebnis er 1908 seine Studien zur Geschichte der Provinz Posen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorlegte. Mit der in diesem Band veröffentlichten Schrift Presse und Zensur in neupreußischer Zeit (1815–1847) habilitierte er sich[4] in demselben Jahr 1908 an der Universität Breslau. Dort wurde dem Privatdozenten für Mittlere und Neuere Geschichte fünf Jahre später (1913) der Professorentitel verliehen. Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg kam er – mit den Eisernen Kreuzen I. und II. Klasse sowie dem Hohenzollern-Hausorden mit Schwertern ausgezeichnet – 1919 nach Breslau zurück,[2] wo er auf Grund eines besonderen Lehrauftrages auch über polnische Geschichte las[5] und 1921 außerordentlicher Professor wurde. Als Laubert 1927 für den Breslauer Lehrstuhl des nach Köln gewechselten Johannes Ziekursch ins Gespräch gebracht wurde, befand der für Berufungsfragen im preußischen Unterrichtsministerium zuständige Ministerialrat Wolfgang Windelband: Laubert verdient zweifellos eine Anerkennung, aber das Breslauer Ordinariat kommt dafür nicht in Frage.[6] Entsprechend vertrat der aus Breslau stammende Publizist und langjährige Polenkorrespondent der Vossischen Zeitung, Friedrich Wilhelm von Oertzen, der 1934 nachdrücklich das Fehlen eines Lehrstuhls für Polnische Geschichte in Deutschland beklagte, die zweifellos auch auf Laubert zu beziehende Meinung, man hätte wahrscheinlich nicht einmal die Wissenschaftler, die einen solchen Lehrstuhl […] im Augenblick wirklich auszufüllen vermöchten.[7] 1938 wurde Laubert in seinem 61. Lebensjahr schließlich doch noch als Extraordinarius auf den bereits im November 1932 eingerichteten, bislang aber nicht besetzten[8] Lehrstuhl für Polnische Geschichte an der Berliner Universität berufen.[9][10] Hier war er vom Frühjahr 1944 bis zum Kriegsende beurlaubt, weil sich zu seinen Lehrveranstaltungen zur polnischen Geschichte keine Hörer mehr einfanden.[10] Nach dem Zweiten Weltkrieg lehrte er noch an der Georg-August-Universität in Göttingen, wo er 1960 starb. Laubert, der von 1950 bis zu seinem Tod Mitglied des Johann Gottfried Herder-Forschungsrats war, wird zu den der Volksdeutschen Mittelstelle korporativ oder in freier Verbindung angegliederten Wissenschaftlern gerechnet, die ihre Forschungen gezielt den Erfordernissen bevölkerungspolitischer Planungsvorhaben der halbamtlich organisierten »Deutschtumspolitik« der NS-Zeit im Osten unterstellten; dabei sei er bereits zuvor als Vertreter einer extrem revisionistischen Geschichtswissenschaft in Erscheinung getreten.[11]

Betreute Promotionen (Auswahl)

Bearbeiten
  • Alfred Lattermann (1924: Oberschlesien und die polnischen Aufstände im 19. Jahrhundert)[12]
  • Hans Preuschoff (um 1930, zusammen mit Leo Santifaller: Das Verhältnis des ermländischen Fürstbischofs Johann Stanislaus Zbąski (1688–1697) zu seinem Domkapitel)[13]
  • Ilse Schwidetzky (1934: Die polnische Wahlbewegung in Oberschlesien)[14]

Ehrungen

Bearbeiten

Schriften

Bearbeiten
  • Kritik der Quellen zur Schlacht bei Kunersdorf (12. August 1759). Diss. Leipzig 1900.
  • Studien zur Geschichte der Provinz Posen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Lissa i. P., Posen 1908. Digitalisat Auszüge
  • Nationalität und Volkswille im preußischen Osten. Hirt, Breslau 1925 (Digitalisat).
  • Die Loslösung Schlesiens von Polen und die polnische Wissenschaft. (Sonderabdruck aus Der Oberschlesier. Jg. 14, Februar 1932) Raabe, Oppeln 1932 (Digitalisat).
  • Die oberschlesische Volksbewegung. Beiträge zur Tätigkeit der Vereinigung heimattreuer Oberschlesier 1918–1921. Priebatsch, Breslau 1938 (Digitalisat).

Literatur

Bearbeiten
  • Gotthold Rhode: Manfred Laubert: (1877–1960). In: Zeitschrift für Ostforschung 10 (1961), H. 4, S. 630–632 (online als PDF).
  • Wilhelm Kosch: Biographisches Staatshandbuch: Lexikon der Politik, Presse und Publizistik. Francke, Bern u. a. 1963.
Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Jahresbericht über die Oberschule (Realgymnasium) zu Frankfurt a. d. Oder. Trowitzsch & Sohn, Frankfurt a. d. Oder 1895, S. 20 Nr. 4 (online bei Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf).
  2. a b c Leutnant Hein und Professor Dr. Laubert. In: Litzmannstädter Zeitung. Jg. 25 Nr. 297, Beilage (online als PDF).
  3. Joachim Bahlke: Geschichtswissenschaftliche Habilitationen an der Philosophischen Fakultät der Universität Breslau zwischen 1811 und 1914: Akademische Qualifikation, personale Netzwerke und Einbindung in wissenschaftliche Schulen. In: Gelehrte – Schulen – Netzwerke. Geschichtsforscher in Schlesien im langen 19. Jahrhundert (= Neue Forschungen zur schlesischen Geschichte. Bd. 28). Hrsg. von Joachim Bahlcke und Roland Gehrke. Böhlau, Wien / Köln / Weimar 2019, ISBN 9783412516666, S. 29–92, S. 62 Anm. 119 (als Vorschau online bei Google Books).
  4. Vgl. Bahlke 2019, S. 196–341; vgl. Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung. 2., neubearb. Aufl. Bd. 14, 8. Buch: Vom Frieden 1815 bis zur französischen Revolution 1830. Dichtung der allgemeinen Bildung. Abt. 8. Hrsg. von Herbert Jacob. Akademie-Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-05-005235-9, S. 978 (als Vorschau online bei Google Books).
  5. Helmut Wilhelm Schaller: Die Geschichte der slawischen Philologie an der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Breslau. In: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 44 (1995) S. 86 (online als PDF).
  6. Hartwin Spenkuch: Einleitung: Republikanische Wissenschaftspolitik im Freistaat Preußen. Problemlagen, Professorenberufungen, Leistungen. In: Wissenschaftspolitik in der Weimarer Republik. Dokumente zur Hochschulentwicklung im Freistaat Preußen und zu ausgewählten Professorenberufungen in sechs Disziplinen (1918 bis 1933) (= Der preußische Kulturstaat in der politischen und sozialen Wirklichkeit. Bd. 9). 1. Halbbd. De Gruyter, Berlin / München / Boston 2016, ISBN 978-3-11-045626-4, S. 1–184, S. 123 Anm. 180 (als Vorschau online bei Google Books). – Der Lehrstuhl wurde 1928 schließlich an Siegfried A. Kaehler vergeben.
  7. Friedrich Wilhelm von Oertzen: Der Nachbar im Osten. Versuch einer Deutung des neuen Polen. In: Zeitschrift für Politik 23 (1934), S. 481–498, S. 482.
  8. Stefan Guth: Geschichte als Politik. Der deutsch-polnische Historikerdialog im 20. Jahrhundert. De Gruyter Oldenbourg, Berlin / Boston 2015, ISBN 978-3-11-034611-4, S. 79 mit Anm. 222 (als Vorschau online bei Google Books).
  9. Wolfgang Hardtwig: Neuzeit-Geschichtswissenschaften 1918–1945. In: Geschichte der Universität Unter den Linden 1810–2010. Bd. 5: Transformation der Wissensordnung. Hrsg. von Heinz-Elmar Tenorth. Akademie-Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-05-004670-9, S. 413–434, S. 430 bei Anm. 68 (mit unrichtigem Vornamen) (als Vorschau online bei Google Books)
  10. a b Ingo Loose: Berliner Wissenschaftler im »Osteinsatz« 1939–1945. Akademische Mobilität zwischen Berliner Universität und Reichsuniversität Posen. In: Die Berliner Universität in der NS-Zeit. Bd. 1: Strukturen und Personen. Hrsg. von Christoph Jahr. Franz Steiner, Stuttgart 2005, ISBN 3-515-08657-9, S. 49–70, S. 69 f. (als Vorschau online bei Google Books).
  11. Ingo Haar: Historiker im Nationalsozialismus. Deutsche Geschichtswissenschaft und der »Volkstumskampf« im Osten. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2000. ISBN 3-525-35942-X, S. 32 f. (als Vorschau online bei Google Books).
  12. Alfred Lattermann: Oberschlesien und die polnischen Aufstände im 19. Jahrhundert. Diss. masch., Breslau 1924. – In ergänzter Form gedruckt in: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 64 (1930), S. 212–289 (online bei Schlesische Digitale Bibliothek).
  13. Hans Preuschoff: Das Verhältnis des ermländischen Fürstbischofs Johann Stanislaus Zbąski (1688–1697) zu seinem Domkapitel. In: Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands 76 (1933), S. 1–68; (77) 1934, S. 336–386 (online als PDF). – In seinen Memoiren beklagte sich Preuschoff darüber, dass Laubert die Arbeit zwar angenommen, sich aber nicht im geringsten darum gekümmtert habe, so dass es ihm von der Fakultät zur Auflage gemacht worden sei, sie unter Anleitung des Ordinarius Leo Santifaller (ab 1929) umzuarbeiten: Hans Preuschoff: Journalist im Dritten Reich (= Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands. Beiheft 6). Selbstverlag, Münster 1987, S. 2 (online als PDF).
  14. Ilse Schwidetzky: Die polnische Wahlbewegung in Oberschlesien. (= Schriften des Ost-Europa-Instituts in Breslau. Heft 1). Hirt, Breslau 1934.
  15. Revaler Zeitung. Jg. 2. Nr. 77 vom 3. April 1943, S. 5 (online bei DIGAR Estonian Articles); die Verleihung durch Gauleiter Fritz Bracht erfolgte in Kattowitz im Rahmen einer Feierstunde anlässlich der Eröffnung des von Fritz Arlt geleiteten Zentralinstituts für Landesforschung in Oberschlesien.