Manisch ist eine in Gießen, Marburg, Wetzlar und Bad Berleburg (Wittgenstein) als Soziolekt gesellschaftlicher Randgruppen entstandene regionale Variante des Rotwelschen. Es handelt sich um einen auf der Grundlage des örtlichen mittelhessischen Dialekts bzw. Wittgensteiner Platts gebrauchten geheimsprachlichen Sonderwortschatz.

Sprach- und sozialwissenschaftliche Forschungsresultate

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Für Gießen gilt, dass von 574 wissenschaftlich dokumentierten Wortstämmen 402 (70 %) aus dem Romani entlehnt sowie 84 (14,6 %) deutschen, 65 (11,3 %) jiddischen, 10 (1,7 %) anderssprachlichen und 13 (2,3 %) ungeklärten Ursprungs sind.[1] Auch das Berleburger Manisch weist ganz überwiegend Wortstämme aus dem Romani auf.[2]

Die mittelhessischen Sprecher bezeichnen zwar ihre Sprache als „Manisch“ (mit dem rotwelschen Wort manisch „zigeunerisch“, aus Romani Manush „Mensch, Angehöriger der Roma“), lehnen aber für sich selbst die Bezeichnung als „Manische“ ab, unter der sie von der übrigen Bevölkerung mit den Roma zusammengefasst werden, und bezeichnen sich vielmehr als Jenische.[3]

 
Gießen, Peripheriesiedlung Margaretenhütte, um 1930

Gesprochen wurde bzw. wird Manisch in Gießen insbesondere in drei Wohnquartieren, der sog. „Gummiinsel[4] sowie der „Margaretenhütte“ und dem „Eulenkopf“, in Marburg in den Stadtteilen Richtsberg, Waldtal und Cappel, in Wetzlar in der ehemaligen Siedlung „Finsterloh“ und in kleinen Teilen der Altstadt sowie in Bad Berleburg in der vorstädtischen Siedlung an der Lause.[5] In Gießen siedelten sich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert und in Bad Berleburg bereits seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert in der Region beheimatete Familien von Sinti und Jenischen (regionale Fremdbezeichnung: Meckese[r]) an.

Zudem wurde und wird Manisch teilweise noch heute in Frankfurt-Bonames im Bereich der Wohngemeinschaft Bonameser Straße gesprochen.

Mag das Manische auch vom Aussterben bedroht sein und mögen nur noch wenige Personen über einen nennenswerten Wortschatz verfügen, leben doch einige Wörter in der lokalen Umgangs- und Jugendsprache weiter. Ein Beispiel ist moss: die manische Bezeichnung für Frau, steigerbar durch das Morphem {chef-} zu chefmoss für ‚(besonders) schöne Frau‘.[6] Am Manischen lässt sich eine gewisse Prestigeveränderung festmachen. Fungierte es ursprünglich genuin als Geheimsprache stigmatisierter unterer Schichten, werden lexikalische Fragmente des Soziolekts heute sogar im Stadtmarketing plakativ verwendet.

Obgleich in diesen Kontexten häufig die Interjektion Ulai (Ausdruck des Erstaunens; wegen der mangelnden Kodifizierung des Manischen auch Ulei, Olai, Orlei usw.) dem Manischen zugerechnet wird, konnte dieser etymologische Zusammenhang bisher nicht belegt werden. Anzunehmen ist, dass die heute noch verwendeten Fragmente des Manischen mit der sog. Jugend- und Umgangssprache zusammengefallen sind.[7]

Der in Gießen aufgewachsene Schauspieler Til Schweiger stand 2015 der Redaktion des Zeit-Magazins Rede und Antwort zu Fragen rund um das Manische in seiner Heimat.[8]

Die Basketball-Mannschaft Gießen 46ers Rackelos leitete ihren Namen ausdrücklich aus dem manischen Wort für Junge, Kind bzw. Nachwuchs ab.

Literatur

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  • Hans-Günter Lerch: „Tschü lowi …“ (übers.: „Kein Geld …“ ) Das Manische in Gießen. Die Geheimsprache einer gesellschaftlichen Randgruppe, ihre Geschichte und ihre soziologischen Hintergründe. Anabas Verlag, Gießen 1976, ISBN 3-87038-048-9 (überarbeitete Fassung einer Gießener Dissertation von 1973, mit Wörterbuch), 1981, 2. Aufl., ISBN 3-87038-079-9; Sonderauflage zum 175-jährigen Jubiläum der Ferber'schen Universitäts-Buchhandlung, Ferber, Gießen 1997, ISBN 3-927835-91-9
  • Ulrich Friedrich Opfermann: Relikte des Manischen und des Jenischen in Wittgenstein und im Siegerland. In: Klaus Siewert (Hrsg.): Aspekte und Ergebnisse der Sondersprachenforschung. II. Internationales Symposion 28. bis 31. Mai 1997 in Brüssel, Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 1999, ISBN 3-447-04193-5, S. 111–134 (Sondersprachenforschung, Bd. 4)
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Einzelnachweise

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  1. Hans-Günter Lerch: Das Manische in Gießen: die Geheimsprache einer gesellschaftlichen Randgruppe, ihre Geschichte und ihre soziologischen Hintergründe. Gießen 1976, S. 149.
  2. Ulrich Friedrich Opfermann: Relikte des Manischen und des Jenischen in Wittgenstein und im Siegerland. In: Klaus Siewert: Aspekte und Ergebnisse der Sondersprachenforschung. II. Internationales Symposion 28. bis 31. Mai 1997 in Brüssel (Sondersprachenforschung, Bd. 4), Wiesbaden 1999, S. 111–134.
  3. Lerch: Das Manische in Gießen. S. 12 (Kap. 1.1.2 und 1.1.3).
  4. Wenn der Tschabo die Spannuckele aufsetzt in Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 22. Oktober 2017, Seite R3
  5. Lerch: Das Manische in Gießen. S. 78 ff.
  6. Lerch: Das Manische in Gießen. S. 317 f.
  7. Lerch: Das Manische in Gießen. S. 134 (Kap. 4.3.4: Übergänge zur Umgangssprache).
  8. "Tschü Lowi, tschü Buijen, tschü Rackelo". In: Zeit.de/zeit-magazin. 19. Juni 2015, abgerufen am 12. Juni 2017.