Marie-Luise Vollbrecht
Marie-Luise Vollbrecht (* 1989 oder 1990[1]) ist eine deutsche Doktorandin der Biologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie wurde durch Medienberichte bekannt, als ihre Universität im Juli 2022 ihren für die Lange Nacht der Wissenschaften geplanten Vortrag zum Thema biologisches Geschlecht nach Kritik absagte.
Werdegang
BearbeitenVollbrecht studierte von 2011 bis 2016 Biologie an der Philipps-Universität Marburg. Dort erwarb sie den Bachelor of Science in Biologie und 2016 einen Master of Science in Biodiversität und Naturschutz. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie bis 2018 am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Seit 2018 ist sie Doktorandin am Institut für Biologie, Sektion Verhaltensphysiologie der Humboldt-Universität.[2] Ihr Hauptforschungsinteresse „gilt der Erforschung der Auswirkungen von Umweltstressoren auf die Physiologie von Organismen“. In ihrer Dissertation will sie „die Folgen von Sauerstoffmangel für die Zellproliferation der Gehirnzellen, die Neurogenese und kognitive Leistungsfähigkeit bei schwach elektrischen Fischen untersuchen“.[3]
Eklat um Vortrag über Geschlecht 2022
BearbeitenAm 1. Juni 2022 veröffentlichte Welt Online den Gastbeitrag einer Gruppe von Autoren, darunter Vollbrecht, in dem diese kritisierten, dass in Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die „wissenschaftliche Erkenntnis der Zweigeschlechtlichkeit infrage gestellt“ und Fehlinformation der „Vielgeschlechtlichkeit“ verbreitet würden.[4] Der Artikel rief Kritik in verschiedenen Medien hervor[5][6] und wurde von Teilen der LGBT-Bewegung als „Hetze gegen geschlechtliche Minderheiten“ verurteilt.[7][8] Der Deutsche Presserat wies jedoch Beschwerden, dass der Artikel transfeindlich sei, als unbegründet zurück.[9]
Am 2. Juli 2022 sollte Vollbrecht die Gelegenheit erhalten, in der Langen Nacht der Wissenschaften an der Humboldt-Universität vor einem geladenen Laienpublikum ihren Vortrag Geschlecht ist nicht (Ge)schlecht – Sex, Gender und warum es in der Biologie zwei Geschlechter gibt zu halten. Der arbeitskreis kritischer Jurist*innen an der Humboldt-Universität zu Berlin kündigte Proteste gegen Vollbrechts Vortrag an, weil die im Titel vertretene Aussage, in der Biologie gebe es nur zwei Geschlechter, nicht nur unwissenschaftlich sei, sondern auch „menschenverachtend und queer- und transfeindlich“.[10] Daraufhin entschied die Universität, den Vortrag aufgrund von Sicherheitsbedenken abzusagen.[11] Sie bot Vollbrecht an, ihren Vortrag bei einer separaten Podiumsdiskussion zu halten.[12] Vollbrecht veröffentlichte ihren Vortrag zunächst auf YouTube. Am 6. Juli äußerte sie sich in einem Gastbeitrag in der Zeit zu den Vortragsinhalten.[13] Aus ihrer Sicht zeige der Vorfall, „mit welchen radikalen Mitteln Genderideologen vorgehen“.[14] Am 14. Juli 2022 hielt sie den Vortrag in der Universität, nahm aber an der anschließenden Diskussion nicht teil, da das Podium ihrer Meinung nach unausgewogen sei und weil ihr Vortrag „nicht kontextualisiert werden müsse“. Die Podiumsrunde bestand aus mehreren Vertretern der Universität und der zugeschalteten Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger.[15][16]
Während einige Kommentare die Auseinandersetzung als Beispiel für Cancel Culture und eine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit bewerteten,[17][18] ordneten andere sie als Teil eines Kulturkampfes um Fragen der Geschlechterordnung und um die Rechte von Trans-Personen ein.[19][20]
In einer Pressemitteilung hatte die Humboldt-Universität Berlin die Absage des Vortrags Vollbrechts begründet und sich von ihr distanziert. Dabei hatte sie (die Universität) zu Unrecht den Eindruck erweckt, Vollbrecht „bewege sich mit ihren Meinungen in ihrer Gesamtheit außerhalb des Leitbildes und der Werte der“ Universität. Diese Distanzierung und die damit verbundene Wertung wurden vom Berliner Verwaltungsgericht im Dezember 2023 für rechtswidrig erklärt.[21] Es fehle eine tragfähige tatsächliche Grundlage. Daher untersagte es der Humboldt-Universität Berlin, Teile dieser Pressemitteilung weiterzuverbreiten.[22] Die Universität legte keine Beschwerde ein. Jost Müller-Neuhof kritisierte die Humboldt-Universität Berlin im Tagesspiegel, sich nicht bei Vollbrecht entschuldigt zu haben.[23]
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Laut Biologin Marie-Luise Vollbrecht holt abgesagten Geschlechter-Vortrag nach, welt.de, 14. Juli 2022, war Vollbrecht im Juli 2022 32 Jahre alt.
- ↑ Staff. Department of Biology, Behavioural Physiology. In: Humboldt-Universität zu Berlin. April 2022, abgerufen am 21. August 2022.
- ↑ Marie-Luise Vollbrecht: Brain cell proliferation in hypoxic waters, Department of Biology Behavioural Physiology, HU, 4. Februar 2022
- ↑ Rieke Hümpel, Uwe Steinhoff, Antje Galuschka, Alexander Korte, Marie Vollbrecht: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Wie ARD und ZDF unsere Kinder indoktrinieren. In: welt.de. 1. Juni 2022 (welt.de [abgerufen am 5. August 2022] welt+, kostenpflichtig).
- ↑ Umerziehung bei ARD und ZDF? Offener Brief von Wissenschaftlern löst Widerspruch aus. In: ksta.de. 3. Juni 2022, abgerufen am 5. August 2022.
- ↑ Johannes Kram: Trans als Trigger: Wie die „Welt“ den Kampf gegen lästige, obskure Minderheiten befeuert. In: Übermedien. 2. Juni 2022, abgerufen am 5. August 2022.
- ↑ Transfeindliche Hetze bei Welt Online. In: lsvd.de. 2. Juni 2022, abgerufen am 5. August 2022.
- ↑ Transphobe Hetze und «gefährliches Spiel» – Kritik an Axel Springer. In: mannschaft.com. 2. Juni 2022, abgerufen am 5. August 2022.
- ↑ Dokumentation: So bewertet der Presserat den WELT-Gastbeitrag „Wie ARD und ZDF unsere Kinder indoktrinieren“. In: welt.de. 4. Oktober 2022, abgerufen am 4. Oktober 2022.
- ↑ Michael Hanfeld: „Nacht der Wissenschaften“: Humboldt-Uni distanziert sich von Vortrag zu Geschlecht und Gender. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 3. Juli 2022, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 27. September 2022.
- ↑ Charlotte Pardey: "Wissenschaft lebt von Freiheit und Debatte". In: Forschung & Lehre. Deutscher Hochschulverband, 4. Juli 2022, abgerufen am 27. September 2022.
- ↑ Nach umstrittener Absage: Nachholtermin für HU-Vortrag. In: Zeit. 4. Juli 2022, abgerufen am 29. September 2022.
- ↑ Marie Vollbrecht: Humboldt-Universität: Der Vortrag, den ich nicht halten konnte. In: zeit.de, 6. Juli 2022.
- ↑ Nach Ankündigung von Protesten: Humboldt-Universität sagt Geschlechtervortrag von Biologin ab. RND, 3. Juli 2022.
- ↑ Johanna Jürgens: Marie-Luise Vollbrecht darf ihren Gender-Vortrag an der Humboldt-Universität nachholen. In: Der Spiegel. 15. Juli 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 5. August 2022]).
- ↑ Beatrice Achterberg: Debatte um Gender-Ideologie: Die Humboldt-Universität versucht, über Wissenschaftsfreiheit zu diskutieren. In: Neue Zürcher Zeitung. 15. Juli 2022, abgerufen am 11. August 2022.
- ↑ Fatina Keilani: Vor der intellektuellen Schlichtheit von Transaktivisten sollte keine Universität in die Knie gehen. In: Neue Zürcher Zeitung. 4. Juli 2022, abgerufen am 4. Juli 2022.
- ↑ Deniz Yücel: Woher die aggressive Unerbittlichkeit der Transgender-Aktivist*innen rührt. In: Welt. 4. Juli 2022, abgerufen am 27. August 2022.
- ↑ Benjamin Hindrichs: Clash der Filter. In: Zeit Campus, 9. August 2022, abgerufen am 23. September 2022.
- ↑ Simon Strick: Geschlecht und kein Ende. Warum die transfeindliche Debatte einfach nicht verstummt. In: Spiegel Kultur. 14. August 2022, abgerufen am 27. August 2022.
- ↑ Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 01.12.2023, [1]
- ↑ Oliver Maksan: Trans-Streit: Biologin Vollbrecht siegt vor Gericht gegen Humboldt-Uni. In: Neue Zürcher Zeitung. 6. Dezember 2023, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 6. Dezember 2023]).
- ↑ Gender-Zoff mit Biologin: Berliner Humboldt-Uni gibt vor Gericht klein bei. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 11. Januar 2024]).
Personendaten | |
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NAME | Vollbrecht, Marie-Luise |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche politische Aktivistin und Wissenschaftlerin |
GEBURTSDATUM | 1989 oder 1990 |