Martin Zenke
Martin Zenke (* 7. August 1953 in Korbach) ist ein deutscher Biochemiker und Zellbiologe. Er ist Hochschullehrer und Wissenschaftler auf dem Gebiet der Stammzellforschung und des Biomedical Engineerings und lehrt an der RWTH Aachen.
Leben
BearbeitenMartin Zenke besuchte die Alte Landesschule Korbach und machte sein Abitur 1972. Von 1972 bis 1978 studierte er Chemie, Biochemie und Medizin an der Philipps-Universität Marburg (Diplom 1978, Die Ribonukleotidreduktion in synchronen Kulturen von Saccharomyces cerevisiae (Bäckerhefe)).
Von 1979 bis 1982 war Martin Zenke wissenschaftlicher Mitarbeiter (Doktorand) am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg am Institut für Virusforschung in der Abteilung DNA Tumorviren von Gerhard Sauer.[1] Er promovierte 1982 an der Rubrecht-Karls-Universität Heidelberg zum Dr. rer. nat. mit dem Thema Transkription von SV40 Chromatin.[2]
Von 1982 bis 1985 arbeitete Martin Zenke als Postdoc bei Pierre Chambon an der Université Louis Pasteur und am Laboratoire de Genetique Moleculaire des Eucaryotes (LGME) in Straßburg.[3][4][5] 1985 wechselte er an das Europäische Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg und arbeitete bis 1988 in der Abteilung von Thomas Graf und Hartmut Beug.[6][7]
Von 1988 bis 1995 war Martin Zenke Junior Scientist am Institut für Molekulare Pathologie Pathologie (IMP) in Wien.[8][9][10][11][12][13] 1992 folgte die Habilitation in Molekularer Genetik an der Formal- und Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien.
Von 1995 bis 2003 war Martin Zenke Abteilungsleiter am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin.[14][15] 2003 folgte er dem Ruf als Gründungsdirektor des Instituts für Biomedizinische Technologien, Lehrstuhl für Zellbiologie, Medizinische Fakultät der RWTH Aachen.[16][17] Seit 2008 ist Martin Zenke Mitglied der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES)[18] in Berlin und von 2011 bis 2014 war er geschäftsführender Direktor des Helmholtz-Instituts für Biomedizinische Technik (Amtszeit von 3 Jahren) an der RWTH Aachen.
Forschung
Bearbeiten1979–1986: SV40 Enhancer und SV40 Chromatin
BearbeitenIn den 1980er Jahren konzentrierte sich die Forschung von Martin Zenke auf die Gentranskription und Chromatin.[1] 1986 zeigten er und seine Kollegen, dass Transkriptions-Enhancer eine modulare Struktur aufweisen und aus einzelnen Elementen zusammengesetzt sind, die für sich alleine relativ schwach sind, aber synergetisch wirken und dadurch Enhancer-Aktivität aufbauen.[3][4][5] Heutzutage ist dies Lehrbuchwissen, aber in den 1980er Jahren war die ursprüngliche Annahme, dass Enhancer die Transkription durch eine einzigartige und besonders starke Enhancer-Sequenz und einen entsprechenden Enhancer-Faktor erzeugen. Martin Zenkes bahnbrechende Arbeit wird in Lewins Genes IX,[19] dem Standard-Lehrbuch der Molekularbiologie, zitiert und dargestellt.
1986–1998: Das erbA-Onkogen und die Differenzierung roter Blutzellen
Bearbeiten1988 begann Martin Zenke mit der Arbeit an retroviralen Onkogenen, insbesondere an den Onkogenen v-erbA und v-rel.[7][9][10][13] Er fand heraus, dass im v-erbA-Onkogen die Funktion des c-erbA/Schilddrüsenhormonrezeptors, die Transkription zu aktivieren, verloren gegangen ist, und v-erbA als dominanter negativer Transkriptionsfaktor wirkt.[7][9][10] Diese Arbeit war die erste Beschreibung, dass onkogene Aktivität durch einen Funktionsverlust entsteht.[20][21] Diese Entdeckung war überraschend, da bis dahin angenommen wurde, dass onkogene Aktivität auf aktivierende Mutationen zurückzuführen ist.
Die erbA-Arbeit veranlasste Martin Zenke, die Differenzierung roter Blutzellen (Erythrozyten) zu untersuchen,[11][12][14] wobei er sich auf die gerade entdeckten GATA-Transkriptionsfaktoren konzentrierte.[11][12] Er fand heraus, dass GATA-1 die Entwicklung roter Blutzellen fördert,[12] während GATA-2 die Entwicklung roter Blutzellen blockiert und die Bildung von Erythrozytenvorläuferzellen stimuliert.[11] Diese Ergebnisse waren die ersten, die eine GATA-2-Funktion in der frühen Entwicklung von Blutzellen zeigten.
1995–heute: Stammzellen und antigenpräsentierende dendritische Zellen
BearbeitenAnfang der 1990er Jahre begann Martin Zenke, aufbauend auf Untersuchungen zum v-rel-Onkogen,[13] an Antigen-präsentierenden dendritischen Zellen (dendritic cells, DC) zu arbeiten. DC sind spezialisierte Immunzellen und wichtig für Immunität und Immuntoleranz. Die DC Biologie war zu dieser Zeit wenig verstanden und Martin Zenke war einer der ersten, der Genexpressionsanalysen mit DNA Microarrays für das Gen-Mining anwendete. Diese Arbeiten führten zur Entdeckung des Transkriptionsfaktors Id2 bei der DC Entwicklung.[15] Die Id2 Gendatensätze erhielten die Zugangsnummern 1 und 2 (E-MEXP-1 und E-MEXP-2) in der ArrayExpress Datenbank,[22] einer der beiden großen Datenbanken für Genomdaten, die inzwischen mehrere Millionen Einträge enthält.
Die Arbeiten zu DC werden hauptsächlich im Maussystem durchgeführt[23][24] mit dem Ziel, Genschaltkreise der DC Entwicklung und Funktion zu identifizieren. Dazu werden RNA-Seq, ChIP-seq, ATAC-seq, Chromosom-Konformationsanalysen (4C) und CRISPR/Cas9 Gen Editierung verwendet.[25] Neuerdings werden diese Studien im menschlichen System auch unter Verwendung von induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) durchgeführt.
2005–heute: Pluripotente Stammzellen und Krankheitsmodellierung
BearbeitenBlutbildende Stammzellen sind seit vielen Jahren das Hauptinteresse von Martin Zenke. In den 2005er Jahren erweiterte er sein Interesse auf pluripotente Stammzellen, wie embryonale Stammzellen (ES-Zellen) und die kürzlich entdeckten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen).[26][27][28] Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf krankheits- und patientenspezifischen iPS-Zellen für die Krankheitsmodellierung und das Wirkstoffscreening, insbesondere des blutbildenden Systems.[28][29] Diese Arbeiten umfassen auch die Entwicklung von Tiermodellen zum Studium von Erkrankungen und die Laborautomatisierung für die Zellproduktion.
Martin Zenke arbeitete auch an der Technologieentwicklung: Automatische DNA-Sequenzierung[30] und Gentransfer in Zellen.[31][32]
Publikationen
BearbeitenWeblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b M Zenke, G Sauer: Spliced and unspliced virus specific RNA sequences are associated with purified simian virus 40 chromatin. In: Nucleic Acids Research. Band 10, Nr. 15, 11. August 1982, S. 4543–50, doi:10.1093/nar/10.15.4543, PMID 6290985, PMC 321110 (freier Volltext).
- ↑ Martin Zenke: Transkription von SV40 Chromatin. Hrsg.: Heidelberg, Univ., Diss. 1982.
- ↑ a b M Zenke, T Grundström, H Matthes, M Wintzerith, C Schatz, A Wildeman, P Chambon: Multiple sequence motifs are involved in SV40 enhancer function. In: The EMBO Journal. Band 5, Nr. 2, Februar 1986, S. 387–97, doi:10.1002/j.1460-2075.1986.tb04224.x, PMID 3011406, PMC 1166744 (freier Volltext).
- ↑ a b AG Wildeman, M Zenke, C Schatz, M Wintzerith, T Grundström, H Matthes, K Takahashi, P Chambon: Specific protein binding to the simian virus 40 enhancer in vitro. In: Molecular and Cellular Biology. Band 6, Nr. 6, Juni 1986, S. 2098–2105, doi:10.1128/mcb.6.6.2098, PMID 3023918, PMC 367750 (freier Volltext).
- ↑ a b I Davidson, C Fromental, P Augereau, A Wildeman, M Zenke, P Chambon: Cell-type specific protein binding to the enhancer of simian virus 40 in nuclear extracts. In: Nature. Band 323, Nr. 6088, 9. Oktober 1986, S. 544–8, doi:10.1038/323544a0, PMID 3020434.
- ↑ EMBL Alumni. Abgerufen am 26. April 2012.
- ↑ a b c M Zenke, P Kahn, C Disela, B Vennström, A Leutz, K Keegan, MJ Hayman, HR Choi, N Yew, JD Engel: v-erbA specifically suppresses transcription of the avian erythrocyte anion transporter (band 3) gene. In: Cell. Band 52, Nr. 1, 15. Januar 1988, S. 107–19, doi:10.1016/0092-8674(88)90535-1, PMID 2830979.
- ↑ Research Institute of Molecular Pathology, former groups
- ↑ a b c M Zenke, A Muñoz, J Sap, B Vennström, H Beug: v-erbA oncogene activation entails the loss of hormone-dependent regulator activity of c-erbA. In: Cell. Band 61, Nr. 6, 15. Juni 1990, S. 1035–49, doi:10.1016/0092-8674(90)90068-P, PMID 1972036.
- ↑ a b c C Disela, C Glineur, T Bugge, J Sap, G Stengl, J Dodgson, H Stunnenberg, H Beug, M Zenke: v-erbA overexpression is required to extinguish c-erbA function in erythroid cell differentiation and regulation of the erbA target gene CAII. In: Genes & Development. Band 5, Nr. 11, November 1991, S. 2033–2047, doi:10.1101/gad.5.11.2033, PMID 1682217.
- ↑ a b c d K Briegel, KC Lim, C Plank, H Beug, JD Engel, M Zenke: Ectopic expression of a conditional GATA-2/estrogen receptor chimera arrests erythroid differentiation in a hormone-dependent manner. In: Genes & Development. Band 7, Nr. 6, Juni 1993, S. 1097–1109, doi:10.1101/gad.7.6.1097, PMID 8504932.
- ↑ a b c d K Briegel, P Bartunek, G Stengl, KC Lim, H Beug, JD Engel, M Zenke: Regulation and function of transcription factor GATA-1 during red blood cell differentiation. In: Development. Band 122, Nr. 12, 1. Dezember 1996, S. 3839–3850, doi:10.1242/dev.122.12.3839, PMID 9012505.
- ↑ a b c G Boehmelt, J Madruga, P Dörfler, K Briegel, H Schwarz, PJ Enrietto, M Zenke: Dendritic cell progenitor is transformed by a conditional v-Rel estrogen receptor fusion protein v-RelER. In: Cell. Band 80, Nr. 2, 27. Januar 1995, S. 341–52, doi:10.1016/0092-8674(95)90417-4, PMID 7834754.
- ↑ a b B Panzenböck, P Bartunek, MY Mapara, M Zenke: Growth and Differentiation of Human Stem Cell Factor/Erythropoietin-Dependent Erythroid Progenitor Cells In Vitro. In: Blood. Band 92, Nr. 10, 15. November 1998, S. 3658–3668, doi:10.1182/blood.V92.10.3658, PMID 9808559.
- ↑ a b C Hacker, RD Kirsch, XS Ju, T Hieronymus, TC Gust, C Kuhl, T Jorgas, SM Kurz, S Rose-John, Y Yokota, M Zenke: Transcriptional profiling identifies Id2 function in dendritic cell development. In: Nature Immunology. Band 4, Nr. 4, April 2003, S. 380–6, doi:10.1038/ni903, PMID 12598895.
- ↑ Dr. Martin Zenke nimmt Ruf auf C4-Professur in Aachen an. Abgerufen am 23. Februar 2022.
- ↑ Martin Zenke: currently appointed professors RWTH 2003. RWTH Aachen, abgerufen am 26. April 2012.
- ↑ Zentrale Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES)
- ↑ B. Lewin: Genes IX. 2008, ISBN 978-0-7637-5222-4.
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- ↑ Sandra S. Diebold, Margaretha Kursa, Ernst Wagner, Matt Cotten, Martin Zenke: Mannose Polyethylenimine Conjugates for Targeted DNA Delivery into Dendritic Cells. In: Journal of Biological Chemistry. 274. Jahrgang, Nr. 27, Juli 1999, S. 19087–19094, doi:10.1074/jbc.274.27.19087, PMID 10383411.
Personendaten | |
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NAME | Zenke, Martin |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Biochemiker und Zellbiologe |
GEBURTSDATUM | 7. August 1953 |
GEBURTSORT | Korbach |