Mathias Schneider
Mathias Schneider (* 1834 vermutlich in Karlsdorf; † nach 1902) war ein ungarndeutscher Richter, der als Wortführer einer donauschwäbischen Deputation großen Anteil an der Auflösung der Banater Militärgrenze 1872/73 hatte. Er wurde 1871 in Karlsdorf (heute Banatski Karlovac, Gemeinde im Bezirk Južni) zum Richter gewählt und war dort nach dem Ende der Militärverwaltung bis 1875 die erste Person, die ein konstitutionelles Richteramt bekleidete.

Jugend
BearbeitenBereits in sehr jungen Jahren wurde Mathias Schneiders diplomatisches Geschick gerade in heiklen Konfliktsituationen deutlich. So gelang es ihm mittels einer List, seinen Vater vor der Gefangennahme durch serbische Truppen zu bewahren. Sein Vater, Franz Schneider, galt in Karlsdorf als Mann des Volkes. Dieser hatte 30 Schwarzenberger Ulanen bewirtet und stand deshalb als Freund der Ungarn im Ruf, mit denen sich die Serben in einer Reihe von militärischen Auseinandersetzungen befanden. Am 2. Juli 1848 zog von Alibunar aus eine größere serbische Truppe gegen Karlsdorf, um Franz Schneider deshalb gefangen zu nehmen. Franz Schneider war gewarnt, konnte sich rechtzeitig auf dem Dachboden verstecken und sein 14-jähriger Sohn Mathias empfing die serbischen Militärs, zumal er sie als Alibunarer Schüler persönlich kannte. Er log die Soldaten an, sein Vater sei nach Wertschetz gereist und könne jeden Augenblick zurückkommen. Unter diesem Vorwand bewirtete er die Serben taktisch mit Speck und einer beträchtlichen Menge Wein und da die Soldaten seinen Vater nicht finden konnten, ließen sie diesem ausrichten, er solle in Zukunft keine Ungarn mehr bewirten. Danach konnten die Soldaten gesichtswahrend nach Alibunar zurückkehren.[1]
Politische Betätigung im Auftrag der österreichisch-ungarischen Krone
BearbeitenDie Banater Militärgrenze wurde 1871/72 nicht ohne den Unmut der Teile der Bevölkerung, die einen Verlust ihrer Privilegien fürchteten, aufgelöst. Anzunehmen ist allerdings, dass etliche Einwohner des Grenzgebiets unter dem nach der Ungarische Revolution 1848/1849 eingeführten strengen Regiment der Militärverwaltung litten. So öffnete das spezielle Militärstrafrecht der Region willkürlichen und raschen Gerichtsurteilen Tür und Tor; Petitionen waren zudem nur in mündlicher Form zugelassen. Geldstrafen als mildere Strafmaßnahmen gab es nicht, dafür nur Haft- und Körperstrafen. Der Delinquent wurde nach erfolgtem Urteil sogleich von einer Patrouille abgeführt. Kerker- oder Todesstrafen mussten hingehen vom Kriegsministerium in Wien bestätigt werden. Trotz der Militärstrafgesetzgebung wurden die Richter der Gemeinden von der Bevölkerung gewählt. So wurde Mathias Schneider 1871 unter den noch alten gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Richter in Karlsdorf und war nicht zuletzt als Mann in seinen Dreißigern prädestiniert dafür, das junge Gesicht für den angedachten Wandel zu sein.
Um die beschlossene Auflösung der Militärgrenze zu proklamieren, reiste am 12. Mai 1872 Kaiser Franz Joseph I. in Begleitung der Grafen Menyhért Lónyay, Ministerpräsident Ungarns, und Gedeon Ráday sowie mit Ferenc Deák und Sigismund Ormós persönlich nach Weisskirchen, wo ihn der königliche Kommissär Freiherr Anton von Scudier empfing. Der Hintergrund für den royalen Auftritt scheint der Widerstand innerhalb der Grenzoffizierskreise gegen die Vollstreckung der Auflösungsverordnung gewesen zu sein. Zumindest war Franz Joseph I. zu Ohren gekommen, dass die Bevölkerung der Grenzregion gegen eine Auflösung der Militärgrenze sei, weshalb er mit dieser in Kontakt kommen wollte. Die unzufriedenen Offiziere beabsichtigten infolgedessen gar, die serbische Bevölkerung dazu zu bewegen, eine größere Deputation vor dem Monarchen erscheinen zu lassen, um das Vorhaben zu verhindern. Scudier behalf sich vor diesem Hintergrund damit, selbst eine Deputation von 24 Karlsdorfer Landwirten zu schicken und Schneider als deren Wortführer einzusetzen.
Als die festlich gekleidete Deputation am 12. Mai 1872 zum Aufenthaltsort des Kaisers aufgebrochen war, soll es zu emotionalen Szenen gekommen sein. Beim Pulverturm der Stadt Weisskirchen hatten 30–40 Offiziere Stellung genommen, um die Deputation banater Schwaben notfalls mit Gewalt aufzuhalten. Der das Militär kommandierende General zwang Schneider dazu, vom Wagen abzusteigen und forderte den Richter mit Nachdruck dazu auf, für ein Fortbestehen der Militärgrenze einzutreten. Hierfür wollte der General dem Richter sogar die Worte der Rede, die Schneider vor dem Monarchen halten sollte, in den Mund legen. Schneider solle beim Kaiser deutlich machen, dass bei einer Auflösung der Militärgrenze ansonsten „Blut für Blut fliessen“ würde und die Leute des Generals dennoch Soldaten bleiben würden. Nachdem Schneider den General angehört hatte, entgegnete der Richter der Überlieferung zufolge mit Verve: „Nein! Die Militär-Herrschaft muss ein Ende nehmen!“ Offenbar hatte dies Eindruck gemacht und so soll der General seinen Federhut auf den Boden geworfen haben, sodass die Deputation trotz der sich zum Kampf bereitmachenden Offiziere unbehelligt passieren konnte.
Vor dem Weisskirchener Stadthaus, wo sich bereits eine große Menschenmenge versammelt hatte, konnte nun die Proklamation über die Auflösung der Militärgrenze erfolgreich vollzogen werden, indem Schneider im Dialog mit dem Kaiser eine Rede hielt. Scudier wurde nun mit der Abwicklung der Militärgrenze betraut, pensionierte oder versetzte die Offiziere, zog die Waffen der Grenzer ein und hob die Militärverwaltung auf. Schneider – fortan konstitutioneller Richter – wurde vom Kaiser für sein Engagement bei der Auflösung der Banater Militärgrenze auf Scudiers Vorschlag hin mit dem „Goldenen Verdienstkreuz mit der Krone“ ausgezeichnet. [2]
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Zur anekdotischen Überlieferung der jugendlichen Schläue von Mathias Schneider vgl. Ludwig Szmida: Geschichte der Grossgemeinde Karlsdorf im Temeser Comitate. Herausgegeben von der Karlsdorfer Gemeinde. Temesvar. Buchdruckerei J. Osendes 1902, S. 38.
- ↑ Die Proklamation der Militärgrenzauflösung ist im Wortlaut überliefert. Mathias Schneider: „Kaiserliche und königliche Majestät! In Vertretung der deutschzungigen Inwohner der Militär-Grenze, erscheine ich vor dem hohen Angesicht Euerer Majestät, um mich für das grosse Werk der Neuorganisierung der Militär-Grenze und die allergnädigste Aufhebung der Militär-Verwaltung zu bedanken, fernerhin werden wir Euerer Majestät noch treuer sein, als wir bisher waren!“ Worauf Seine Majestät dieses antwortete: „Ja, es geschah mit Meiner Einwilligung, Ich versichere Meine Unterstützung und Meinen Schutz dem Volke dieser Gegend fernerhin in noch grösserem Masse.“ Ludwig Szmida: Geschichte der Grossgemeinde Karlsdorf im Temeser Comitate. Herausgegeben von der Karlsdorfer Gemeinde. Temesvar. Buchdruckerei J. Osendes 1902. S. 46f; (Kapitel: Die Auflösung der Militärgrenze) S. 47–50.
Personendaten | |
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NAME | Schneider, Mathias |
KURZBESCHREIBUNG | ungarndeutscher Richter |
GEBURTSDATUM | 1834 |
GEBURTSORT | Karlsdorf |
STERBEDATUM | nach 1902 |