Mathieu Carrière

deutscher Schauspieler und Autor
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Mathieu Carrière (* 2. August 1950 in Hannover) ist ein deutscher Schauspieler und Autor. In seiner über fünf Jahrzehnte währenden Karriere war er in über 200 Kino- und Fernsehfilmen sowie zahlreichen Serien und Theaterstücken zu sehen. Als geschätzter Charakterdarsteller des internationalen Films arbeitete Carrière mit wichtigen und bekannten Regisseuren seiner Zeit zusammen, darunter Éric Rohmer, Werner Schroeter, Volker Schlöndorff und Marguerite Duras. Zu seinen Filmpartnerinnen gehörten Brigitte Bardot, Romy Schneider, Isabelle Huppert und Claudia Cardinale. Wegen seiner bisweilen provokanten Ansichten wird Mathieu Carrière als polarisierende Gestalt des öffentlichen Lebens in Deutschland wahrgenommen, und über sein Privatleben wird von der Boulevardpresse ausgiebig berichtet.

Mathieu Carrière (2017)
 
Mathieu Carrière (2004)

Mathieu Carrière wuchs in Ilten bei Hannover[1], in Berlin und ab 1962 in Lübeck auf. Seine Eltern waren der Neurologe und Psychiater Bern Carrière und Jutta Carrière, geb. Mühling (1920–2012). Der Name der deutschen Familie ist hugenottischen Ursprungs.[2] Mit 17 Jahren kam Carrière auf ein Jesuiteninternat im bretonischen Vannes. Von 1969 bis 1979 studierte er Philosophie in Paris bei Gilles Deleuze und veröffentlichte zum Abschluss ein Buch über Heinrich von Kleist.[3]

Carrière verlor früh seinen zwei Jahre jüngeren Bruder Till, einen Theaterschauspieler, der seinem Leben im Alter von 26 Jahren durch Suizid ein Ende setzte. Seine Schwester Mareike Carrière, die einem Krebsleiden erlag, war ebenfalls Schauspielerin und gelegentlich an der Seite ihres Bruders vor der Kamera zu sehen. Mathieu und sein Cousin Justus Carrière begleiteten Mareike während ihres Lebensendes intensiv.

Der junge Carrière sammelte seine erste Bühnenerfahrung als Emil in einer Dramatisierung von Erich Kästners Emil und die Detektive auf der Schulbühne des Lübecker Gymnasiums Katharineum. Mit fast 14 Jahren gab er in Rolf Thieles Thomas-Mann-Verfilmung Tonio Kröger als Titelheld sein Leinwanddebüt, 1966 machte ihn die Titelrolle in der Literaturverfilmung Der junge Törless, Volker Schlöndorffs Debütfilm nach Robert Musil, international bekannt. Wiederum zwei Jahre später begann Carrière seine umfangreiche Filmkarriere und drehte oft drei bis fünf, später noch mehr Filme jährlich, darunter fast zwei Jahrzehnte vorrangig französische Produktionen. Nach dem homoerotisch geprägten Historienfilm Pforten des Paradieses aus dem Jahre 1968 unter der Regie von Andrzej Wajda folgten Hauptrollen in künstlerisch anspruchsvollen Werken wie dem schwer zugänglichen Malpertuis von Harry Kümel an der Seite von Orson Welles und in zwei Filmen von Marguerite Duras, India Song (1975) und Le navire Night (1979). Hervorgehoben werden müssen daneben Ein wildes Leben von Roger Vadim, das Carrières Image des dekadenten und erbarmungslosen Teutonen festigte, und der indizierte Slasher Die Hinrichtung aus dem Jahr 1976, in dem er einen Massenmörder verkörperte. In seiner Zeit in Paris trat Carrière nebenher im Alcazar de Paris als Travestiekünstler auf, strippte zu Monologen aus Shakespeares Hamlet und sang Lieder von Zarah Leander.[4]

Der Fangschuss nach Marguerite Yourcenar hatte Carrière 1976 wieder mit Volker Schlöndorff zusammengeführt. Bald darauf verbuchte er in Deutschland immer größere Erfolge, so mit der Hauptrolle in der hochkarätigen Fernsehserie Ein Mann will nach oben nach Hans Fallada. Erwähnenswerte Filme der 1980er Jahre sind Egon Schiele – Exzesse neben Jane Birkin, Die Spaziergängerin von Sans-Souci, in dem letztmals Romy Schneider auftrat, und der mit dem bundesdeutschen intellektuellen Zeitgeist jener Tage erfüllten Erfolgsfilm Die flambierte Frau von Robert van Ackeren. Hier spielte Carrière an der Seite von Gudrun Landgrebe einen Gigolo und Verführer – ein Part, der sein Rollenfach in Deutschland für die folgenden zehn Jahre prägen sollte. Nebenher war er in exzentrischen, kaum bekannten Independent-Produktionen zu sehen, mit denen er dem Rollentypus des Schönlings zu entkommen versuchte, und trat in exponierten Episodenrollen der Serien Derrick und Der Alte auf. Seine Engagements führten ihn im Lauf der Zeit u. a. auch nach Polen (Blutiger Schnee), Finnland (Angelas krig), Kanada (The Bay Boy) und die USA (Serien wie Spenser und Zurück in die Vergangenheit). Um 1990 war er besonders oft in spanischen Produktionen zu sehen, darunter 1988 als gewissenloser Killer in der Gewaltorgie Lust am Töten mit Antonio Banderas und 1989 im Drama Una ombra en el jardi, das ihn als Bewohner eines mysteriösen Appartementhauses zeigte.

Nach der Wiedervereinigung trat Carrière im Film Rosamunde des DDR-Kultregisseurs Egon Günther auf, darauf folgte Malina nach dem Roman von Ingeborg Bachmann unter der Regie Werner Schroeters. Gemeinsam mit Burt Lancaster war er 1989 in der Großproduktion Die Verlobten zu sehen, 1992 an der Seite von Michael Douglas, Liam Neeson und Melanie Griffith in Wie ein Licht in dunkler Nacht, einem Spionage-Melodram, das im nationalsozialistischen Deutschland spielt, und in Christopher Columbus – Der Entdecker neben Marlon Brando. Daneben steigerte Carrière sein ohnehin beachtliches Arbeitspensum fürs Fernsehen enorm und wurde zu einem der gefragtesten TV-Darsteller der 1990er Jahre. Von 1992 bis 1995 war er in der idyllischen Familienserie Schloss Hohenstein zu sehen, danach gehörte er zur internationalen Darstellerriege der Mehrteiler Die Rückkehr des Sandokan (1996) und Prinzessin Amina (1997). Wichtige Auftritte hatte er zudem in Das Mädchen Rosemarie (1996) von Bernd Eichinger und als pädophiler Staatsanwalt im Kult-Tatort Manila.

Schon früh zeichnete sich Carrières Karriere durch Grenzverschiebungen und Experimentierlust aus. Einmal zugeschriebenen Stereotypen versuchte sich der Künstler gern zu entziehen und changierte seine Auftritte zwischen hochintellektuellem Kunstkino und seichter Unterhaltung. Seit Beginn des neuen Jahrtausends konnten die Filme, in denen er auftrat, aber nur selten die Qualität bisheriger Werke erreichen. Meist beschränkte Carrière sich hier auf prägnante Nebenrollen in Historien- oder Kriminalfilmen. Er war im Laufe der Zeit zudem Gaststar bei Utta Danella, Pfarrer Braun, Ein Fall für zwei, Unter uns, Rosenheim-Cops, Der Bulle von Tölz, Alarm für Cobra 11 und Dein Wille geschehe. Eine dauerhafte Rolle war der Robert Broda in der Telenovela Anna und die Liebe. Nebenher intensivierte er seine Theaterarbeit, ging mit Dieter Laser auf Tournee[5] und war in der Rolle des Ölbarons ein beliebter Star der Karl-May-Festspiele in Bad Segeberg.[6]

Seit etwa 2010 nahm Carrières Engagement im Unterhaltungsbereich stark zu. Bereits zuvor war er gelegentlich mit markanten, mitunter schroffen und streitbaren Auftritten in Talk- und Spieleshows wie Harald Schmidt und Zimmer frei! aufgefallen. Im April 2010 nahm er an der Tanzshow Let's Dance teil, schied jedoch bereits in der zweiten Folge aus,[7] und er war 2011 in der fünften Staffel Bewohner des RTL-Dschungelcamps in Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!, wo er den sechsten Platz erreichte. 2013 nahm er an der Doku-Soap Frauentausch teil und wechselte seinen Alltag mit dem ehemaligen Boxer René Weller, zudem war er beim Perfekten Promi-Dinner und der Promi-Shopping-Queen zu sehen. Dies alles wird von der Presse mitunter als Abstieg eines einstmals gefeierten Leinwandidols ähnlich dem Fall Helmut Berger interpretiert, während Carrière selbst auch und gerade dem Trash der Moderne viel abzugewinnen vermag.[8]

Carrière war mehrfach verheiratet und hat zwei Töchter: Alice Isabelle (* 1985 in den USA) aus seiner Ehe mit Jennifer Bartlett[9] und Elena (* 1996). Alice beschreibt ihren Vater als Grenzen missachtend und vermied 12 Jahre lang jeden Kontakt.[10] Er lebte jeweils viele Jahre in Paris, New York und Venedig. Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 2015 verlegte Carrière seinen Lebensmittelpunkt von Lübeck nach Hamburg-Ottensen[11][12] in eine Wohngemeinschaft,[13] in der von 2015[14] bis 2019 auch seine Tochter, Elena Carrière, lebte.[15][16]

Anlässlich seines 70. Geburtstags outete sich Carrière im Jahr 2020 in einem Interview als Transgender und erklärte, er wäre lieber als Frau geboren worden.[17][18]

Auszeichnungen

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1971 erhielt Carrière den Filmpreis von Karlovy Vary für Das Haus der Bories. Am 21. Juni 2002 empfing er die Ritterwürde der französischen Ehrenlegion für seine künstlerischen Verdienste.[19]

Gesellschaftliches Engagement

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Mathieu Carrière gehört zu den prominentesten Kritikern des deutschen Scheidungs- und Sorgerechts. Er beanstandet, dass das Wohlergehen des Kindes ausschließlich über die Mutter definiert werde, und fordert, Elternrechte nicht über das biologische Geschlecht, sondern die „Sorgefähigkeit“ zu bestimmen.[20] Unter anderem trat er in dieser Sache Anfang 2005 bei Domian im WDR auf. Dort vertrat er die Meinung, dass in Deutschland geltendes Recht Männer eindeutig benachteilige. Dies rühre von den Rollenbildern der Geschlechter aus der Zeit des Nationalsozialismus her. Er deutete auch an, selbst betroffen zu sein, machte aber keine Angaben zu Personen oder zum Familienstand.

Hintergrund ist ein jahrelanger andauernder Sorgerechtsstreit um seine jüngere Tochter Elena. Deren Mutter Bettina Proske habe ihm jahrelang das Besuchsrecht verweigert und ihn auf eine Unterhaltsfunktion und einen Wochenendvater reduziert. Im Jahr 2004 wurde Mathieu Carrière nach Klage von Proske zur Zahlung eines Ordnungsgeldes von 5.000 Euro verurteilt: Er habe nicht verhindert, dass die gemeinsame Tochter bei einem Zirkusbesuch von Reportern fotografiert worden sei. Aus Protest gegen die bestehende Gesetzeslage weigerte Carrière sich, die Summe zu zahlen, und saß dafür zehn Tage in Ordnungshaft.[20] Vor dem Untersuchungsgefängnis fand daraufhin eine Demonstration von etwa 200 Männerrechtlern in Häftlingskleidung statt.[21] Inzwischen ist das Verhältnis zwischen Carrière und Proske wieder entspannt.[22]

In den Bundestagswahlkämpfen 2005 und 2009 unterstützte Carrière Die Linke.

Filmografie (Auswahl)

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Kinofilme

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Fernsehproduktionen

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  • 1973: Alcazar de Paris (Co-Regie)
  • 1989: Zugzwang

Veröffentlichungen

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  • Für eine Literatur des Krieges, Kleist. Essay. Stroemfeld/Roter Stern, Basel und Frankfurt 1981, ISBN 3-87877-151-7.
  • Wilde Behauptung: Jennifer Bartlett und die Kunst. Gespräch. Boer, München 1994, ISBN 3-924963-61-4.
  • Im Innern der Seifenblase. Roman. Frankfurter Verl.-Anst., Frankfurt 2011, ISBN 978-3-627-00174-2.

Hörspiele und Hörbücher

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Literatur

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  • Rolf Aurich, Susanne Fuhrmann, Pamela Müller (Red.): Lichtspielträume. Kino in Hannover 1896–1991. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Theater am Aegi vom 6. Oktober bis zum 24. November 1991. Gesellschaft für Filmstudien, Hannover 1991, S. 152 f.
  • Hermann J. Huber: Langen Müller’s Schauspielerlexikon der Gegenwart. Deutschland. Österreich. Schweiz. Albert Langen • Georg Müller Verlag GmbH, München • Wien 1986, ISBN 3-7844-2058-3, S. 146 f.
  • C. Bernd Sucher (Hg.): Theaterlexikon. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker. Von Christine Dössel und Marietta Piekenbrock unter Mitwirkung von Jean-Claude Kuner und C. Bernd Sucher. 1995, 2. Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1999, ISBN 3-423-03322-3, S. 108.
  • Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 1: A – C. Erik Aaes – Jack Carson. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 696 f.
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Commons: Mathieu Carrière – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Schauspieler Mathieu Carrière: „Es tut mir leid“. In: Hamburger Abendblatt, 28. Januar 2011.
  2. Mathieu Carrière im Munzinger-Archiv, abgerufen am 23. März 2024 (Artikelanfang frei abrufbar)
  3. Hanns-Josef Ortheil: Ein ahnungsvoller Essay: Kleist, das Geheimnis. In: Die Zeit. 21. August 1981, abgerufen am 13. März 2020.
  4. Schämen Sie sich manchmal für Ihren Bruder, Mareike Carrière? Und Sie, Herr Carrière, beneiden Sie Ihre skandalfreie Schwester? Abgerufen am 13. März 2020.
  5. Brigitte Scholz: Kammerspiele: Schräge Komödie über Kerle: „Unsere Frauen“. 27. Oktober 2014, abgerufen am 13. März 2020.
  6. Burkhard Maria Zimmermann: "Old Surehand": Zum Schießen. In: Die Zeit. 3. Juli 2017, abgerufen am 13. März 2020.
  7. „Let´s Dance“ bei RTL: Mathieu Carrière ausgeschieden – Hillu Schwetje konnte nicht antreten (Memento vom 18. April 2010 im Internet Archive)
  8. Christian Buß: Skandalmaschine Mathieu Carrière: Ein Mann zieht blank. In: Der Spiegel. Abgerufen am 13. März 2020.
  9. From Paris to the West Village, a Memoir of Privilege and Pain, New York Times vom 28. August 2023, abgerufen am 29. August 2023
  10. Poured Over: Alice Carrière on Everything/Nothing/Someone, abgerufen am 29. August 2023
  11. Schauspieler Mathieu Carrière nach Trauerzeit wieder auf der Bühne. Abgerufen am 15. September 2022.
  12. Mathieu Carriere Media GmbH Werbeagentur Hamburg Ottensen - hamburg.de. Abgerufen am 15. September 2022.
  13. Süddeutsche Zeitung: Mathieu Carrière: Klare Regeln für WG-Partys. Abgerufen am 13. März 2020.
  14. Elena Carrière. Abgerufen am 15. September 2022.
  15. "Zwischen uns gibt es kein heimlich". Abgerufen am 15. September 2022.
  16. „Keinen Bock auf Konsumwelt“: Hamburger Model beendet Karriere und hat schon neue Pläne. In: MOPO. 2. September 2020, abgerufen am 15. September 2022.
  17. Stern online: Mathieu Carrière: "Ich wäre lieber als Frau geboren worden"
  18. Queer.de Mathieu Carrière: „Ich fühle mich schon lange innerlich als Frau“
  19. Maike Schiller: Carrière zum Ritter geschlagen. In: Hamburger Abendblatt. 21. Juni 2002, abgerufen am 2. Dezember 2012.
  20. a b Focus: Sorgerecht. Väter an die Front (Memento vom 3. Dezember 2013 im Internet Archive), 1. Dezember 2003, abgerufen am 1. Dezember 2012
  21. Focus: Sorgerechtsstreit. Haft wegen eines Fotos mit der Tochter, 29. November 2004, abgerufen am 1. Dezember 2012
  22. „Zwischen uns gibt es kein heimlich“, www.gala.de vom 12. Juni 2017, abgerufen am 27. September 2018
  23. http://www.filmstarts.de/kritiken/203818.html