Mesodinium chamaeleon
Mesodinium chamaeleon ist ein Art (Spezies) von Wimpertierchen aus der Gattung Mesodinium.[1][2] Die Art wurde, wie von Øjvind Moestrup et al. im Januar 2012 veröffentlicht, in 2007–2009 genommenen Proben aus den flachen Gewässern des Öresunds vor der Küste von Nivå (Dänemark) entdeckt.
Mesodinium chamaeleon | ||||||||||||
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Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Mesodinium chamaeleon | ||||||||||||
Moestrup, Garcia-Cuetos, Hansen & Fenchel, 2012[1] |
Beschreibung
BearbeitenDie Einzeller von M. chamaeleon enthalten immer drei (eigene) Zellkerne: zwei Makronuclei, die den einzigen Mikronucleus dicht umgeben.[3]
Die Bewimperung (Ziliatur) besteht aus zwei durch ein äquatoriales Band voneinander getrennten Teilen. Es gibt sowohl in Längsreihen angeordnete Dikinetiden[A. 1] als auch Zirren,[A. 2] die Polykinetiden von sehr speziellem Aufbau sind. Eines der ungewöhnlichsten Merkmale der Ziliatur sind zwei Paare „nackter“ Basalkörper, d. h. Basalkörper, die kein emergentes Axonem haben und mit dem zellmundseitigen (oralen) Ende jeder Dikinetidenreihe verbunden sind. Diese nackten Basalkörper haben eine Länge von nur 0.13–0.14 μm, weniger als ihr Durchmesser. Eine genaue Beschreibung mit weiteren Strukturen der Zellen („Tentakeln“[A. 3] etc.) findet sich bei Moestrup et al. (2012).[3]
Ernährungsweise
BearbeitenM. chamaeleon lebt mixotroph: Der Einzeller verleibt sich rote und grüne Kryptomonaden (Mikroalgen[A. 4]) ein, aber ohne diese zunächst abzubauen (zu verdauen). Stattdessen bleiben deren Organellen (insbesondere die Chloroplasten) tage- und wochenlang erhalten, währenddessen sie vom M. chamaeleon zur Energiegewinnung und Photoassimilation genutzt werden, wodurch dieser von einem heterotrophen zu einem autotrophen Organismus wird. Es bildet sich auch keine dauerhafte Endosymbiose, denn nach dieser Zeit werden die aufgenommenen Mikroalgen dann doch abgebaut.[3]
Im Gegensatz zu einigen anderen Arten der Gattung Mesodinium kann M. chamaeleon nur für kurze Zeit in Kultur gehalten werden (etwa mit Chroomonas vectensis als Beute gefüttert[A. 5]). Es fängt und verschluckt verschiedene Flagellaten, darunter auch Kryptomonaden. Die Beute wird sehr schnell in eine Nahrungsvakuole aufgenommen, ohne dass die Geißeln der Kryptomonaden abgestoßen und die Trichozysten ausgeschieden werden. Die einzelnen Nahrungsvakuolen dienen anschließend als photosynthetische Einheiten, die jeweils den Chloroplasten der Kryptomonaden, einen Zellkern und einige Mitochondrien enthalten. Der Rest der aufgenommenen Zellen wird sofort verdaut, so auch mit (Verzögerung) schließlich der Inhalt der Nahrungsvakuolen. Diese Art der Symbiose unterscheidet sich von anderen plastidentragenden Mesodinium-Arten, die ihre gefangenen Zellen entweder für lange Zeit behalten oder sofort verdauen. Die Ernährungsstrategie von M. chamaeleon scheint daher zwischen heterotrophen Arten wie Mesodinium pulex und Mesodinium pupula einerseits und Arten mit roten Kryptomonaden-Endosymbionten wie Mesodinium rubrum zu liegen,[3] wodurch diese im Laufe der Evolution in Zukunft einmal zu komplexen Chloroplasten (sekundäre bzw. tertiäre Endosymbiose) werden könnten.
Nahrungsvakuolen
BearbeitenIn den Zellen von M. chamaeleon gibt es drei Typen von Nahrungsvakuolen:[3]
- Der erste Typ enthält komplette Kryptomonaden, einschließlich ihrer Geißeln, der Zell-Periplasten, sämtlicher Trichozysten,[A. 6] des Zellkerns, des Golgi-Apparats und anderer Organellen.
- Der zweite Typ enthält hauptsächlich den Chloroplasten und den Zellkern der Kryptomonaden. Die Chloroplasten in diesen Zellen erscheinen wie „aufgequollen“, sie enthalten große Mengen an Reservestoffen (Speichermaterial).
- Der dritte Typ ähnelt dem einer gewöhnlichen typischen Nahrungsvakuole, in der der Inhalt gerade verdaut wird oder wurde und enthält daher weniger definiertes Material.
Bakterielle Endosymbionten
BearbeitenM. chamaeleon beherbergt bakterielle Endosymbionten, die in Dünnschliffen sehr häufig zu erkennen sind. Sie befinden sich immer in Vakuolen. Diese Bakterien erscheinen lebendig und gesund, gelegentlich kann man auch sich teilende Exemplare erkennen. Moestrup et al. (2012) fanden keine Verdauungsreste von Bakterien. All dies spricht für eine Endosymbiose mit den Bakterien, die offenbar nicht als Nahrung dienen.[3]
Etymologie
BearbeitenDas Art-Epitheton leitet sich ab von lateinisch chamaeleōn,[7] ursprünglich altgriechisch χαμαιλέων chamailéōn, deutsch ‚Erdlöwe‘.[8] Letzteres ist eine Zusammenziehung von χαμαί chamaí, englisch on the ground deutsch ‚am Boden‘[9] (übertragen ‚klein‘[3]) und λέων léōn, deutsch ‚Löwe‘.
Die Bezeichnung ist offensichtlich eine Anspielung darauf, dass ein einzelner Organismus seine Farbe (zwischen rot und grün) wechseln kann, je nachdem, welche Kryptomonaden zuletzt einverleibt wurden. Dies erinnert an die Fähigkeit zum Farbwechsel bei den Chamäleons (mit derselben Etymologie).
Anmerkungen
Bearbeiten- ↑ Meistens sind die Zilien von Wimpertierchen in Mono- und/oder Dikinetiden angeordnet, die jeweils ein bzw. zwei Kinetosomen (Basalkörper) besitzen, von denen jedes ein Zilium tragen kann. Diese sind in Reihen angeordnet, die Kinetien (englisch kineties, Einzahl kinety) genannt werden.
- ↑ Zirren sind borstenartig miteinander verbundene Wimpern bei Wimpertierchen.
- ↑ Mesodinium-Arten besitzen eine besondere Art von Anhängseln, Tentakeln genannt, die von anderen Protisten nicht bekannt sind.[3]
- ↑ englisch red and green algae meint hier keine Rot- oder Grünalgen
- ↑ Kryptomonaden, die M. chamaeleon als Nahrung dienen können sind nach Moestrup et al. (2012) – mit Beispiels-Stämmen:
- Chroomonas vectensis CCMP-432 – grün[4]
- Guillardia theta CCMP-2712 – rotbraun[5]
- Hemiselmis tepida CCMP-442 – grün[4]
- Proteomonas sulcata CCMP-321 – rot[6]
- Teleaulax amphioxeia K-0434 (SCCAP) – rot[4]
- ↑ der kleinen Trichozysten der Periplasten und der größeren Trichozysten des Schlunds
Literatur
Bearbeiten- Lydia Garcia-Cuetos, Øjvind Moestrup, Per J. Hansen: Studies on the Genus Mesodinium II. Ultrastructural and Molecular Investigations of Five Marine Species Help Clarifying the Taxonomy. In: Journal of Eukaryotic Microbiology, Band 59, Nr. 4, Juli 2012, S. 374–400, doi:10.1111/j.1550-7408.2012.00630.x, PMID 22708786, ResearchGate:227340759 (englisch).
- Matthew D. Johnson: Acquired Phototrophy in Ciliates: A Review of Cellular Interactions and Structural Adaptations. In: The Journal of Eukaryotic Microbiology. 58. Jahrgang, Nr. 3, 21. April 2011, ResearchGate:51075059, S. 185–195, doi:10.1111/j.1550-7408.2011.00545.x, PMID 21518077 (englisch).
- Matthew D. Johnson, David J. Beaudoin, Aitor Laza-Martinez, Sonya T. Dyhrman, Elizabeth Fensin, Senjie Lin, Aaron Merculief, Satoshi Nagai, Mayza Pompeu, Outi Setälä, Diane K. Stoecker: The Genetic Diversity of Mesodinium and Associated Cryptophytes. In: Frontiers in Microbiology, Band 7, 20. Dezember 2016, Sec. Aquatic Microbiology, S. 2017; doi:10.3389/fmicb.2016.02017, PMC 5168500 (freier Volltext), PMID 28066344, ResearchGate:311765137 (englisch).
- Holly V. Moeller, Matthew D. Johnson: Preferential Plastid Retention by the Acquired Phototroph Mesodinium chamaeleon. In: Journal of Eukaryotic Microbiology, Band 65, Nr. 2, März/April 2018, S. 148–158; doi:10.1111/jeu.12446, PMID 28710891, ResearchGate:318448793, Epub: 15. Juli 2017.
- Holly V. Moeller, Veronica Hsu, Michelle Lepori-Bui, Lisa Y. Mesrop, Cara Chinn, Matthew D. Johnson: Prey type constrains growth and photosynthetic capacity of the kleptoplastidic ciliate Mesodinium chamaeleon (Ciliophora). In: Journal of Phycology, Band 57, Nr. 3, Juni 2021, S. 916–930; doi:10.1111/jpy.13131, PMID 33454988, ResearchGate:348561343, Epub 9. Mai 2021/First published: 17. Januar 2021 (englisch).
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b WoRMS: Mesodinium chamaeleon Moestrup, Garcia-Cuetos, Hansen & Fenchel, 2012 (Species).
- ↑
NCBI Taxonomy Browser: Mesodinium chamaeleon Van As, Basson & Van As, 1998 (species). Dazu:
- NCBI Nucleotide: Mesodinium chamaeleon voucher ZMUC:CAT-2469 …, Accession: JN084213.
- NCBI Taxonomy Browser: Dysteria brasiliensis Van As, Basson & Van As, 1998 (species).
- ↑ a b c d e f g h i
Øjvind Moestrup, Lydia Garcia-Cuetos, Per Juel Hansen, Tom Fenchel: Studies on the Genus Mesodinium I: Ultrastructure and Description of Mesodinium chamaeleon n. sp., a Benthic Marine Species with Green or Red Chloroplasts. In: Journal of Eukaryotic Microbiology, Band 59, Nr. 1, Januar-Februar 2012, S. 20–39; doi:10.1111/j.1550-7408.2011.00593.x, PMID 22221919, ResearchGate:221726330, Epub 5. Januar 2012 (englisch). Dazu:
- Michael Marshall: Zoologger: Unique life form is half plant, half animal. NewScientist, 13. Januar 2012 (englisch).
- Mesodinium Chamaeleon Is A Unique Life Form That is Half Plant Half Animal. Auf: SciTechDaily vom 15. Januar 2012 (englisch).
- ↑ a b c Miran Kim, Myung Gil Park: Unveiling the hidden genetic diversity and chloroplast type of marine benthic ciliate Mesodinium species. In. Scientific Reports, Band 9, Nr. 14081, 1. Oktober 2019; doi:10.1038/s41598-019-50659-2 (englisch).
- ↑ https://www.algaebase.org/search/genus/detail/?genus_id=45028 Guillardia D.R.A.Hill & R.Wetherbee, 1990] (Genus).
- ↑ Proteomonas sulcata CCMP 1175 (a.k.a. Mel-060). US Department of Energy (DOE), Joint Genome Institute (JGI), PhycoCosm – The Algal Genomics Resource (jgi.doe.gov).
- ↑ chamaeleon. Charlton T. Lewis and Charles Short. A Latin Dictionary on Perseus Project.
- ↑ χαμαιλέων. Henry George Liddell, Robert Scott: A Greek–English Lexicon at the Perseus Project.
- ↑ χαμαί. Henry George Liddell, Robert Scott: A Greek–English Lexicon at the Perseus Project.