Das Mikrowellenlandesystem (MLS), engl. Microwave Landing System, ist ein von der International Civil Aviation Organization (ICAO) seit 1983 in Annex 10 Vol.I[1] Nr. 3.11 standardisiertes Flugnavigations-System für Präzision Anflug- und Landung von Luftfahrzeugen auf mit MLS ausgerüsteten Landebahnen (RWY, en. Runway). Das MLS System arbeitet im von der ITU (en. International Telecommunication Union) weltweit exklusiv dem ARNS (Aeronautical Radio Navigation Service, dt. Flugnavigationsfunkdienst) zugewiesenen Frequenzbereich 5000 MHz bis 5150 MHz[2],[3]. MLS war als Nachfolgesystem zum Instrumentenlandesystem (engl. Instrument Landing System, ILS) vorgesehen. Ein ILS besteht aus einem Landeskursender (engl. Localizer, ILS-LLZ) der im Frequenzberereich zwischen 108,100 MHz und 111,950 MHz arbeitet. Er ist frequenzgepaart mit einem Gleitwegsender (engl. Glide Path, ILS-GP), der im aeronautischen UHF-Frequenzband 329–335 MHz arbeitet.

MLS: Azimuth-Guidance- Anlage
MLS: Elevation-Guidance Anlage

Die Entscheidung zur Empfehlung des Ersatzes von ILS durch MLS wurde von der International Civil Aviation Organization (ICAO) 1995 ausgesetzt, da GPS-basierte Systeme, wie das Ground Based Augmentation System (GBAS)[4] Nr. 3.7.3.5. im VHF-Frequenzband 108 MHz bis 117,950 MHz eine kostengünstigere Alternative versprachen[3]. Gegenüber dem Instrumentenlandesystem bietet das MLS primär den Vorteil, dass Anflugkurs und Gleitwegebene frei wählbar sind. Somit sind auch segmentierte Anflugwege (Segmented Approaches) oder gekrümmte Anflugwege (Curved Approaches) möglich.

Geschichte

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Das Instrument-Landing-System (ILS) bietet keine Möglichkeiten zur Etablierung moderner Anflugverfahren aufgrund von Beschränkung des System-Designs, diese sind z. B. :

  • es steht nur ILS-Glide-Path (ILS-GP) mit einem Erhebungswinkel um die 3°, bis zu einer Reichweite von bis zu 10 NM zur Verfügung- der nur innerhalb von ±8° von der vom ILS-GP Sender verlängerten Anfluggrundlinie genutzt werden kann.[4] Att.C Fig.C-10 Eine Ausnahme bilden in Deutschland einige ILS-GP die bis zu 15 NM nutzbar sind, z. B. in Frankfurt
  • die Einschränkung ist darin begründet, dass das Gelände vor der ILS-GP Antenne als reflektierende Fläche zur Erzeugung des ILS-GP Signale im Anflugbereich benötigt wird. Je nach Geländeprofil und Oberfläche, oder bei Schnee kann eine nicht möglich sein.
  • es stehen weltweit nur 40 ILS-Kanäle zur Verfügung, die alle mit DME/N oder TACAN frequenzgepaart sind. Es folgen auf 2 ILS-Kanäle mit DME/N oder TACAN frequenzgepaarte Kanäle zwei VOR-Kanäle die auch mit DME/N oder TACAN frequenzgepaarte sind. Aufgrund der seit Jahrzehnten starken Nutzung des VHF- und des UHF Bandes, und da bereits koordinierte und sich in Betrieb befindliche Flugnavigationsanlagen einen Schutzanspruch genießen, lässt sich der immer noch anhaltende Bedarf an ILS, VOR, DME und TACAN, sowie frequenzgepaarte ILS/DME, (D)VOR, (D)VOR/DME und (D)VORTAC Anlagen nicht immer befriedigen. So werden derzeit in Frankfurt 8 ILS/DME-Anlagen betrieben.

Bis ungefähr 1970 wurden um die 50 verschiedene Systeme zur möglichen Nachfolge vom ILS-System untersucht. ICAO beschloss aber das ein weltweit nutzbares Nachfolgesystem im Mikrowellenbereich arbeiten soll. Es verblieben nur zwei Kandidaten, von dem in 1978 von ICAO das TRSB (Time Reference Scanning Beam) Verfahren akzeptiert, welches von den USA und Australien vorgeschlagen wurde.[5]

Funktionsweise

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Je ein eng gebündelter Antennenkeule schwenkt (en. scant) über den definierten Anflugbereich in horizontaler und vertikaler Ebene. Der MLS-Empfänger im Luftfahrzeug stellt durch die übertragene Zeitinformation fest, wann er von dem bodenseitigen Sender erfasst wird.

Für eine genauere Messung der Schrägentfernung (Slant Range Distance) gegenüber den bereits standardisierten und genutzten DME/N und TACAN wurde das Distance Measuring Equipment/Precision (DME/P) entwickelt, damit zusammen mit der vom MLS gelieferten Information eine ausreichend genaue Bestimmung der Position eines Luftfahrzeuges im Raum möglich ist. MLS und DME/P kombiniert werden als MLS/DME bezeichnet. DME/P-Transponder beinhalten auch die Funktionalität von DME/N- und TACAN-Transpondern und antworten auf Abfragen von DME/N und TACAN-Interrogatoren auf x- und y-Pulse-Code Kanälen. DME/N- und TACAN-Interrogatoren können jedoch nicht DME/P Transponder auf w- oder z-Pulse-Code Kanälen abfragen, noch auf x- und y-Pulse-Code Kanälen den Precision Code aktivieren und daher nicht die verfügbare höhere Genauigkeit im DME/P IA- und FA-APP nutzen. DME/P antworten im IA- und FA-APP nur dann im Precision Mode, wenn die Abfrage durch einen DME/P Interrogator erfolgt. Die höhere Präzision des DME/P Replies resultiert u. a. aus engeren Toleranzen und einer modifizierten Pulsform die einen schnelleren Pulsanstieg für die ausgesendeten Pulse nutzt.[4] Nr. 3.11

Anhand der Präambel wie auch andere allgemeingültiger Daten, die in alle Richtungen abgestrahlt werden, ist der Startzeitpunkt bekannt. Der Empfänger errechnet aus den Zeitintervallen zwischen vor- und zurücklaufendem Strahl die Position zur Landebahn bzw. zum definierten Gleitweg (ähnlich Gleitweg des Instrumentenlandesystems). Über die Azimutantenne werden zusätzlich Daten (Azimuth Track, minimaler Anflugwinkel, zusätzlich z. B. Beschaffenheit der Landebahn, Windscherung oder Wetter) übermittelt.

Frequenzzuweisung und Kanäle

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MLS werden im Frequenzband 5.000 MHz bis 5.150 MHz (siehe auch Abschnitt Frequenzen) betrieben der von der ITU (en. International Telecommunication Union) weltweit exklusiv dem ARNS (Aeronautical Radio Navigation Service, dt. Flugnavigationsfunkdienst) für das ICAO Standard System MLS zuwiesen wurde.[2]

Für die Nutzung von MLS hat ICAO in Annex 10 Vol.I 200 Übertragungskanäle im Frequenzbereich 5.030 bis 5.091 MHz festgelegt. Alle MLS-Kanäle sind mit einem DME-Kanal frequenzgepaart für die Nutzung als MLS/DME. Davon sind 40 Kanäle zusätzlich mit ILS frequenzgepaart für Nutzung als ILS/MLS/DME.[4] Part 1, Tbl.A

Im Gegensatz zum ILS-System das eine VHF-Frequenz für den ILS-LOC, eine Frequenz im UHF-Bereich für den ILS-GP und 75 MHz für Marker-Beacon nutzt, werden alle MLS-Informationen auf einer Frequenz ausgestrahlt.

Die Slant-Range-Distance (dt. Schrägentfernung) wird sowohl beim ILS- als auch beim MLS-System von einem DME/P bzw. bei geringerer Genauigkeitsanforderungen ein DME/N im UHF-Bereich ausgestrahlt.

MLS-Signal

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Prinzipielle Darstellung der MLS-Datenpakete

Das MLS-Signal besteht aus mehreren Datenpaketen die sequentiell (time multiplexed) und ununterbrochen ausgestrahlt werden,[5] dies sind:

  • Basic Data, enthält die Identifikation die auch von einem Frequenzgepaarten DME/P ausgestrahlt wird, Informationen der Beam Breite der MLS-Antenne, sowie Informationen die benötigt werden um die vertikalen und lateralen Winkel zu berechnen
  • EL (engl. Elevation) der vertikale Beam der vertikale Informationen liefert
  • AZ (engl. Azimuth) der horizontale Beam der Azimut Informationen für den Anflug liefert
  • BAZ (engl. Back-Azimuth) erfordert einen zusätzlichen Sender und Antenne am entgegengesetzten Ende der Runway (RQY, dt. Landebahn)
  • AUX Data (engl. Auxiliary Data), enthält digitale und alphanumerische Informationen für die operative Nutzung, RVR Wind und Geometrie der Anlage

Modulation und Kodierung

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Die Modulation für Preamble- und die Auxiliary Data[4] Nr. 3.11.4.8 des Trägers ist Differential Phase Shift Keying (DPSK). [4] Nr. 3.11.4.4.3 Eine "Null" wird durch 0° ±10° Phase Shift und eine "Eins" durch 180° ±10° Phase Shift mit 15 265 Baud moduliert.

Jedes Signal besteht aus der "Receiver Reference Time" Code der aus 5 Bits besteht (I1 bis I5)[4] Nr. 3.11.4.4.3.2 und 5 Bits zur "Functional Identification" (I6 bis I10) zur "Function identification" (Identifikation von 31 unterschiedlichen Funktionen), und zusätzlich 2 Bits für die Parität (I11 bis I12)[4] Nr. 3.11.4.4.3.3, die genutzt werden für Approach Azimuth, High Rate Approach Azimuth, Approach Elevation, Flare Elevation, Back Azimuth, 360° Azimuth, Basic Data 1 bis 5 und Auxiliary Data A bis C.[4] Nr. 3.11.4.8

Zusätzlich wird die Azimut-Information durch einen Scanning Beam im Raum moduliert, wobei beim Ende des "TO"- und am Beginn des "FRO"-Scan eine Pause eingefügt. [4] 3.11.4.4.3.3 und Att. G 2.2.1

Signaleigenschaften

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  • Time Reference Scanning Beam (TRSB)

MLS/DME Coverage

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(Quelle: [5])

MLS-Coverage

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  • Azimut 20 NM FL100 ±40° von der verlängerten Runway Center Line
  • optional: Back Azimuth ≥10 NM ±20° von der verlängerten Runway-Center -Line bis FL100 in Europa (Zum Vergleich, der weltweit gültige Standard ICAO Annex 10 Volume I erlaubt FL200)

Anmerkung: Der (Back-)Azimuth muss nicht symmetrisch links und rechts der verlängerten "RWY Center Line" liegen, sondern kann bei Bedarf auch verschoben werden, z. B. 20 NM FL100 +20°/-60° oder erlaubt die Reduzierung, z.B. 20 NM FL100 +20°/-40°

 
MLS/DME: Coverage des gerichteten Antenne des DME/P: Initial Approach: ±100 m,Final Approach: ±30 mTransition-Bereich: zwischen 7 NM und 8 NM

DME/P-Coverage

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Das DME muss mindestens den operative genutzte Service-Volumen (engl. Designated Operation Coverage, DOC) des MLS abdecken

  • min.: Azimut ≥20 NM FL100 ±40° von der verlängerten RWY Center Line
  • bei Nutzung des Back Azimuth zusätzlich ≥10 NM ±20° FL100 zum Azimut ≥20 NM FL100 ±40° von der verlängerten RWY Center Line
  • sofern operativ gefordert, auch omnidirektionale Coverage ≥22 NM FL100

Die Genauigkeit beträgt im IA-Bereich ±100 m und im FA-Bereich ±30 m, der Übergang zwischen IA- und FA-Bereich liegt zwischen 7 NM und 8 NM[4] Att. C Nr. 7.3.2

Operationelle Nutzung

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Prinzipielle Darstellung eines MLS/DME-basierten Segmented-Approach

Segmented Procedures

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In Gebieten mit dichtem Flugverkehr, in denen das Terrain, oder andere Hindernisse, die Kapazität und Flexibilität der Anflugverfahren einschränkt können Segmented Approaches neue Möglichkeiten eröffnen.[5] Segmented Approach-Verfahren können ab circa 2 NM nach Einflug in den DOC eines MLS/DME genutzt werden und leitet dann ein Luftfahrzeug über vordefinierte Way-Points (WP) zum Final Approach. Der Abstand zwischen den Way Points muss groß genug sein damit sich die Fluglage des Luftfahrzeuges stabilisiert hat, bevor eine erneute Kursänderung am nächste Way-Point erfolgt.

 
Prinzipielle Darstellung eines MLS/DME-basierten Curved-Approach

Curved Procedures

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Curved Procedures ähneln segmentierten Verfahren, weisen jedoch eine höhere Spurhalte-Genauigkeit während des Kurswechsels auf und bietet eine bessere Navigationsgenauigkeit.[5]

 
Prinzipielle Darstellung einer MLS/DME basierten Climb-Out Procedure

Climb Out Procedures

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Sofern ein MLS/DME auch einen Back Azimuth ausstrahlt, können die zuvor beschriebenen Verfahren auch für das Climb-Out nach dem Take-Off oder für Missed Approach (Fehlanflug) erstellt werden.[5] Dies kann in Bereichen, in denen Hindernisse ein Problem darstellen oder wenn z. B. die Nutzung von parallelen Runways komplexe Verfahren erfordern von Vorteil sein.

Flugverkehrsrouten mit Segmented und Curved Procedures können in Bereichen ohne ausreichende Radarabdeckung oder in Bereichen mit nur wenigen Flugnavigationsfunkanlagen sinnvoll sein.

Einzelnachweise

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  1. ICAO, Aeronautical Telecommunications, Annex 10, Vol. I, Part I - Equipment and Systems; Part II Radio Frequencies, Ed.3, Am.63, 1983.
  2. a b ITU Radio Regulations Articles, ed. 2024. (itu.int).
  3. a b Heinrich Mensen: Planung, Anlage und Betrieb von Flugplätzen. 2. Auflage. Springer Vieweg, 2013, S. 794–803.
  4. a b c d e f g h i j k ICAO, International Standards and Recommended Practices, Vol. I Radio Navigation Aids, Annex 10, ed.8, Am.93, 2023.July. (icao.int).
  5. a b c d e f ICAO, EUR-DOC-004, General Information on MLS, EUR Regional Office of ICAO, Ed. 1, 1988.