Militärstützpunkt Sde Teiman

Basis der israelischen Streitkräfte in der Wüste Negev

Der Militärstützpunkt Sde Teiman liegt zehn Kilometer nordwestlich der Stadt Beʾer Scheva in der Wüste Negev. Er ist eine Einrichtung der israelischen Streitkräfte. Seit den 1950er Jahren waren verschiedene Militäreinheiten im Stützpunkt stationiert. Auf dem Stützpunkt befindet sich eine Kommandozentrale, ein Fahrzeugdepot und ein Standort der Militärpolizei. An den Stützpunkt grenzt südöstlich der Flugplatz Be’er Scheva an. Im Krieg in Israel und Gaza seit 2023 wurde der Stützpunkt als improvisiertes Gefangenenlager für Palästinenser ausgebaut.

Militärstützpunkt Sde Teiman (Israel)
Militärstützpunkt Sde Teiman (Israel)
Stützpunkt Sde Teiman
Lage des Stützpunktes Sde Teiman

Militärstützpunkt

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Eine Kommandozentrale der sogenannten Koordinierungs- und Verbindungsdirektion Gaza der israelischen Streitkräfte auf dem Militärstützpunkt, aufgenommen bei der Eröffnung 2021.

Auf dem Stützpunkt ist seit 2020 unter anderem die Jerusalem-Brigade des israelisches Südkommandos stationiert.[1] Der Stützpunkt umfasst eine Kommandozentrale und ein Depot für Militärfahrzeuge. Auf dem Stützpunkt befindet sich ein Standort der Militärpolizei. Während verschiedenen Kriegen zwischen Israel und der Hamas hielt das Militär zeitweise eine geringe Anzahl an Menschen aus dem Gazastreifen gefangen, da der Stützpunkt nahe des Gebiets liegt und die Militärpolizei für Militärgefängnisse zuständig ist.[2]

Die Basis sollte als eine Logistikzentrale ausgebaut werden, in der fünf logistische Einrichtungen für Kampfausrüstung, Treibstoff, Ersatzteile, Nahrung und medizinische Ausrüstung zusammengeführt werden sollten, dafür waren im Jahr 2018 die Arbeiten im Gange.[3]

Gefangenenlager

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Auf dem Stützpunkt wurde nach Beginn des Krieges in Israel und Gaza 2023 ein Gefangenenlager für Palästinenser eingerichtet. Israel bezeichnet die Inhaftierten als ungesetzliche Kombattanten. Zunächst wurden Palästinenser, die während des Angriffs der Hamas auf Israel ab dem 7. Oktober 2023 in Israel gefangen genommen wurden, nach Sde Teiman gebracht und in einer leeren Halle für Panzer festgehalten. Nach dem Beginn der militärischen Aktivitäten Israels im Gazastreifen Ende Oktober 2023 wurden derartig viele Gefangene auf den Stützpunkt gebracht, dass drei weitere Hangars als Gefängnisse umfunktioniert wurden und ein Büro der Militärpolizei für Verhöre herhielt.[2] Im Mai 2024 waren neben den Hangars auch Zelte zur Behandlung durch Militärärzte und ein weiterer abgetrennter Bereich unter der Kontrolle des Geheimdienstes Schin Bet Teil des Gefangenenlagers.[2]

Internierung von Palästinensern

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Die Leiter des Stützpunktes gaben an, dass rund 70 Prozent der Palästinenser auf dem Gelände gefangen gehalten wurden, nachdem sie verhört wurden. In einer Investigativreportage schrieb die New York Times, dass bis Mai 2024 mindestens 1200 Menschen als Zivilisten identifiziert wurden, und ohne Anklage oder Kompensation in den Gazastreifen zurückgebracht wurden. Die Zeitung berichtete, dass den Gefangenen bis zu 75 Tage lang keine Möglichkeit gegeben wurde, sich vor einem Richter zu verteidigen und bis zu 90 Tage lang keine Vertretung durch einen Anwalt zugestanden wurde. Zudem sei der Aufenthaltsort der Gefangenen vor Interessensvertretungen und dem Internationalen Roten Kreuz geheim gehalten worden.[2] Bis Mai 2024 starben von insgesamt rund 4.000 Gefangenen 35 in der Einrichtung oder in Krankenhäusern in Israel. Das Militär gibt an, sie seinen an Verletzungen gestorben, die aus der Zeit vor der Internierung datierten. Militärermittler untersuchten laut New York Times die Todesfälle.[2]

Im Juli 2024 verlegte das israelische Militär auf Anweisung der Regierung 140 Gefangene in das Gefängnis Ketziot. Die Regierung gab bekannt, das Gefangenenlager in Sde Teiman abbauen zu wollen. Dem war eine Petition der Vereinigung für Bürgerrechte in Israel an das Oberste Gericht Israels vorausgegangen.[4] Im August 2024 forderte das Gericht die Regierung auf, darzulegen, warum die Zugangsverweigerung für das Rote Kreuz nicht illegal sei.[5]

Foltervorwürfe

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Ehemalige Inhaftierte berichteten in Interviews mit dem amerikanischen Fernsehsender CNN und der New York Times über Folter. Misshandlungen wurden auch von medizinischem Personal der Einrichtung in Interviews mit beiden Medien bestätigt.[2][6] Das israelische Militär stritt dies ab.[2] Die Streitkräfte bestätigten, dass einige Gefangene über längere Zeiträume gefesselt mit verbundenen Augen festgehalten würden, dies sei jedoch zum Schutz des israelischen Personals notwendig und daher rechtens.[7]

Der Spiegel zitiert einen israelischen Whistleblower, der als Arzt in Sde Teiman gearbeitet hatte, dass Amputationen aufgrund von Infektionen, hervorgerufen durch Kabelbinder, mit denen die Gefangenen gefesselt wurden, im Lazarett des Militärlagers als „Routine“ gesehen würden. Ebenso sprachen ehemalige Gefangene gegenüber dem Spiegel davon, dass sie während ihrer Internierung Opfer von sexualisierter Gewalt geworden seien.[8] Mohammed Abu Selmia, Direktor des Al-Schifa-Krankenhauses berichtete im British Medical Journal nach seiner Internierung in Sde Teiman, dass es systematische Misshandlungen und Folterhandlungen an den Gefangenen gebe, sowie medizinische Hilfe verweigert würde. Israelische Soldaten missachteten seiner Meinung nach das humanitäre Völkerrecht.[9] Im Juli 2024 veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International einen Bericht über Folter und Misshandlungen an Gefangenen in Sde Teiman. Amnesty interviewte ein 14-jähriges Kind, das angab, geschlagen, mit Zigaretten verbrannt und mit verbundenen Augen und gefesselten Händen festgehalten worden zu sein. Die Organisation forderte Israel auf, die unbefristete Inhaftierung von Palästinensern aus dem Gazastreifen und die „zügellose Folter“ zu beenden.[10]

Ende Juli 2024 wurde ein Video aus dem Internierungslager im israelischen Fernsehsender Channel 12 veröffentlicht, das zeigen soll, wie Soldaten einen palästinensischen Gefangenen in einer Gruppenvergewaltigung mit einer Metallstange foltern, wodurch er schwere Verletzungen am Anus, am Mastdarm, an der Lunge und gebrochene Rippen davongetragen haben soll.[11]

Die Veröffentlichung ereignete sich, nachdem neun Soldaten, die der Folter verdächtigt wurden, zur Befragung festgenommen worden waren. National-religiöse Aktivisten und mehrere Parlamentarier, darunter der Minister für Kulturerbe, Amihai Eliyahu, drangen daraufhin aus Protest in den Stützpunkt Sde Teiman ein, um die Soldaten vor der Festnahme durch die Militärpolizei zu schützen. Danach zogen die Protestierenden zur Militärbasis Beit Lid im Westjordanland, dem Hauptquartier der Militärpolizei Israels. Dort waren die Verdächtigen zum Verhör gebracht worden.[12] Teile der israelischen Regierung äußerten sich, die Ermittlungen seien ein „Verrat an der Armee“. Die Tagesschau zitierte eine Nachricht des rechtsextremen israelischen Finanzministers Bezalel Smotrich, in der er schrieb, dass die verdächtigten Soldaten Helden seien, denen Ehre erwiesen werden solle.[13]

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Commons: Be'er Sheva (Teyman) Airport – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Batia Van Zeiden: אימון ראשון מסוגו לחטיבה שמורשת הקרב זורמת לה בגנים. In: idf.il. Website der israelischen Streitkräfte, 9. März 2021, abgerufen am 6. September 2024 (hebräisch).
  2. a b c d e f g Patrick Kingsley, Bilal Shbair: Inside the Base Where Israel Has Detained Thousands of Gazans. In: The New York Times. 6. Juni 2024, archiviert vom Original; abgerufen am 5. September 2024 (amerikanisches Englisch).
  3. Alon Tshuva: שלב נוסף בפרויקט "מרכז האספקה האחוד" יוצא לדרך. In: idf.il. Website der israelischen Streitkräfte, 8. Februar 2018, abgerufen am 6. September 2024 (hebräisch).
  4. Jeremy Sharon: 140 inmates transferred out of Sde Teiman military facility to Israeli prisons. In: Times of Israel. 22. Juli 2024, abgerufen am 6. September 2024 (englisch).
  5. Jeremy Sharon: High Court orders gov’t to justify ban on Red Cross visits for Palestinian prisoners. In: Times of Israel. 27. August 2024, abgerufen am 6. September 2024 (englisch).
  6. Tamara Qiblawi: Israeli whistleblowers detail horror of shadowy detention facility for Palestinians. In: CNN. 10. Mai 2024, abgerufen am 8. August 2024.
  7. Jeremy Sharon: State admits some Sde Teiman detainees kept in permanent restraints, blindfolds. In: Times of Israel. 6. August 2024, abgerufen am 6. September 2024 (englisch).
  8. Thore Schröder: Mit Fäusten, Stiefeln, Gewehrkolben und Knüppeln. In: Der Spiegel. 7. Juni 2024, archiviert vom Original am 10. Juni 2024; abgerufen am 10. Juni 2024.
  9. Owen Dyer: Israeli doctors participated in torture, alleges released director of al-Shifa Hospital. In: The BMJ. 386. Jahrgang, 10. Juli 2024, S. q1524, doi:10.1136/bmj.q1524, PMID 38986564 (englisch, bmj.com).
  10. Israel must end mass incommunicado detention and torture of Palestinians from Gaza. In: Amnesty International. 18. Juli 2024, abgerufen am 30. Juli 2024.
  11. Israeli media airs footage showing alleged sexual abuse of Palestinian detainee – video. In: The Guardian. 8. August 2024, abgerufen am 8. August 2024.
  12. Bar Peleg, Eden Solomon, Chen Maanit, Yaniv Kubovich: IDF Moves Troops to Base Where Violent Mob Protested Arrest of Soldiers for Abusing Gaza Detainee (Memento des Originals vom 30. Juli 2024 im Webarchiv archive.today) In: Haaretz, 30. Juli 2024 (englisch). 
  13. Tim Aßmann: Wurden palästinensische Häftlinge in Israel gefoltert? In: www.tagesschau.de. ARD, 22. August 2024, abgerufen am 5. September 2024.