Modifizierte diskrete Kosinustransformation

Die modifizierte diskrete Kosinustransformation (englisch modified discrete cosine transform, kurz: MDCT) ist eine reellwertige, diskrete, lineare, orthogonale Transformation, die zu der Gruppe der diskreten Fouriertransformationen (DFT) zählt und eine Modifikation der namensgebenden diskreten Kosinustransformation (DCT) ist.

Die MDCT wurde in den Jahren 1986, 1987 von John P. Princen, A. W. Johnson und Alan B. Bradley entwickelt.[1][2]

Die MDCT ist die zentrale Transformation der Audiodatenkompressionsverfahren Advanced Audio Coding (AAC),[3] Dolby Digital (AC-3), Ogg Vorbis, aber auch MPEG Audio Layer 3 (MP3), Opus Windows Media Audio (WMA), ATRAC, Cook, LDAC, High-Definition Coding (HDC),[4] Dolby AC-4,[5] MPEG-H 3D Audio,[6] ATRAC benutzen u. a. die MDCT als Spektraltransformation. Weiterhin wird sie in den Sprachkomprimierer AAC-LD (LD-MDCT),[7] G.722.1,[8] G.729.1,[9] CELT[10] und Opus[11][12] verwendet.

Daneben existiert die ähnlich aufgebaute modifizierte diskrete Sinustransformation (MDST), die auf der diskreten Sinustransformation basiert, die aber im Bereich der digitalen Signalverarbeitung keine wesentliche Bedeutung hat.

Motivation

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Die MDCT basiert auf dem Typ IV der diskreten Kosinustransformation, auch als DCT-IV bezeichnet, und verwendet am Anfang der zu transformierenden Eingangssignalfolge, beispielsweise ist dies eine endliche Anzahl von Abtastwerten eines Audiosignals, eine gerade Fortsetzung und am Ende der Signalfolge eine ungerade Fortsetzung. Das Eingangssignal wird in aufeinander folgende Blöcke unterteilt, wobei jeder Block getrennt der Transformation unterworfen wird. Bei der MDCT werden die Signalfolgen zur Bildung der einzelnen Blöcke teilweise miteinander überlappt, um die geraden bzw. ungeraden Fortsetzungen der Blockbildung zu kompensieren. In der meist englischsprachigen Fachliteratur wird dies als time-domain aliasing cancellation (TDAC) bezeichnet. Ähnliche Verfahren finden im Rahmen der DFT beim Overlap-Add-Verfahren und dem Overlap-Save-Verfahren Anwendung, um die dort periodische Fortsetzung der DFT in die aperiodische Faltungsoperation zu überführen.

Die MDCT vermeidet das, was bei der DCT der JPEG-Kompression als Blockartefakte bekannt ist: Sprünge zwischen Abtastwerten benachbarter Transformationsblöcken. Das menschliche Gehör reagiert auf diese Form von Störungen noch wesentlich empfindlicher als das Auge, sodass ein Verfahren gefunden werden musste, das zwischen benachbarten Blöcken nicht schlagartig, sondern allmählich wechselt. Dies erfolgt durch eine Vergrößerung der in eine Transformation eingehenden Abtastwerte unter Verwendung einer Fensterfunktion. Dabei besteht aber das Problem, dass damit normalerweise die Datenmenge vergrößert würde, da Abtastwerte in Berechnungen mehrfach eingehen und redundant abgespeichert würden. Dieses Problem umgeht die MDCT, indem zwar   Abtastwerte als Ausgangswerte in die Transformation eingehen, aber nur   Spektralwerte entstehen. Normalerweise wäre so eine Transformation hochgradig verlustbehaftet, allerdings löschen sich diese Fehler bei der Rücktransformation und beim Addieren von benachbarten rücktransformierten Blöcken unter gewissen Bedingungen wieder aus.

So besteht die Möglichkeit, eine Spektraltransformation mit Fensterfunktion durchzuführen, ohne dass sich die Anzahl der Werte vergrößert. Diese Fensterfunktion führt zu einer besseren Spektralauflösung bei der MDCT und zu weniger Artefakten bei der IMDCT.

Definition

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Transformation

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Durch die Überlappung ist bei der MDCT und im Unterschied zu symmetrischen Frequenztransformationen die Menge der Eingangssamples aus dem Zeitbereich doppelt so groß wie die daraus gebildeten spektralen Ausgangsdaten. Formal werden bei der Transformation   reelle Zahlen   auf   reelle Zahlen   nach folgender Beziehung abgebildet:

  mit  

In der Literatur werden manchmal, in nicht einheitlicher Form und zur Normierung, in dieser Beziehung zusätzliche konstante Faktoren eingebracht, welche aber die Transformation nicht grundsätzlich verändern.

Inverse Transformation

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Die inverse MDCT, abgekürzt IMDCT, stellt die Umkehrung zur obigen Transformation dar. Da die Eingangs- bzw. Ausgangsfolge eine unterschiedliche Anzahl umfassen, ist zur Umkehrung eine Addition im Zeitbereich der aufeinander folgenden Blöcke und der zeitlich überlappenden Bereiche im Rahmen der time-domain aliasing cancellation (TDAC) nötig.

Formal werden bei der IMDCT   reelle Zahlen   in   reelle Zahlen   übergeführt:

  mit  

Wie bei der DCT-IV, als eine Form von orthogonaler Transformation, ist die Rücktransformation bis auf einen Faktor identisch zu der Vorwärtstransformation.

Verwendung

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Mehrere überlappende TDAC-MDCTs für Frequenzgang y(t) = cos (ct³)

Die MDCT ist die Basisoperation moderner Audiokompressionsverfahren. Dazu wird das Eingangssignal in sich zur Hälfte überlappende Blöcke   der Länge   geteilt, die jeweils vom Abtastwert   reichen.

Die Transformation wird blockweise jeweils für jeden Block   unter Verwendung einer Fensterfunktion   (die gewisse Eigenschaften haben muss) durchgeführt:

  mit  

Die Rücktransformation erfolgt für ein Sample   mit   und  

 
 
MDCT Fensterfunktionen
blau: Kosinus, rot: Sinus-Kosinus,
grün/d'grün: modifizierte Kaiser-Bessel mit α=6 bzw. 4
 
Leakage der MDCT Fensterfunktionen
blau: Kosinus, rot: Sinus-Kosinus,
grün/d'grün: modifizierte Kaiser-Bessel mit α=6 bzw. 4

Die Fenster-Funktion   muss folgende Eigenschaften haben:

  • Für die Analyse wie die Synthese eines Blocks   ist die gleiche Funktion zu verwenden. Sonst funktioniert das TDAC nicht.
  • Für jeden Abtastwert wird die Fensterfunktion sowohl bei der Analyse wie bei der Synthese je 2-mal angewendet. Diese beiden Werte müssen ohne Beschränkung der Allgemeinheit die Gleichung   erfüllen. Die Bedingung nennt sich Princen-Bradley-Bedingung. Ein Nebeneffekt dieser Bedingung erzwingt, dass die Funktionen bei   und   ihrer Fensterbreite den Wert   annehmen.
  •   sollte eine möglich glatte Funktion sein, um den Leck-Effekt gering zu halten, der
    • bei der Analyse die Konzentration dominierender Signalkomponenten verringern würde und
    • bei der Synthese Störsignale entfernt von dominierenden Signalkomponenten erzeugen würde (DC-Anteile würden z. B. durch Sprünge an Blockgrenzen ein Knattern verursachen).

Durch die zweite Bedingung unterscheidet sich die Fensterfunktion erheblich von den normalerweise üblichen Fensterfunktionen. Im Wesentlichen finden folgende drei Fensterfunktionen Anwendung:

  • Kosinusfenster (MPEG Layer-3, AAC)
  • modifizierte Kaiser-Bessel-Fenster (AAC, AC-3)
  • Sinus-Kosinus-Fenster (Ogg Vorbis)

Berechnungsaufwand

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Die direkte Berechnung der MDCT nach obiger Formel benötigt   Operationen. Ähnlich wie bei der schnellen Fourier-Transformation (FFT), als eine Form der effizienten Berechnung der DFT, existieren auch bei der MDCT-Algorithmen die ähnlich wie der Radix-2-Algorithmus aufgebaut sind, um die Anzahl der Rechenoperationen auf O(N log N) zu reduzieren.

Zudem lässt sich die MDCT mittels Pre- und Postprocessing und einer FFT berechnen.

Literatur

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  • Henrique S. Malvar: Signal Processing with Lapped Transforms. Artech House, 1992, ISBN 0-89006-467-9.

Einzelnachweise

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  1. John P. Princen, Alan B. Bradley: Analysis/Synthesis filter bank design based on time domain aliasing cancellation. In: IEEE Transactions on Acoustics, Speech and Signal Processing. Band 34, Nr. 5, Oktober 1986, S. 1153–1161, doi:10.1109/TASSP.1986.1164954.
  2. J. Princen, A. Johnson, A. Bradley: Subband/Transform coding using filter bank designs based on time domain aliasing cancellation. In: Acoustics, Speech, and Signal Processing, IEEE International Conference on ICASSP ’87. Band 12, 1987, S. 2161–2164, doi:10.1109/ICASSP.1987.1169405 (Erstmalige Erwähnung des Begriffes MDCT).
  3. Fa-Long Luo: Mobile Multimedia Broadcasting Standards: Technology and Practice. Springer Science & Business Media, 2008, ISBN 978-0-387-78263-8, S. 590 (google.com).
  4. Graham A. Jones, David H. Layer, Thomas G. Osenkowsky: National Association of Broadcasters Engineering Handbook: NAB Engineering Handbook. Taylor & Francis, 2013, ISBN 978-1-136-03410-7, S. 558-9 (google.com).
  5. Dolby AC-4: Audio Delivery for Next-Generation Entertainment Services. In: Dolby Laboratories. Juni 2015, abgerufen am 11. November 2019.
  6. R. L. Bleidt, D. Sen, A. Niedermeier, B. Czelhan, S. Füg et al.: Development of the MPEG-H TV Audio System for ATSC 3.0. In: IEEE Transactions on Broadcasting. 63. Jahrgang, Nr. 1, 2017, S. 202–236, doi:10.1109/TBC.2017.2661258 (fraunhofer.de [PDF]).
  7. Markus Schnell, Markus Schmidt, Manuel Schmidt, Tobias Albert, Ralf Geiger, Vesa Ruoppila, Per Ekstrand, Grill Bernhard: MPEG-4 Enhanced Low Delay AAC - A New Standard for High Quality Communication. 125th AES Convention. Audio Engineering Society, Oktober 2008 (englisch, fraunhofer.de [PDF; abgerufen am 20. Oktober 2019]).
  8. Manfred Lutzky, Gerald Schuller, Marc Schuller, Ulrich Krämer, Stefan Wabnik: A guideline to audio codec delay. 116th AES Convention. Audio Engineering Society, Mai 2004 (englisch, fraunhofer.de [PDF; abgerufen am 24. Oktober 2019]).
  9. Sivannarayana Nagireddi: VoIP Voice and Fax Signal Processing. John Wiley & Sons, 2008, ISBN 978-0-470-37786-4, S. 69 (google.com).
  10. Presentation of the CELT codec (Memento vom 7. August 2011 im Internet Archive) by Timothy B. Terriberry (65 minutes of video, see also presentation slides in PDF)
  11. Opus Codec. In: Opus. Xiph.org Foundation, abgerufen am 31. Juli 2012.
  12. Peter Bright: Newly standardized Opus audio codec fills every role from online chat to music. In: Ars Technica. 12. September 2012, abgerufen am 28. Mai 2014.