Moriz von Craûn ist eine mittelhochdeutsche Verserzählung eines unbekannten Autors. Sie entstand vermutlich am Anfang des 13. Jahrhunderts. Der Kurzroman handelt von einem Ritter, der sich um seinen Minnelohn betrogen sieht und diesen daraufhin persönlich einfordert. Neben Hartmann von Aues Der arme Heinrich gibt es um 1200 keine weiteren bekannten Vertreter dieser Literaturgattung.

Zu Beginn der Erzählung berichtet der Autor über die Herkunft des Rittertums, wie es seinen Anfang bei den Griechen hatte, dann an die Römer gelangte, wo es unter Julius Cäsar eine Hochzeit erlebte, dann aber unter dem grausamen Nero, von dessen Vergehen er einige schildert, den Niedergang erlebt. Danach gelangte das geschwächte Rittertum nach Frankreich, wo es erst Karl der Große wieder zu neuem Glanz führte. Im Anschluss wird der Minnedienst geschildert, auf welche Art und Weise man ihn betreiben soll und welchen Lohn oder Schaden er zeitigen kann. Als Exempel dient der Fall des Moriz von Craûn.

Moriz wird als ein vollkommener Ritter dargestellt, der alle nötigen Tugenden besitzt und dementsprechend großes Ansehen genießt. Seinen Minnedienst leistet er der Gräfin von Beamunt. Eines Tages verfällt Moriz in schwermütige Grübelei, er wünscht sich die Erfüllung seiner Liebeswünsche oder den Tod. Als er sein Leid der Gräfin klagt, verspricht diese ihm die Erfüllung seiner Wünsche, wenn er ein Turnier für sie ausrichtet. Zum Zeichen für dieses Versprechen steckt sie ihm einen Ring an. Daraufhin lässt Moriz von Craûn ein Schiff auf Rädern bauen und prächtig ausstatten. Mit diesem, scheinbar von Geisterhand gezogenen, Wagen fährt er durch die Lande und wirbt für sein Unterfangen. Er hat Erfolg; viele Ritter erscheinen zum Turnier vor den Mauern der gräflichen Burg.

Gleich zu Beginn wird das Turnier jedoch von einem Zwischenfall überschattet: Der Graf von Beamunt, Gemahl von Moriz' Geliebter, ersticht einen der Turnierteilnehmer im Kampf. Entsetzt und traurig wirft er seine Waffen weg und flieht auf seine Burg. Das Turnier droht zu platzen, doch Moriz gelingt es die anderen Ritter zum Weitermachen zu überreden. Im weiteren Verlauf des Turniers tut sich Moriz von Craûn besonders hervor.

Am Abend wird das Turnier beendet, Moriz wird in die Burg gebeten und von einer Zofe in eine kostbar ausgestattete Kemenate geführt, in der ein schönes Bett steht. Dort soll er auf die Gräfin von Beamunt warten. Die Zofe bietet dem abgekämpften Moriz an, seinen Kopf in ihren Schoß zu legen und zu schlafen. Sie verspricht ihm, dass sie ihn weckt, sobald die Gräfin kommt. Der Ritter geht darauf ein. Er schläft tief und fest, als die Gräfin erscheint. Empört über den Schlafenden und erleichtert darüber, dass ihr der Ehebruch erspart bleibt, befiehlt sie der Zofe, ihn nicht zu wecken. Vergeblich mahnt die Zofe ihre Herrin, die sich in ihr eigenes Bett legt, an ihr Versprechen.

Als Moriz erwacht, klärt die Zofe ihn über das Vorgefallene auf. Dieser bittet die Zofe um Vermittlung bei der Gräfin, damit sie doch noch zu ihm komme. Dies lehnt die Gräfin aber ab. Daraufhin nimmt Moriz von Craûn die Sache selbst in die Hand. Er verschafft sich Zutritt zum ehelichen Gemach der Gräfin von Beamunt. Dem erschrockenen Grafen gibt er vor, er sei der Geist des im Turnier erschlagenen Ritters, worauf der Graf in Panik flieht. Moriz legt sich zur Gräfin und schläft mit ihr. Nach dem vollzogenen Akt steht er auf, wirft der Gräfin ihren Ring hin und kündigt ihr seinen Minnedienst auf. Alleine zurückbleibend muss sie erkennen, dass sie jetzt die doppelte Schande hat: Weder hat sie ihr Versprechen erfüllt, noch konnte sie sich vor dem Ehebruch bewahren.

Literaturgeschichtliche Einordnung

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Verfasser und Sprache

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Der Verfasser des Moriz von Craûn ist unbekannt. Behauptungen, dass es sich bei dem Autor um Bligger von Steinach handelt, lassen sich schwer halten, da das Mittelhochdeutsch des Werkes starke mitteldeutsche Dialekteinfärbungen aufweist und eher für einen Dichter aus dem nördlichen Rheinfranken spricht. Auch die Erwähnung des Kölner Hafens sowie von Rhein und Maas als schiffbare Flüsse im Text könnte dies untermauern.

Datierung

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Die Entstehung ist bei diesem kurzen Werk eines Anonymus sehr schwer festzulegen. Sie wird, je nach Wissenschaftler, in einen weiten Zeitraum von 1185 bis 1230 datiert. Am wahrscheinlichsten erscheint die vage Datierung "um 1200". Dies deckt sich gut mit der im Text erwähnten Eneide des Heinrich von Veldeke.

Wie bei vielen Werken der mittelhochdeutschen Literatur wird eine französische oder lateinische Vorlage für Moriz von Craûn angenommen. Die Leistung des Dichters besteht also darin, dass er das Werk übersetzte, was mit einer Anpassung an die deutschen Literaturerwartungen einherging. Überliefert ist diese Vorlage allerdings nicht. Der einzige französische Text, der dem des Moriz von Craûn in Teilen ähnelt, ist ein altfranzösisches Fabliau namens "Du chevalier qui recovra l'amor de sa dame" eines gewissen Pierre d'Anfol. Dieser Text hat allerdings ein "happy end". Ob Moriz von Craûn auf einer wahren Begebenheit beruht, immerhin sind Orte und Adelsgeschlechter namens Craon (mhd. Craûn) und Beaumont (mhd. Beamunt) historisch belegt, ist nicht erwiesen.

Überlieferung

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Der 1784 Verse umfassende Text des Moriz von Craûn ist nur ein einziges Mal in einer Abschrift des 16. Jahrhunderts überliefert. Es handelt sich hierbei um das sogenannte Ambraser Heldenbuch, das sich heute unter der Signatur Cod. Vind. Ser. nov. 2663 in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien befindet.

Literatur

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Textausgaben

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Spezialliteratur

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  • Friedrich Michael Dimpel: ‚des muoz ich ûf genâde lônes bîten‘ (MF 194,33). Ambivalenzen der Lohn-Metapher bei Reinmar und im ‚Mauritius von Craun‘. In: Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik (ABäG) 72, 2014, S. 197–228
  • Hubertus Fischer: Ritter, Schiff und Dame. Mauricius von Craûn: Text und Kontext. Winter, Heidelberg 2006, ISBN 3-8253-5077-0.
  • Günther J. Gerlitzki: Die Bedeutung der Minne in „Moriz von Craûn“ (= German Studies in America. Nr. 4, ZDB-ID 503260-x). Lang, Berne 1970.
  • Dorothea Klein: ‚Mauricius von Craûn‘ oder Die Destruktion der hohen Minne. In: ZfdA 127 (1998), S. 271–294.
  • Heimo Reinitzer: Mauritius von Craûn. Kommentar. Stuttgart: Steiner 1999 (Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur. Beiheft 2), 246 Seiten.