Naher Osten

geographische Großregion in West- und Südasien
(Weitergeleitet von Nahostpolitik)

Der Nahe Osten ist eine geographische Bezeichnung, die heute im Allgemeinen für arabische Staaten Vorderasiens und Israel benutzt wird. Insbesondere die Region des Fruchtbaren Halbmondes und die Arabische Halbinsel gehören zum Nahen Osten. Häufig werden außerdem Zypern, die Türkei (teilweise nur Anatolien), Ägypten (das hauptsächlich in Nordafrika liegt) und Iran dazugezählt.[1] Historisch bezeichnete der Begriff „Naher Osten“ seit dem 19. Jahrhundert das Gebiet des Osmanischen Reiches außerhalb Europas.[1] Der deutsche Begriff Naher Osten überschneidet sich mit dem englischen Begriff Middle East, ist aber nicht mit ihm gleichzusetzen.

Abgrenzung des Nahen Ostens
 
Historische Bedeutung von „Naher Osten“: Gebiete des Osmanischen Reiches außerhalb Europas von 1830 bis 1920

Der Begriff Naher Osten ist von einer europäischen Perspektive geprägt, die auf die des Römischen Reiches zurückgeht. Nach der endgültigen Reichsteilung von 395 n. Chr. entstanden das Weströmische Reich (Imperium Romanum Occidentalis) und das Oströmische Reich (Imperium Romanum Orientalis). Nach dem Ende des Weströmischen Reiches etwa um 476 n. Chr. vererbte sich der Titel „Kaiser des Abendlandes“ (occidentalis) in das Reich Karls des Großen, das spätere „Heilige Römische Reich“, wohingegen der oströmische Kaiser den Nebentitel „Kaiser des Morgenlandes“ (orientalis) trug. Es handelte sich daher um ein Rom-zentriertes Weltbild,[2] das in den Gebieten der römischen Nachfolgestaaten in Europa sowie im islamischen Reich[3] übernommen wurde. Aus dieser Sicht liegen die Länder des Nahen Ostens im „Osten“, wodurch weitreichende Überlappungen mit dem Begriff „Vorderasien“, „Orient“ und „Vorderer Orient“ bestehen.

Naher und Mittlerer Osten

Bearbeiten

Im Deutschen wird zwischen dem Nahen Osten, dem Mittleren Osten (Südasien, Afghanistan und oft auch Iran) und dem Fernen Osten unterschieden. Verwirrung stiftet manchmal, dass die Region des Nahen Ostens im Englischen als Middle East und in vielen nahöstlichen Sprachen entsprechend übersetzt als „Mittlerer Osten“ bezeichnet wird, darunter arabisch الشرق الأوسط asch-scharq al-awsat, DMG aš-šarq al-ausaṭ, hebräisch המזרח התיכון haMizrach haTichon, türkisch Orta Doğu, kurdisch rojhilata navîn und persisch خاور میانه, DMG ḫāwar-e miyāne. Die G8-Definition von Middle East bezieht sogar das gesamte Nordafrika (Mittelmeeranrainerstaaten) mit ein.

Im Englischen existiert neben Middle East auch der Begriff Near East („Naher Osten“), der ursprünglich dem historischen Nahost-Begriff entsprach. Der britische Begriff Near East wurde ab etwa 1850 bis zum Ende des Osmanenreiches für den Balkan und das Osmanische Reich ohne den Iran benutzt. Middle East bezeichnete damals das Gebiet vom Iran über Afghanistan und Kaukasus bis nach Zentralasien. Wenn er heute noch verwendet wird, dann in nicht genau festgelegter Bedeutung. Viele benutzen ihn synonym mit „Middle East“, das amerikanische Wörterbuch Merriam Webster definiert ihn als die Länder in Südwestasien und Nordostafrika von Libyen bis Afghanistan,[4] und Archäologen, Geographen und Historiker verstehen darunter vor allem Anatolien, die Levante und Mesopotamien.

Orient, Vorderer Orient

Bearbeiten

In einem eher religiös-kulturellen Sinne wird meist Orient oder Morgenland für das Gebiet des Mittleren und Nahen Ostens im politischen oder geographischen Sinne verwendet; der Vordere Orient ist dabei unscharf entsprechend der Nahe Osten. Die Welt des Orients beschäftigte viele europäische Dichter und Schriftsteller, siehe zum Beispiel Johann Wolfgang von Goethes West-östlicher Divan, Hermann Hesses Roman Die Morgenlandfahrt oder die abenteuerlichen Orient-Erzählungen des Hermann von Pückler-Muskau, die Bestseller waren und zur Erzählfigur des Münchhausen führten. Der Orient ist kultur- und sittengeschichtlich eine Ansammlung von gegenteiligen Zuschreibungen und fantastischen Vorstellungen im Spiegelbild westlicher Kultur. Man kann sagen, dass der Orient in diesem religiös-kulturgeschichtlichen Sinne das ist, was der Okzident, das Abendland, nicht ist.

Überblick über Staaten, Gebiete und Regionen

Bearbeiten
Staat, mit Flagge Fläche
(km²)
Einwohnerzahl 2023[5] Bevölkerungsdichte
(pro km²) 2023
Hauptstadt BIP 2016[6] BIP pro Kopf 2016 Währung Regierungssystem Amtssprache Wappen
Arabische Halbinsel:
Kuwait  Kuwait 17.820 4.310.110 242 Kuwait $136 Milliarden $26.000 Kuwait-Dinar Konstitutionelle Monarchie Arabisch  
Bahrain  Bahrain 665 1.485.510 2.234 Manama $32 Milliarden $24.100 Bahrain-Dinar Konstitutionelle Monarchie Arabisch  
Oman  Oman 212.460 4.644.380 22 Maskat $63 Milliarden $16.000 Omani Rial Absolute Monarchie Arabisch  
Katar  Katar 11.437 2.716.390 238 Doha $167 Milliarden $60.700 Katar-Riyal Absolute Monarchie Arabisch  
Saudi-Arabien  Saudi-Arabien 1.960.582 36.947.030 19 Riad $640 Milliarden $20.100 Saudi-Riyal Absolute Monarchie Arabisch  
Vereinigte Arabische Emirate  Vereinigte Arabische Emirate 82.880 9.516.870 115 Abu Dhabi $371 Milliarden $37.700 VAE-Dirham Föderale Konstitutionelle Monarchie Arabisch  
Jemen  Jemen 527.970 34.449.820 65 Sanaa $27 Milliarden $1.000 Jemen-Rial Republik Arabisch  
Levante:
Israel  Israel 20.770, davon Negev-Wüste: 12.000 (≈ 60 %) Einschließlich Golanhöhen 22.072 km² 9.756.700 442 Jerusalem $318 Milliarden $37.200 Neuer Schekel Parlamentarische Republik Hebräisch  
Palastina Autonomiegebiete  Palästina Gazastreifen 360 2.141.643[7] 5.949 Gaza Neuer Schekel Arabisch  
Palastina Autonomiegebiete  Palästina Bezirke Westjordanland 5.860 3.243.369[8] 553 Ramallah Neuer Schekel Arabisch, Hebräisch  
Jordanien  Jordanien 92.300 11.337.050 123 Amman $39 Milliarden $5.500 Jordanischer Dinar Konstitutionelle Monarchie Arabisch  
Libanon  Libanon 10.452 5.353.930 512 Beirut $52 Milliarden $11.300 Libanesisches Pfund Republik Arabisch  
Syrien  Syrien 185.180 23.227.010 125 Damaskus Syrisches Pfund Präsidialrepublik Arabisch  
Nordafrika:
Agypten  Ägypten 1.001.449 112.716.600 113 Kairo $332 Milliarden $3.700 Ägyptisches Pfund Präsidialrepublik Arabisch  
Weitere:
Iran  Iran 1.648.195 89.172.770 54 Teheran $377 Milliarden $4.700 Iranischer Rial Islamische Republik Persisch  
Turkei  Türkei 783.562 85.326.000 109 Ankara $857 Milliarden $10.700 Türkische Lira Präsidialrepublik Türkisch  
Irak  Irak 437.072 45.504.560 104 Bagdad $167 Milliarden $4.600 Irakischer Dinar Parlamentarische Republik (im Aufbau) Arabisch, Kurdisch  
Insgesamt
Arabische Halbinsel, Levante, Nordafrika, Iran, Türkei, Irak 6.999.014 km² 481.849.742

Einwohner

68,85

Pers. pro km²

$255 Milliarden

(BIP von 2016, ohne Syrien und Palästina)

Belege[9]

Siehe auch

Bearbeiten
Portal: Nahost – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Nahost

Literatur

Bearbeiten
  • Pierre Amiet: Art of the Ancient Near East. New York 1980.
  • Reiner Bernstein: Von Gaza nach Genf. Die Genfer Friedensinitiative von Israelis und Palästinensern. Wochenschau-Verlag, Schwalbach/Ts 2005.
  • Margret Boveri: Wüsten, Minarette und Moscheen – Im Auto durch den alten Orient. Mit einem Vorwort von Peter Scholl-Latour. wjs-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-937989-06-4 (Reisebericht).
  • Bernhard Chiari, Dieter H. Kollmer (Hrsg.) unter Mitarbeit von Martin Rink: Wegweiser zur Geschichte Naher Osten. 2., überarbeitete Auflage, im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, Ferdinand Schöningh, Paderborn u. a. 2009, ISBN 978-3-506-76759-2.
  • Abdoldjavad Falaturi (Hrsg.): Islam: Raum – Geschichte – Religion. Band 1: Der Islamische Orient. Köln 1990.
  • Amélie Kuhrt: The Ancient Near East c. 3000–330 B. C. Routledge, London 1995.
  • Eric M. Meyers (Hrsg.): The Oxford Encyclopedia of Archaeology in the Near East. 5 Bände. New York/ Oxford 1997.
  • Peter Pawelka, Lutz Richter-Bernburg (Hrsg.): Religion, Kultur und Politik im Vorderen Orient. VS Verlag, 2004, ISBN 3-531-14098-1.
  • Volker Perthes: Vom Krieg zur Konkurrenz – Regionale Politik und die Suche nach einer neuen arabisch-nahöstlichen Ordnung. Nomos Verlag, 2000, ISBN 3-7890-6712-1.
  • Volker Perthes: Geheime Gärten – Die neue arabische Welt. Goldmann, München 2003, ISBN 3-442-15274-7.
  • Jeremy Salt: The Unmaking of the Middle East. A History of Western Disorder in Arab Lands. University of California Press, 2008, ISBN 978-0-520-26170-9.
  • J. M. Sasson (Hrsg.): Civilizations of the Ancient Near East. 4 Bände. New York 1995.
  • Alfred Schlicht: Die Araber und Europa. Kohlhammer, Stuttgart 2008.
  • Tübinger Atlas des Vorderen Orients. Dr. Ludwig Reichert Verlag, Wiesbaden 1976–1994.
Bearbeiten
Wiktionary: Naher Osten – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. a b Mittlerer Osten. Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, 2000.
  2. Vgl. Segen des römischen Bischofs Urbi et orbi.
  3. Noch in der heutigen arabischen Welt wird zwischen „dem Ort des Sonnenaufgangs“ (arabisch المشرق, DMG al-Mašriq) östlich vom heutigen Libyen und „dem Ort des Sonnenuntergangs“ (arabisch المغرب, DMG al-Maġrib) westlich von Ägypten unterschieden, wobei diese geografische Trennlinie annähernd der Vorgängergrenzlinie zwischen dem West- und Oströmischen Reich nach dessen Teilung nach 395 n. Chr. entspricht.
  4. Near East. In: Merriam-Webster Online Dictionary, 2008.
    Middle East. In: Merriam-Webster Online Dictionary, 2008 (beide englisch; abgerufen am 28. November 2008)
  5. World Bank Open Data. Abgerufen am 3. Oktober 2024.
  6. IMF Data. In: IMF. (imf.org [abgerufen am 18. November 2017]).
  7. Gaza Strip. In: The World Factbook. Central Intelligence Agency, 27. September 2024 (cia.gov [abgerufen am 3. Oktober 2024]).
  8. West Bank. In: The World Factbook. Central Intelligence Agency, 27. September 2024 (cia.gov [abgerufen am 3. Oktober 2024]).
  9. The World Factbook (en), United States Central Intelligence Agency (CIA), 14. November 2006, cia.gov (Memento des Originals vom 6. Oktober 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.cia.gov
    The Million Person Gap: The Arab Population in the West Bank and Gaza; B. Zimmerman, R. Seid and M. L. Wise; The Begin-Sadat Center for Strategic Studies, Bar-Ilan University; February, 2006 The Million Person Gap: The Arab Population in the West Bank and Gaza (PDF; 2,13 MB)
    Sergio Della Pergola, „Letter to the editor“, Azure, 2007, No. 27, azure.org.il (Memento vom 5. Mai 2008 im Internet Archive) Sergio Della Pergola kritisiert die Autoren der Studie zum „Palästinensischen Zensus 2007“ wegen gravierender statistischer und methodischer Mängel.
  10. Martin Gehlen: Der Nahe Osten, wie wir ihn kennen, entstand vor genau 100 Jahren, als Briten und Franzosen neue Grenzen zogen – für die Araber ein Verrat, für die Region ein Desaster. Zeit Online, 16. Mai 2016

Koordinaten: 33° N, 36° O