Najma Kousri

tunesische Feministin und LGBT-Aktivistin

Najma Kousri (arabisch نجمة العبيدي القوصري, bekannt auch als Najma Kousri Labidi; geboren 1991) ist eine tunesische Bürgerrechtlerin, Feministin und Aktivistin für LGBT-Rechte. Sie hat die #EnaZeda-Bewegung (tunesische #MeToo-Bewegung) mitgegründet und ist Koordinatorin der tunesischen Vereinigung Demokratischer Frauen. Zudem ist sie als Journalistin tätig und ihr Fotoprojekt, das das Leben gleichgeschlechtlicher Paare dokumentiert, ging 2017 viral.[1]

Najma Kousri beim WorldPride Summit in Madrid (2017)
Najma Kousri beim WorldPride Summit in Madrid (2017)

Biographie

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Najma Kousri hat Jura an der Fakultät für Recht, Politische und Soziale Wissenschaften in Tunis und an der Université Lyon in Frankreich studiert. Sie hat ihren Abschluss als Rechtsanwältin gemacht und an der Lund-Universität in Schweden einen Master-Abschluss erworben.[2] In ihrer Master-Dissertation hat sie sich mit dem Einfluss digitaler Technologien auf den sozialen Wandel beschäftigt. Kousri erklärt, ihr politischer Aktivismus sei eine Fortsetzung des Kampfes ihrer Familie gegen den ehemaligen autoritären Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali.[3][4]

Schon während ihres Jurastudiums hat Kousri begonnen, sich gegen die Benachteiligung und sexuelle Belästigung von Frauen in der tunesischen Gesellschaft einzusetzen. Sie hat Übergriffe bei der Polizei gemeldet, obwohl diese oft ablehnend reagiert hat.[5] Besonders hat sie gegen die Verschleppung und sexuelle Gewalt gegen jesidische Frauen durch Anhänger des IS gekämpft.[6]

Als Juristin hat sich Kousri gegen die autoritäre Regierung ausgesprochen und die Demokratisierung Tunesiens gefordert.[7] Durch Artikel und politische Stellungnahmen hat sie sich für den Präsidentschaftskandidaten Hamma Hammami, den Vorsitzenden des Parteienbündnisses Volksfront, eingesetzt. Sie hat sich gegen die Verhaftung des Parlamentsabgeordneten, Whistleblowers und Bloggers Yassine Ayari[8] engagiert und die Ermordung der Vorsitzenden der Sozialistischen Volksallianz in Ägypten, Shaimaa al-Sabbagh, angeprangert, die bei einer friedlichen Demonstration von der Polizei erschossen wurde.[9]

Kousri hat unter anderem über die feministische Menschenrechtsaktivistin Khadija Cherif und über den Gewerkschaftsführer und Friedensnobelpreisträger Houcine Abassi geschrieben, der nach dem Arabischen Frühling im Prozess des Nationalen Dialogs einen Kompromiss zwischen Islamisten und Säkularen für die neue Verfassung Tunesiens ausgehandelt hatte.[10][11] Kousri hat die tunesische Politikerin Monia Ibrahim scharf kritisiert, weil sie ein Gesetz blockiert hat, das die Rechte der Frauen im Land erweitern sollte.

#EnaZeda

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Im Jahr 2019 wurde Kousri zu einer Mitbegründerin der tunesischen #MeToo-Bewegung, die in Tunesien #EnaZeda (arabisch أنا زادة) heißt.[12] Im November 2019 hatte die Facebook-Gruppe der Bewegung über 21.600 Mitglieder; sie war ein Ort, an dem Proteste organisiert wurden, und bot einen sicheren Raum für die Aussagen von Gewalt-Überlebenden.[13] Kousri meinte, der Erfolg der Bewegung verdanke sich dem Vorbild der ägyptischen Frauen, die auf der Straße für ihre Bürgerrechte eingetreten sind.[14]

Die Kampagne #EnaZeda gewann schnell an Dynamik, während frühere Kampagnen gegen Belästigung in öffentlichen Verkehrsmitteln die Frauen in Tunesien nicht in gleicher Weise erreicht hatten.[14] Kousri berichtete, die sexuelle Gewalt gegen Frauen habe nach den revolutionären Aufständen vom Dezember 2010 deutlich zugenommen.[15][16] Die Bewegung mache das Ausmaß des Problems deutlich und zeige, dass das Totschweigen der Opfer das Problem der sexuellen Aggression in der Gesellschaft nicht löst.[17]

Tunesische Vereinigung Demokratischer Frauen (ATFD)

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Kousri ist Koordinatorin der Tunesischen Vereinigung demokratischer Frauen (ATFD),[18] einer feministischen Kampagnenorganisation, die 1989 gegründet wurde.[19][20] Die ATFD engagiert sich für die Gleichstellung der Geschlechter und die Rechte von Frauen in Tunesien und hat sich auch für die Abschaffung des Gesetzes eingesetzt, das Vergewaltiger erlaubte, ihre Opfer zu heiraten, um einer Strafe zu entgehen.[21] Innerhalb der ATFD ist Kousri in der Kommission für sexuelle und reproduktive Rechte tätig. Gemeinsam mit der Koalition für sexuelle und körperliche Rechte in muslimischen Gesellschaften (CSBR)[22] hat sie einen offenen Brief an Recep Tayyip Erdoğan unterzeichnet, in dem sie die Ermordung und Folterung der türkischen Transfrau Hande Kader verurteilt.[23][24]

Im Jahr 2017 sprach sie sich im Namen der ATFD Organisation gegen das Gesetz aus, das die Ehe zwischen muslimischen Frauen und Nicht-Muslimen in Tunesien verbietet.[25] Im Jahr 2019 leitete sie eine Kampagne, in der sie den Staat aufforderte, die reproduktive Gesundheit von Frauen wieder zu einem Anliegen zu machen, denn aufgrund von Mittelkürzungen hatte sich der Zugang von Frauen zu Verhütungsmitteln verschlechtert.[26][27]

LGBT-Rechte

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Kousri setzt sich aktiv für LGBT-Rechte ein, denn Homosexualität in Tunesien ist illegal und wird streng bestraft. Im Jahr 2014 sprach sie sich gegen die Zunahme von Gewalt gegen LGBT-Gemeinschaften in Ägypten aus[28] und verurteilte das Vorgehen der Journalistin Mona Iraqi, die die Identität von 26 Männern veröffentlichte, die in einem Kairoer Hammam wegen angeblicher „Unzucht“ festgenommen worden waren.[29]

Im Jahr 2015 veröffentlichte Kousri eine Fotodokumentation über gleichgeschlechtliche Paare in den sozialen Medien, die sich viral stark verbreitete.[30] Das Projekt „Sexualität ist kein Tabu“ zielte darauf ab, LGBT-Gemeinschaften aus Tunesien sichtbar zu machen.[31][32] Sie sagte über ihr Projekt:

„Mit meinem Fotoprojekt möchte ich das Internet nutzen, um die Menschen zum Nachdenken über sexuelle Rechte anzuregen. Wir haben die Revolution gemacht und wir weigern uns, weiterhin für das, was wir im Schlafzimmer tun, belästigt, bestraft oder herumgeschubst zu werden. Durch die Veröffentlichung von Fotos gleichgeschlechtlicher Paare, die sich im öffentlichen Raum küssen, hoffe ich, die Debatte über die Rechte von Homosexuellen in Tunesien voranzutreiben, die seit Beginn der Revolution an Dynamik gewonnen hat.“[30]

Im selben Jahr wurde Najma Kusri verhaftet, was die tunesische Zeitung Le Temps als unrechtmäßige Verhaftung bezeichnete, wie sie für die Schikanen der Polizei gegenüber Frauen typisch sei.[33]

Kousri war eine der Rednerinnen auf dem WorldPride Summit 2017 in Madrid. Sie leitete eine Diskussion über LGBT in Afrika mit Kasha Nabagesera aus Uganda, dem Südafrikaner Yahia Zaidi, Alimi Bisi Ademola aus Nigeria und Michèle Ndoki aus Kamerun.[34]

Im Jahr 2017 arbeitete Kousri als internationale Projektassistentin für die Fundraising-Abteilung der SOS-Kinderdörfer, wurde aber nach nur zwei Monaten Tätigkeit bereits wieder entlassen.[19] Als Grund für die Entlassung hieß es, Kousris Einsatz zur Antidiskriminierung von LGBT-Gemeinschaften könne für Kinder „schädlich“ sein.[35]

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Commons: Najma Kousri – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Double Lives. In: magazine.zenith.me. 8. März 2017, abgerufen am 11. Dezember 2019 (englisch).
  2. Interview. In: youth-center. Abgerufen am 11. Dezember 2019 (französisch).
  3. Liberté, j'écris ton nom sur ma peau. In: L'Humanité. 28. Dezember 2015, abgerufen am 11. Dezember 2019 (französisch).
  4. Süddeutsche Zeitung: Neue Verfassung: Tunesien sucht seine Identität. 14. Januar 2014, abgerufen am 18. Dezember 2023.
  5. Anna Antonakis, Renegotiating Gender and the State in Tunisia between 2011 and 2014: Power, Positionality, and the Public Sphere, Politik Und Gesellschaft Des Nahen Ostens (Wiesbaden: Springer, 2019), p. 200 doi:10.1007/978-3-658-25639-5.
  6. Presse-toi à gauche !: Amnesty international dénonce les violences infligées aux femmes et aux filles yezidis par l'État islamique - Presse-toi à gauche ! In: www.pressegauche.org. Abgerufen am 11. Dezember 2019 (französisch).
  7. TUNISIA: Islamists Rise Uncertainly After Repression — Global Issues. In: www.globalissues.org. Abgerufen am 10. Dezember 2019 (englisch).
  8. Parlamentarier von Militärgericht verurteilt. In: Amnesty International. Abgerufen am 18. Dezember 2023.
  9. Egypte: Shaimaa al Sabbagh, assassinat d’une icône. 26. Januar 2015, abgerufen am 18. Dezember 2023 (französisch).
  10. Houcine Abassi. In: huffpostmaghreb.com. Archiviert vom Original am 13. Oktober 2015; abgerufen am 11. Dezember 2019 (englisch).
  11. Hamma Hammami. In: huffpostmaghreb.com. Archiviert vom Original am 14. April 2019; abgerufen am 11. Dezember 2019 (englisch).
  12. 10 Years After the Arab Spring, Tunisian Feminists Fight a Similar Battle. Abgerufen am 18. Dezember 2023 (englisch).
  13. In Tunisia, '#EnaZeda' Is Encouraging Women to Speak Up About Sexual Harassment. In: Egyptian Streets. 22. November 2019, abgerufen am 10. Dezember 2019 (amerikanisches Englisch).
  14. a b Lilia Blaise: Tunisia's #MeToo Started Outside a High School. Will It End in Court? In: New York Times, 10. November 2019. Abgerufen am 11. Dezember 2019 (amerikanisches Englisch). 
  15. Anna Antonakis: Renegotiating Gender and the State in Tunisia between 2011 and 2014. Hrsg.: Antonakis (= Politik und Gesellschaft des Nahen Ostens). Springer Fachmedien Wiesbaden, 2019, ISBN 978-3-658-25639-5, The Interactional Dimension of the Public Sphere, S. 189–218, doi:10.1007/978-3-658-25639-5_10 (englisch).
  16. admin76crimes: Amid democratic reforms, deeper troubles for LGBT Tunisians. In: Erasing 76 Crimes. 18. Oktober 2016, abgerufen am 11. Dezember 2019 (amerikanisches Englisch).
  17. Fundacja Europa Przyszłości: Tunezja: #EnaZeda oznacza #MeToo ⋆ Euroislam - imigracja, terroryzm, radykalny islam, prawa człowieka. In: Euroislam - imigracja, terroryzm, radykalny islam, prawa człowieka. 10. Dezember 2019, abgerufen am 11. Dezember 2019 (polnisch).
  18. Association Tunisienne des Femmes Démocrates - ATFD. Abgerufen am 18. Dezember 2023 (französisch).
  19. a b Ameni: Tunisia, fired for being feminist and LGBT-friendly. In: Il Grande Colibrì. 30. Januar 2017, abgerufen am 10. Dezember 2019 (amerikanisches Englisch).
  20. Anna Antonakis, Renegotiating Gender and the State in Tunisia between 2011 and 2014: Power, Positionality, and the Public Sphere, Politik Und Gesellschaft Des Nahen Ostens (Wiesbaden: Springer, 2019), p. 210; doi:10.1007/978-3-658-25639-5.
  21. Tunesiens Frauen nach der Revolution: „Frauen gehen in Associations, Männer ins Café“. Abgerufen am 18. Dezember 2023.
  22. International: Coalition for Sexual and Bodily Rights in Muslim Societies (CSBR): Sexuality Institute 2008 | Women Reclaiming and Redefining Cultures. In: www.wluml.org. Archiviert vom Original am 11. Dezember 2019; abgerufen am 11. Dezember 2019 (englisch).
  23. Coalition for Sexual and Bodily Rights in Muslim Societies (CSBR): Open Letter to Recep Tayyip Erdogan. In: kadinininsanhaklari.org/. 31. August 2016; (englisch).
  24. Kaos GL-News Portal for LGBTI+: Coalition for Sexual Rights in Muslim Societies wrote a letter to Erdoğan. In: Kaos GL - News Portal for LGBTI+. Abgerufen am 11. Dezember 2019 (englisch).
  25. Debate on interfaith marriage revs up again in Tunisia | Iman Zayat. In: AW. Abgerufen am 10. Dezember 2019 (englisch).
  26. Anonym: Feast of women in Tunisia: some fights still have a hard tooth - RFI | tellerreport.com. In: www.tellerreport.com. Abgerufen am 10. Dezember 2019 (englisch).
  27. Fête de la femme en Tunisie: des combats de longue haleine pour les droits - RFI. In: RFI Afrique. 13. August 2019, abgerufen am 11. Dezember 2019 (französisch).
  28. Najma Kousri Labidi: Is There Hope For Egypt's LGBT Community? In: HuffPost. 2. Dezember 2014, abgerufen am 11. Dezember 2019 (englisch).
  29. Najma Kousri Labidi: Des organisations influentes dans le monde arabe dénoncent la persécution des homosexuels et la complicité des médias en Egypte. In: Al Huffington Post. 15. Dezember 2014, archiviert vom Original am 17. Dezember 2014; abgerufen am 3. Mai 2021 (französisch).
  30. a b Revolutionary kisses: Gay couples rock Tunisian taboos. In: The France 24 Observers. 5. Oktober 2015, abgerufen am 10. Dezember 2019 (englisch).
  31. Vidéo. Mobilisation inédite pour la promotion des droits sexuels et corporels en Tunisie. In: StopHomophobie.com. 1. Oktober 2015, abgerufen am 11. Dezember 2019 (französisch).
  32. Haithem Haouel: Shams pour la dépénalisation des droits des homosexuels organise son premier meeting public. In: All Africa. 4. Oktober 2015, abgerufen am 3. Mai 2021 (französisch).
  33. Salma Bouraoui: Comment garantir la sécurité sans tomber dans les abus ? Le Temps, 8. Januar 2015, abgerufen am 3. Mai 2021 (französisch).
  34. World Pride 2017. In: worldpridemadrid2017.com. Abgerufen am 11. Dezember 2019 (englisch).
  35. Rihab Boukhayatia: Parce qu'elle défend la cause des femmes et des homosexuels, cette tunisienne est licenciée de son travail. In: Al HuffPost Maghreb. 4. Januar 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 11. Dezember 2019 (französisch).