Nebennierenrindenkarzinom

bösartiger Drüsenzelltumor der Nebennierenrinde
Klassifikation nach ICD-10
C74 Bösartige Neubildung der Nebenniere
C74.0 Nebennierenrinde
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ICD-10 online (WHO-Version 2019)
Ein Bild von einem entfernten Nebennierenrindenkarzinom. Die Schnittfläche ist sehr ungleichmäßig mit ungleichmäßigem und mehrfahrbigem Wachstum.
Schnitt durch ein NNK von etwa 17 cm Durchmesser. Da angrenzende Organe ebenfalls befallen waren mussten Niere (glatt, links oben) und Milz (dunkelviolett, unten) mitentfernt werden.

Das Nebennierenrindenkarzinom (NNK, englisch adrenocortical carcinoma (ACC)) ist ein von der Nebennierenrinde ausgehender seltener Tumor. Es kann alle 3 Schichten der Nebennierenrinde betreffen.[1] Da es sich bei der Nebenniere um Drüsengewebe handelt, beschäftigt sich federführend das medizinische Fachgebiet der Endokrinologie mit dem Nebennierenrindenkarzinom.

Vorbemerkung

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Die wesentlichen Fakten für diesen Artikel basieren auf internationalen Leitlinien zu Nebennierentumoren.[2][3][4]

Vorkommen

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Nebennierenkarzinome sind selten (pro Jahr ca. 0,7 bis 2,0 Fälle auf 1 Mio.). Ein Nebennierenkarzinom kann in jedem Lebensalter auftreten, wobei die höchste Inzidenz zwischen 40 und 60 Jahren liegt. Frauen sind häufiger betroffen (55 bis 60 %) als Männer (40 bis 45 %). Nebennierenkarzinome treten bei Erwachsenen meistens sporadisch auf. Mitunter kommen sie aber auch als Teil erblicher Syndrome vor, wie z. B.:

Pathogenese

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Zwar konnte in den vergangenen Jahren mittels Studien die Pathogenese besser verstanden werden, jedoch weist nur ein kleiner Teil der Nebennierenkarzinome die Krankheit erzeugende Veränderungen im Genom von Tumorzellen auf, die für das Zellwachstum und die Zellvermehrung eines Tumors begünstigen können.[2]

Symptome

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Hormonüberschuss

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Bei etwa 50 bis 60 % der Patienten mit Nebennierenrindenkarzinom tritt ein Überschuss von der Nebenniere ausgeschütteten Hormonen unabhängig von äußeren Einflüssen auf. Meist treten Hypercortisolismus (Cushing-Syndrom) oder gemischte Cushing- und Virilisierungssyndrome auf. Dabei ist ein reiner Überschuss an Androgenen weniger häufig, während ein Überschuss an Östrogen oder Mineralocorticoiden sehr selten ist.

Unspezifische Krankheitszeichen

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Zu den unspezifische Krankheitszeichen, die durch eine Raumforderung im Bauchraum verursacht werden, zählen Bauchbeschwerden (z. B. Übelkeit, Erbrechen, Völlegefühl) oder Rückenschmerzen. Klassische mit Bösartigkeit assoziierte Symptome wie z. B. Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Müdigkeit oder Fieber treten selten auf.

Diagnostik

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Zufallsfund: Inzidentalom

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Viele Karzinome der Nebenniere werden zufällig diagnostiziert (Inzidentalome). Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei einem Inzidentalom der Nebenniere um ein Karzinom der Nebennierenrinde handelt, gering. Es kann sich z. B. um ein Adenom oder eine Zyste handeln.

Übergreifende Empfehlungen im Rahmen der Diagnose

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Alle Patienten mit vermutetem oder nachgewiesenem Nebennierenrindenkarzinom werden möglichst zum Zeitpunkt der Erstdiagnose im Rahmen der Sitzung eines Tumorboards besprochen. Da das Nebennierenrindenkarzinom selten ist, ist es wünschenswert, dass Patienten an Studien (z. B. Deutsche Nebennierenkarzinom-Studiengruppe) zu Erkrankung und Behandlung teilnehmen. Ebenso an Registern (z. B. ENS@T registry) und der Sammlung von biologischem Material im Rahmen strukturierter Forschungsprogramme. Die Zielsetzung hierbei ist mittels Erkenntnisgewinn in der medizinischen Forschung die Diagnose und Behandlung zu verbessern.

Diagnoseverfahren bei Verdacht auf Nebennierenrindenkarzinom

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Allgemeine Empfehlungen

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Die Diagnose Nebennierenrindenkarzinom ist nicht immer eindeutig. Veränderung der Größe der Nebennieren können Bösartig oder gutartig sein. Dabei gilt: Karzinome weisen Malignität auf, sind also bösartig; Adenome weisen Benignität auf, sind also gutartig. Um keine Zeit zu verlieren, ist es sinnvoll so schnell wie möglich festzustellen, ob eine Veränderung der Nebennierenrinde bösartig ist. Daher werden alle erforderlichen Methoden der Diagnostik möglichst ohne Zeitverzug angewendet. Jeder Patient mit Verdacht auf Nebennierenkarzinom bzw. Nebennierenrindenkarzinom sollte sich daher einer sorgfältigen Untersuchung unterziehen. Dazu gehört neben der geeigneten Bildgebung (Funktionelle Bildgebung) auch die Anamnese und klinische Untersuchung auf Symptome und Anzeichen von einem Überschuss an von den Nebennieren ausgeschütteten Hormonen.

Prüfen auf Hormonüberschuss

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Alle Patienten mit Verdacht auf Nebennierenrindenkarzinom durchlaufen eine detaillierte hormonelle Untersuchung, um einen möglichen, von äußeren Einflüssen unabhängigen, Überschuss an

zu identifizieren. Außerdem ist notwendig ein Phäochromozytom auszuschließen.

Bildgebung

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Bei allen Patienten mit Verdacht auf Nebennierenrindenkarzinom wird geeignete Bildgebung durchgeführt, die auf die Nebenniere fokussiert ist. Dabei werden bei akutem Verdacht auf Nebennierenrindenkarzinom zusätzlich zu einer Bildgebung mit Bauch-Becken-Schnitt mittels CT oder MRT auch eine Thorax-CT durchgeführt. Die Durchführung zusätzlicher Bildgebung (z. B. Bildgebung von Knochen und Gehirn) ist nur bei klinischem Verdacht auf metastatische Läsionen, also Läsionen, die von Metastasen verursacht werden, empfehlenswert. Die Durchführung einer Biopsie der Nebenniere ist bei der diagnostischen Abklärung von Patienten mit Verdacht auf Nebennierenrindenkarzinom in der Regel nicht ratsam. Ausnahme: Es liegen Hinweise auf Metastasen vor, die eine Operation ausschließen und deshalb einen histopathologischer (siehe Histologie und Pathologie) Nachweis zur Information über die onkologische (siehe Onkologie) Behandlung erforderlich machen.

Therapie

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Die Entfernung der gesamten Nebenniere (radikale Adrenalektomie) ist die einzige heilende Therapie.[1] Voraussetzung ist Freiheit von Fernmetastasen. Infiltrierte Nachbargewebe werden mitentfernt.

Weiterhin werden tumornahe sowie zwischen Hauptschlagader und unterer Hohlvene gelegene Lymphknoten (Lymphadenektomie) und das retroperitoneale Fettgewebe zwischen Zwerchfell und Nierenstiel entfernt. Der Zugang erfolgt aus Gründen der Übersichtlichkeit thorakoabdominal.

Das nichtoperable Nebennierenrindenkarzinom kann mit Mitotan, einem Zytostatikum, das gezielt die Zellteilung in der Nebennierenrinde hemmt, behandelt werden.

Die Prognose ist insgesamt schlecht, das Ansprechen auf eine medikamentöse Therapie unbefriedigend.[1]

Kinder mit Nebennierenrindenkarzinom

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Allgemeine Informationen

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Bei Kindern ist ein Nebennierenkarzinom äußerst selten (pro Jahr ca. 0,2 bis 0,3 Fälle auf 1 Mio.).[5] Die Prognose ist schlecht. Es gibt derzeit keine etablierten Standards zu Diagnostik und Therapie.[6] Daher wurde bei ENSAT die Studiengruppe „ENSAT kids“ für Kinder mit Nebennierenrindenkarzinom eingerichtet. Während bei Erwachsenen nur ein Teil der Nebennierenridenkarzinome hormonaktiv ist, sind bei betroffenen Kindern fast alle diese Karzinome hormonaktiv.[7] Dabei tritt meist das Cushing-Syndrom, eine vorzeitige Geschlechtsentwicklung (Pubertas praecox) oder Virilisierung auf. Wie bei der Therapie erwachsener Patienten wird der Tumor chirurgisch komplett entfernt. Liegt ein fortgeschrittenes Stadium vor, werden auch bei Kindern zusätzlich Lymphknoten entfernt und eine Chemo- und Mitotan-Therapie durchgeführt.

Stand der Forschung

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Etwa 70 % der betroffenen Kinder sind weiblich. Davon sind ca. 90 % hormonaktive Karzinome.

  • 50 % Androgene
  • 30 % gemischt
  • 10 % Steroide
  • 10 % hormoninkativ

Die mittlere Zeit vom Beginn der Symptome bis zur Diagnose beträgt sechs Monate. Etwa 70 % der Tumore sind können chirurgisch in Gänze entfernt werden.

Der aktuelle Stand der Forschung wird als unzureichend angesehen. Die wenigen verfügbaren Vergleiche zwischen den Nebennierenrindenkarzinomen von Erwachsenen und Kindern weisen auf deutliche Unterschiede hin. Daher können Erkenntnisse, die bisher bei Erwachsenen gewonnen wurden, nicht ohne weiteres auf Kinder übertragen werden. Um diese Wissenslücken zu schließen und für Kinder geeignete Therapien festlegen zu können, ist ein besseres molekularbiologisches Verständnis von Prognose und Tumorbiologie der Nebennierentumore bei Kindern erforderlich.

Aktuell bestehen im Wesentlichen folgende Forschungsfragen:

  1. Klinisch: Statuserhebung von Diagnostik und Therapie international mit dem Ziel der Verbesserung des klinischen Verständnisses und der Behandlungsabläufe.
  2. Klinisch-translational: Analyse der Wertigkeit von Profilen von Plasma- und Urinsteroiden / Liquid Biopsy („Flüssigbiopsie“) mit dem Ziel geeignete Tumormarker aufzuspüren.
  3. Experimentell: Identifikation immunhistochemischer Charakteristika, DNA-Sequenzierung mit dem Ziel der Identifikation von drugable targets, also Zielen für die medikamentöse Bekämpfung von Tumorzellen. Dadurch sollen gesunde Zellen vom Medikament möglichst verschont bleiben.[5]

Siehe auch

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Commons: Nebennierenrindenkarzinom – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. a b c W. Siegenthaler: Klinische Pathophysiologie. Thieme Verlag, 2006, ISBN 3-13-449609-7, S. 343–344, books.google.de
  2. a b Martin Fassnacht, Stylianos Tsagarakis, Massimo Terzolo, Antoine Tabarin, Anju Sahdev, John Newell-Price, Iris Pelsma, Ljiljana Marina, Kerstin Lorenz, Irina Bancos, Wiebke Arlt, Olaf M Dekkers: European Society of Endocrinology clinical practice guidelines on the management of adrenal incidentalomas, in collaboration with the European Network for the Study of Adrenal Tumors. In: European Journal of Endocrinology. Volume 189, Issue 1, July 2023, ISSN 0804-4643, Pages G1–G42, https://doi.org/10.1093/ejendo/lvad066 [abgerufen am 6. Juli 2024]
  3. Martin Fassnacht, Olaf Dekkers, Tobias Else, Eric Baudin, Alfredo Berruti, Ronald. R. de Krijger, Harm R. Haak, Radu Mihai, Guillaume Assie, Massimo Terzolo: European Society of Endocrinology clinical practice guidelines on the management of adrenal incidentalomas, in collaboration with the European Network for the Study of Adrenal Tumors. In: European Journal of Endocrinology. Volume 179, Issue 4, October 2018, Pages G1–G46, https://doi.org/10.1530/EJE-18-0608 [abgerufen am 10. November 2024]
  4. M. Fassnacht, G. Assie, E. Baudin, G. Eisenhofer, C. de la Fouchardiere, H. R. Haak, R. de Krijger, F. Porpiglia, M. Terzolo, Berruti, on behalf of the ESMO Guidelines Committee: Adrenocortical carcinomas and malignant phaeochromocytomas: ESMO - EURACAN Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. In: Annals of Oncology. Volume 31, Issue 11, August 2020, Pages 1476–1490, https://doi.org/10.1016/j.annonc.2020.08.2099 [abgerufen am 10. November 2024]
  5. a b Pädiatrische Nebennierenkarzinome, https://www.ukw.de/kinderklinik/forschung/nebennierenkarzinome/ [abgerufen am 13. Juli 2024]
  6. Maria Riedmeier, Boris Decarolis, Imme Haubitz, Sophie Müller, Konstantin Uttinger, Kevin Börner, Joachim Reibetanz, Armin Wiegering, Christoph Härtel, Paul-Gerhardt Schlegel, Martin Fassnacht and Verena Wiegering: Adrenocortical Carcinoma in Childhood: A Systematic Review. In: MDPI Cancers 2021, 13(21), published: 20 October 2021. 5266. https://www.doi.org//10.3390/cancers13215266 [abgerufen am 15. Juli 2024]
  7. Prof. Dr. Verena Wiegering "Nebennierenrindentumore im Kindesalter", GLANDULA 55-22, Seite 36–37, veröffentlicht im Dezember 2022 https://web.archive.org/web/20240804080733/https://www.glandula-online.de/fileadmin/user_upload/Aktuelle_Meldungen/GLANDUlinchen_2-22.pdf [abgerufen am 4. August 2024]