Die Neurotmesis ist eine traumatische Schädigung eines peripheren Nervs, bei der neben dem Axon (Axonotmesis) auch die Myelinscheide und die bindegewebigen Begleitstrukturen (Perineurium, Epineurium) mehr oder weniger durchtrennt werden. Das Axon zerfällt distal des Läsionsortes im Sinne der Waller-Degeneration, während der proximale Axon-Stumpf einen Wachstumskegel ausbildet und versucht, wieder in das Innervationsgebiet vorzuwachsen.

Abgrenzung

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Von der Neurotmesis werden nach der von Herbert Seddon (1903–1977) geprägten Einteilung[1] die leichteren Läsionsformen der Neurapraxie und Axonotmesis unterschieden.

  Schema eines intakten Nervs
  Neurapraxie Grad 1: Axon und Hüllgewebe sind erhalten.
  Axonotmesis Grad 2: Das Axon ist durchtrennt,
das Hüllgewebe ist aber erhalten.
  Neurotmesis Grad 3: Axon und Endoneurium sind zerstört, Perineurium und Epineurium sind intakt Grad 4: Axon, Endo- und Perineurium sind zerstört, Epineurium ist intakt Grad 5: Alle Strukturen des Nervs sind zerstört (kompletter Nerv durchtrennt)

Anm.: Die Axone sind von einem Endoneurium umgeben und zu einem Faszikel zusammengefasst. Mehrere Faszikel sind vom Perineurium zusammen zum eigentlichen Nerv zusammengefasst. Der Nerv an sich ist von einem Epineurium umgeben.

Die gezielte operative Durchtrennung eines Nervs wird als Neurotomie (ohne Substanzverlust) beziehungsweise Neurektomie (mit Substanzverlust) bezeichnet.

Prognose

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Die Prognose hängt vom Grad der Schädigung ab. Während eine Neurapraxie in der Regel folgenlos nach einigen Wochen verheilt, kommt es bei der Axonotmesis erst nach einigen Monaten zu einer Regeneration, die aber meist komplett ist (restitutio ad integrum). Bei der Neuronotmesis Grad 3 kommt es zu einer inkompletten Regeneration, die mit einer Geschwindigkeit von ca. 1–3 mm/Tag abläuft. Bei höhergradigen Schädigungen (wie Grad 4 und 5) bildet sich ein Narbengewebe, (Kontinuitätsneurom), welches keine oder nur eine sehr schlechte Regeneration zulässt. Es besteht daher eine OP-Indikation. Insbesondere bei Grad 5 (also der kompletten Durchtrennung aller Nervenstrukturen) kann nur eine Nervennaht eine Aussicht auf Besserung der Nervenfunktion bieten. Sind die Nervenstümpfe nicht mehr annäherbar, so kann ein Nerveninterponat eingesetzt werden, d. h. es werden Nervenfasern eines anderen Nerven in die Lücke hineintransplantiert, der Defekt wird also überbrückt.

Neben chirurgischen Maßnahmen zur Wiederherstellung geschädigter peripherer Nerven wurde auch die biochemische (medikamentöse) Beeinflussbarkeit körpereigener regenerativer Prozesse untersucht. Betrachtet wurden hierbei u. a. folgende Substanzen:[2]

Auch lokal applizierte Gele mit Aprotinin oder Glykosaminoglykanen sollen eine positive Wirkung haben.

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Herbert J. Seddon: A classification of nerve injuries. British Medical Journal 2, 237–9 (1942)
  2. A. Benga, F. Zor, A. Korkmaz, B. Marinescu, V. Gorantla: The neurochemistry of peripheral nerve regeneration. Indian Journal of Plastic Surgery 50, 5–15 (2017) DOI:10.4103/ijps.IJPS_14_17, Online: 5. 7. 19