Noctuoidea

Überfamilie der Ordnung Schmetterlinge (Lepidoptera)

Die Noctuoidea sind eine Überfamilie der Schmetterlinge (Lepidoptera). Mit etwa 70.000 Arten ist sie die mit Abstand größte und gleichzeitig weltweit am meisten verbreitete Überfamilie der Schmetterlinge. Sie umfasst in Europa 2250 Arten und Unterarten.[1] Sowohl die Falter als auch die Raupen umfassen eine große Vielfalt an Körpergrößen, Körperfarben, Lebensweisen und ökologischen Anpassungen.[2]

Noctuoidea

Scheck-Tageule (Callistege mi)

Systematik
Unterstamm: Sechsfüßer (Hexapoda)
Klasse: Insekten (Insecta)
ohne Rang: Eumetabola
Ordnung: Schmetterlinge (Lepidoptera)
Unterordnung: Glossata
Überfamilie: Noctuoidea
Wissenschaftlicher Name
Noctuoidea
Latreille, 1809
Raupe der Achateule (Phlogophora meticulosa)

Merkmale

Bearbeiten

Auch wenn die Falter in ihrer Gestalt und Größe sehr unterschiedlich sind, so haben doch viele Arten einen kräftigen und robusten Körperbau.[3] Die Monophylie ist sehr gut durch die Tympanalorgane am Metathorax und die mit ihnen zusammengehörigen Strukturen am Hinterleib begründet. Mit diesen Organen können die Tiere Ultraschalllaute unterschiedlicher Frequenzen wahrnehmen. Es wird vermutet, dass die Hauptfunktion der Tympanalorgane in der Erkennung der Ultraschalllaute von jagenden Fledermäusen liegt. Es gibt jedoch auch einige Hinweise darauf, dass sie für den Empfang von Paarungssignalen eingesetzt werden.[2]

Auf jeder Seite des Thorax ist das Metepimeron hinten so modifiziert, dass sich eine Einbuchtung ergibt, in der die Membran des Tympanalorgans (Tympanum) liegt. Die Membran ist in der Regel durch das Epaulette vom Metepimeron getrennt. Vor dem Epaulette kann das Metepimeron membranös sein. Dorsomedial zum Tympanalorgan liegt das Gegentympanum, das mit diesem durch die gleiche Luftkammer verbunden ist. Diese zweite Membran fungiert wahrscheinlich als ein zusätzliches Resonanzorgan. Die Vorderseite des ersten Hinterleibssegmentes kann stark nach innen gestülpt sein und so ein paar Einbuchtungen für die Gegentympana bilden. Seitlich kann sich eine sklerotisierte Klappe befinden, die vor oder nach dem Stigma des ersten Hinterleibssegments liegt. Sie dient vermutlich dazu, empfangene Geräusche zu lokalisieren. Die genaue Funktion dieser Klappe ist aber noch nicht vollständig erforscht.[2]

Flügeladerung

Bearbeiten
 
Quadrifine Flügeladerung bei Arctornis l-nigrum aus der Familie der Erebidae. Die Cubitalader (Cu) erreicht bei den Erebidae vier Endäste. Die vierte Teilung ist mit einem Kreis markiert.

Innerhalb der Noctuoidea treten zwei Muster der Flügeladerung an den Vorderflügeln auf. Bei der plesiomorphen Variante entspringt M2 auf halber Länge von M1 und M3 zwischen diesen. Dadurch ergibt sich eine Dreiteilung ab der unteren Ecke der Diskalzelle. Diese „trifide“ Flügeladerung tritt bei der Gattung Oenosandra und den Zahnspinnern auf. Bei der zweiten Variante entspringt M2 sehr nahe an M3, ist mit dieser verwachsen oder mit ihr gestielt. Diese vierteilige beziehungsweise „quadrifide“ Flügeladerung tritt bei allen übrigen Noctuoidea auf, mit Ausnahme derer, bei denen dieses Merkmal wiederum so weiterentwickelt ist, dass die Adern so miteinander verschmolzen sind, dass man weniger Äste erkennen kann.

Tympanalorgane

Bearbeiten

Auch bei den Tympanalorganen gibt es zwei wesentliche Baupläne. Bei den Zahnspinnern und einigen Arten der Syntomini ist das Metepimeron dorsal stark konkav, was bewirkt, dass die Membran ventral orientiert ist. Epaulette und Klappe am Gegentympanum fehlen in diesem Fall. Bei der Gattung Oenosandra und den quadrifinen Familien der Gruppe ist das Metepimeron maximal nur wenig konkav, wodurch die Membran nach vorne orientiert ist. Epaulette und Klappe am Gegentympanum sind ausgebildet. Bei den Notodontidae wird das Tympanum nur durch eine akustische Sinneszelle angeregt, wohingegen bei den Noctuidae zwei ausgebildet sind. Die Ausbildung dieses Merkmals ist jedoch noch nicht ausreichend gut erforscht.[2]

Die Eier sind vom aufrechten Typ.[3]

Die Raupen haben mittig am Rücken des Metathorax zwei Borsten, die vermutlich mit Ausnahme der Oenosandridae eine gute Synapomorphie der Überfamilie darstellen. Diese Borsten sind allerdings bei den mitunter stark behaarten Untergruppen nur schwer zu lokalisieren. Andere Merkmale der Raupen, die in älterer Literatur genannt werden, sind plesiomorph.[2]

Lebensweise

Bearbeiten

Die Raupen der meisten Arten ernähren sich auf Pflanzen sitzend, es gibt jedoch auch eine Reihe von Arten, die sich als Bohrer in den Pflanzen entwickeln.[3]

Systematik

Bearbeiten

Die Gruppe umfasst mindestens 42.000 bis etwa 70.000 Arten in über 7200 Gattungen. Kristensen (2003) unterteilte die Noctuoidea in acht Familien: Oenosandridae, Doidae und Notodontidae sowie die quadrifiden restlichen Familien (Noctuidae, Pantheidae, Lymantriidae, Nolidae und Arctiidae).[2] Fibiger und Lafontaine haben 2005 eine revidierte Klassifikation der Noctuoidea mit zehn Familien vorgestellt. Zusätzlich zu den oben genannten Gruppen wurden die Erebinae als Erebidae sowie die Strepsimaninae als Strepsimanidae in den Familienrang erhoben und die Micronoctuidae als eigene Familie etabliert. Die Pantheidae wurden als Unterfamilie Pantheinae in die Familie der Eulenfalter (Noctuidae) gestellt.[4] Später wurden vier Gruppen im Familienrang (Arctiidae, Lymantriidae, Micronoctuidae und Strepsimanidae) wieder auf Unterfamilienniveau gesetzt.[5] Die Familie Doidae wurde in die Überfamilie Drepanoidea transferiert. Die Familie Euteliidae wurde für die Unterfamilien Euteliinae und Stictopterinae errichtet. Die folgende Systematik geht im Wesentlichen auf Zahiri et al. 2011 zurück und umfasst sieben Familien.[6] Die Anzahl der Gattungen und Arten spiegelt de Stand von 2011 wider.[7]

Die phylogenetische Stellung der Familien wird derzeit hauptsächlich so wiedergegeben: Notodontidae + (Erebidae + (Nolidae + (Euteliidae + Noctuidae))).[9]

  1. Noctuoidea bei Fauna Europaea. Abgerufen am 26. Februar 2011
  2. a b c d e f Niels P. Kristensen: Lepidoptera, moths and butterflies. In: Maximilian Fischer (Hrsg.): Handbook of Zoology. 1. Auflage. Band 4Arthropoda: Insecta, Teilband 35. de Gruyter, Berlin / New York 1998, ISBN 3-11-015704-7 (englisch).
  3. a b c Malcolm J. Scoble: The Lepidoptera: Form, Function and Diversity. Oxford University Press, Oxford 1995, ISBN 0-19-854952-0 (englisch).
  4. Michael Fibiger & J. Donald Lafontaine: A review of the higher classification of the Noctuoidea (Lepidoptera) with special reference to the Holarctic fauna. Esperiana, 11, S. 7–92, 2005
  5. J. Donald Lafontaine und Michael Fibiger: Revised higher classification of the Noctuoidea (Lepidoptera). Canadian Entomologist, 138: 610–635, Ottawa 2006 ISSN 0008-347X
  6. Reza Zahiri et al.: A new molecular phylogeny offers hope for a stable family level classification of the Noctuoidea (Lepidoptera). Zoologica Scripta, 40, S. 158–173, 2011
  7. Z.-Q. Zhang (Hrsg.): Animal biodiversity: An outline of higher-level classification and survey of taxonomic richness. Zootaxa, Mapress 2011 (PDF)
  8. Ryan A. St Laurent, Paul Z. Goldstein, Scott E. Miller, Robert K. Robbins. 2024. Hiding in Plain Sight: Phylogenomics reveals A New Branch on the Noctuoidea Tree of Life. Systematic Entomology. 49(2); 258-278. DOI: 10.1111/syen.12614
  9. Mingsheng Yang, Lu Song, Yuxia Shi, Yanjun Yin, Yueying Wang, Peipei Zhang, Jiaqin Chen, Lijiao Lou, Xiaomeng Liu: The complete mitochondrial genome of a medicinal insect, Hydrillodes repugnalis (Lepidoptera: Noctuoidea: Erebidae), and related phylogenetic analysis. International Journal of Biological Macromolecules, Volume 123, S. 485–493, Februar 2019.

Literatur

Bearbeiten
  • Niels P. Kristensen: Lepidoptera, moths and butterflies. In: Maximilian Fischer (Hrsg.): Handbook of Zoology. 1. Auflage. Band 4Arthropoda: Insecta, Teilband 35. de Gruyter, Berlin / New York 1998, ISBN 3-11-015704-7 (englisch).
  • Malcolm J. Scoble: The Lepidoptera: Form, Function and Diversity. Oxford University Press, Oxford 1995, ISBN 0-19-854952-0 (englisch).