Die Orgelanlage der Marienbasilika geht in großen Teilen zurück auf ein Instrument, das in den Jahren 1905–1907 von der Orgelbaufirma Ernst Seifert (damals: Köln) erbaut worden war. Es ersetzte die erste große Basilikaorgel, die um das Jahr 1874 von dem Orgelbauer Wilhelm Rütter (Kevelaer) erbaut worden war; das Orgelwerk von Rütter wurde teilweise in die Kevelaerer Pfarrkirche übertragen.
Auf der Westempore errichtete Ernst Seifert eine große Orgel mit zunächst 104 Registern. Gleichzeitig errichtete er auf einer kleinen Empore im nördlichen Querhaus ein Instrument mit 18 Registern auf einem Manual und Pedal, welches in einem Schwellkasten untergebracht war. Dieses Instrument diente als Chororgel; es hatte eine eigene Spielanlage und war über elektropneumatische Trakturen als Fernwerk vom vierten Manual des Hauptspieltisches der Hauptorgel aus spielbar.
Die gesamte Orgelanlage hatte pneumatische Membranladen; sie wurden nach dem von Ernst Seifert im Jahre 1882 erfundenen System ausgeführt. Der frei stehende Spieltisch auf der Westempore hatte zahlreiche Spielhilfen. Erwähnenswert sind die pneumatisch kreuzweise wirkenden Oktavkoppeln zwischen II/I und III/II; bemerkenswert waren auch die drei Schwelltritte für das Fernwerk, das Hauptschwellwerk (neben Registern des III. Manualwerkes standen darin auch einige Pedalregister) und einen Pedalschwellkasten Schwellertremolo, in dem sich eine Vox humana 8′ und ein Gedackt 8′ befanden.
Um das Jahr 1926 beschloss man, die Orgelbühne zu vergrößern, damit dort auch der Chor und das Orchester der Basilika Platz finden konnten. In diesem Zuge wurde die Orgel von Ernst Seifert elektrifiziert und erhielt einen neuen, fahrbaren Spieltisch. Außerdem wurden die Koppelmöglichkeiten ausgebaut (nunmehr 27 Einzelkoppeln sowie eine Melodiekoppel) und die Disposition erweitert; u. a. erhielt das Schwellwerk eine französische Zungenbatterie, entsprechend den „Récits“ von Cavaillé-Coll und Mutin; außerdem wurden neue Mixturen eingebaut, sowie eine Celesta. Die Registerzahl der Orgelanlage stieg damit auf insgesamt 131 Register.
Bei einem Bombentreffer im Jahre 1945 wurde das Fernwerk zerstört. Die Hauptorgel überstand den Krieg nahezu unbeschädigt und litt erst unmittelbar nach Kriegsende, als insbesondere große Teile des Prospekts entfernt und verheizt wurden. Bereits 1945 wurde das Instrument provisorisch wiederhergestellt, wobei einige Stimmen aufgegeben wurden und das Instrument in Teilen verändert wurde.[1] Der Prospekt wurde nur provisorisch und vereinfacht wiederhergestellt.[2] Im Zuge einer umfassenden Restaurierung in den Jahren 1976–1981 durch den Orgelbauer Romanus Seifert (Kevelaer) wurde der historische Prospekt rekonstruiert, einschließlich der Zinn-Pfeifen, die bereits im Ersten Weltkrieg zu Rüstungszwecken hatten abgeliefert werden müssen. Zudem wurde das Instrument teilweise „barockisiert“, indem einige Mixturen ausgetauscht wurden gegen neue mit schärferer Intonation. Anlässlich des Besuches von Papst Johannes Paul II. im Jahre 1987 installierte man hinter dem Hauptgehäuse drei horizontale Chamade-Zungen (Tuba magna 16′, Tuba mirabilis 8′ und Cor harmonique 4′). Bei diesen Registern handelt es sich um Kopien der Chamaden der Cavaille-Coll-Orgel von Sacré-Cœur in Paris. Das Instrument hatte nun 128 Register.
Ein Brand in der Kirche im Jahre 2002, den das Instrument unbeschadet überstand, wurde zum Anlass für eine Rückführung des Instruments auf den historischen Zustand von 1926 genommen. Dabei wurde auch das Fernwerk rekonstruiert, allerdings ohne eigene Spielanlage, da zwischenzeitlich ein weiteres Instrument die Funktion einer Chororgel erfüllte. Auch der viermanualige, freistehende Generalspieltisch auf der Westempore wurde rekonstruiert und mit einer elektronischen Setzeranlage ausgestattet. Derzeit sind noch 3 Register vakant.[3]
Im Jahre 2018 wurde das Auxiliarwerk entfernt. Es hatte 13 Register (Pommer 16′, Principal 8′, Gedackt 8′, Salicional 8′, Dulziana 8′, Unda Maris 8′, Oktave 4′, Koppelflöte 4′, Viola 4′, Larigot 11⁄3′, Cor Anglais 16′, Hautbois 8′, Clairon 4′).[4] 2022 wurden die fehlenden Register ergänzt.
Die Orgelanlage der Basilika hat heute 134 klingende Register (keine Transmissionen!) auf vier Manualen und Pedal; drei Register sind noch vakant. Das neogotische Prospektgehäuse hat eine Höhe von 14 Metern, eine Breite von 9 Metern und eine Tiefe von 10 Metern.[5] Die Disposition umfasst einen großen Fundus an Grund- und Zungenstimmen.[6]
Feste Kombinationen: Principalchor, Gambenchor, Violinenchor, Flötenchor, Forte I, Forte II, Forte III, Handregister, Tutti, Fortissimo, Forte, Mezzoforte, Piano, Pianissimo, Forte Fernwerk, Piano Fernwerk
Die Chororgel wurde 1980 von Romanus Seifert & Sohn (Kevelaer) erbaut. Das Schleifladen-Instrument hat 10 Register auf zwei Manualwerken und Pedal. Die Spiel- und Registertrakturen sind mechanisch.[7]
Von 1983 bis 2000 war der insbesondere als Improvisator bekannt gewordene Wolfgang Seifen Organist an der Marienbasilika. Sein Nachfolger ist Elmar Lehnen.
↑Ausführlich zur Geschichte der Orgel: Gregor Klein, Geldern: Die große Seifert-Orgel der Marienbasilika zu Kevelaer, in: Ars Organi, 29. Jahrgang, Heft 3, September 1984
↑Zur Restaurierungsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg siehe Karl-Heinz Göttert: Die große Seifert-Orgel in der Kevelaer Marienbasilika, in Ars Organi, 55. Jahrgang, Heft 3; Köln: September 2007
↑Zur Disposition des Auxiliarwerkes auf der Website von Orgelbau Seifert