Ossi und Wessi

ugs. Ostdeutscher und Westdeutscher

Ossi und Wessi sind umgangssprachliche Bezeichnungen für Menschen, die in der ehemaligen DDR oder Ostdeutschland seit 1990 (Ossi) oder in der BRD oder den westdeutschen Bundesländern (Wessi) geboren oder aufgewachsen sind.[1][2]

Wortgeschichte

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„Wessi“

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Bereits Jahrzehnte vor der deutschen Wiedervereinigung wurde in West-Berlin der Begriff Wessi für westdeutscheProvinzler“ gebraucht, insbesondere für diejenigen, die nach Berlin zuzogen oder dort zu Besuch waren.[3] Analog dazu nannten die West-Berliner den Rest der damaligen Bundesrepublik auch „Wessiland“, was teilweise noch heute gebräuchlich ist.[4] Der Begriff wurde damals auch abschätzig verwendet, wenn Westdeutsche als sogenannte „Kegeltouristen“ oder als Träger einer frühen Form der Gentrifizierung gemeint waren oder um eine vermeintlich immer stärker nach Berlin getragene „Sterilität“ der westdeutschen Provinz zu kritisieren. Als Synonym für Wessis galt auch die Bezeichnung „Schwaben“, die nach dem Mauerfall im Jahre 1989 auch im Ostteil der Stadt für Zugezogene aus den alten Bundesländern, insbesondere aus Süddeutschland gebraucht wurde.[5] Im Jahre 2009 verwendete die Frankfurter Allgemeine Zeitung den Begriff Super-Wessis für die „Schwaben“.[6]

Seit der politischen Wende in der DDR und den ersten Jahren im wiedervereinigten Deutschland erfuhr der Begriff Wessi zunehmend Bedeutung als ostdeutsche Bezeichnung für die Bürger der alten Bundesländer einschließlich West-Berlins. Im Sprachgebrauch in der DDR waren zuvor die Bezeichnungen Westler oder Bundis (von „bundesdeutsch“) üblich gewesen.[7]

Bei vielen Ostdeutschen war der Begriff Wessi tendenziell negativ besetzt, insbesondere im Wort Besserwessi (Kofferwort mit „Besserwisser“). Der Journalist Franz-Josef Wagner sorgte 1991 mit einer Schlagzeile in der als Boulevardzeitung für Ostdeutschland konzipierten Zeitung Super! für Aufsehen: „Angeber-Wessi mit Bierflasche erschlagen – Ganz Bernau ist glücklich, daß er tot ist“.[8][9] Der in Leipzig geborene Journalist Holger Witzel veröffentlichte ab 2008 im Stern die regelmäßig erscheinende Kolumne Schnauze Wessi. Ab 2011 erschienen zwei Sammelbände unter dem Titel Schnauze Wessi: Pöbeleien aus einem besetzten Land und Gib Wessis eine Chance: Neue Beiträge zur Völkerverständigung sowie das Buch Heul doch, Wessi. Der wiederkehrende Gebrauch von Wessi bzw. Ossi geschah laut Witzel aus Marketinggründen; er selbst empfand beide Begriffe „20 Jahre nach dem Mauerfall“ als nicht mehr passend.[10]

„Ossi“

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Als Pendant zum Begriff Wessi wurde nach 1989 die Bezeichnung Ossi für ehemalige DDR-Bürger gebräuchlich. Ein bereits früher verwendeter umgangssprachlicher Begriff für Ostdeutsche war Zoni, eine vom Begriff Sowjetische Besatzungszone abgeleitete abschätzige Bezeichnung. 1991 wurde in Berlin die Boulevardzeitung Super Ossi gegründet.[11] In den alten Bundesländern war der Begriff Ossi negativ konnotiert (so in den Wortprägungen „Jammerossi“[12] oder „Meckerossi“).[13] Thomas R. P. Mielke verwendete die Begriffe Wessi und Ossi bereits 1985 im Buch Der Tag, an dem die Mauer brach. Es entwickelten sich die Wessi-Ossi-Witze. Vor 1989 waren noch alternative Bezeichnungen und Schreibweisen gebräuchlich. Hans Magnus Enzensberger verwendete 1987 in dem Buch Ach Europa die Schreibweisen Wessie und Ossie. In einem Kapitel in diesem Buch beschreibt Enzensberger ein fiktives wiedervereinigtes Deutschland im Jahre 2006, in dem sich Ossies und Wessies „spinnefeind“ sind. Der Schriftsteller Maxim Biller betitelte seine Tempo-Kolumne 1988 mit „Osti go home“.[14] Biller sprach in einem FAZ-Essay 2009 von der „Ossifizierung“ Deutschlands. Man könne nicht alles, was an Deutschland nerve, auf den „lähmenden Einfluss der xenophoben, deutschnationalen, provinziellen, für immer bolschewisierten Duckmäuserossis zurückführen. Aber vieles, sehr vieles.“[15]

„Ostler“

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Analog zum DDR-Sprachgebrauch Westler wurden Bewohner Ost-Berlins im Westen als Ostler bezeichnet.[7] Als Kurzform für Ostdeutsche ist Ostler heute noch in Gebrauch.[16][17]

„Wossi“

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Seit den 1990er Jahren wurde der Begriff Wossi,[18] ein Kofferwort aus Wessi und Ossi, für eine Person verwendet, die nach der Wende von West- nach Ostdeutschland gezogen ist. Christian Bangel beobachtete 2019 in der Zeit den wachsenden politischen Einfluss von Wossis in der Bundespolitik, da zahlreiche in Westdeutschland sozialisierte Politiker im brandenburgischen Potsdam leben.[19] Darunter sind Bundeskanzler Olaf Scholz, Außenministerin Annalena Baerbock und AfD-Politiker Alexander Gauland.[20]

Rezeption

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Sprachwissenschaft

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Die Sprachwissenschaftlerin Doris Steffens vom Institut für Deutsche Sprache nannte 2014 die Begrifflichkeiten Ossi und Wessi als Inbegriff der Schwierigkeiten des deutschen Vereinigungsprozesses. Ihre negativen Zuschreibungen haben diese Begriffe laut einer Studie inzwischen weitgehend verloren. Begriffe wie Jammerossi oder Besserwessi seien inzwischen seltener zu hören als nach dem Mauerfall.[21]

Rechts- und Sozialwissenschaften

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Ob der Begriff Ossi als Ethnophaulismus und damit als Benachteiligung im Sinne von § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) wegen der ethnischen Herkunft oder Weltanschauung gelten kann, hängt von der Frage ab, ob es eine ostdeutsche Ethnie gibt. Diese Frage wurde von deutschen Arbeitsgerichten verneint. Ein in Ostdeutschland geborener Koch reichte 2009 beim Arbeitsgericht Würzburg Klage ein, nachdem er am Arbeitsplatz als Ossi bezeichnet worden war.[22] Das Gericht lehnte die Schmerzensgeldzahlung unter anderem mit der Begründung ab, der Begriff Ossi bezeichne keine Ethnie und stelle keine Diskriminierung ostdeutscher Bürger dar.[23] Das Urteil berief sich dabei auf einen Kommentar des Rechtswissenschaftlers Gregor Thüsing, der die während der friedlichen Revolution 1989 verbreitete Parole „Wir sind ein Volk“ auf den im Arbeitsrecht festgelegten Diskriminierungsschutz bezieht.[24] Der Soziologe Steffen Mau argumentierte 2021, eine identitätspolitische Kategorie des „Ossismus“ (analog zu „Rassismus“) gebe es nicht.[25]

Literatur

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Im alternativgeschichtlichen Roman Schwarzes Gold aus Warnemünde (2015) von Harald Martenstein und Tom Peuckert, in dem die DDR nach Ölfunden weiterexistiert, protestieren „Wutwessis“ vor den Büros der „neuen Ostkonzerne“. Die Medien warnen vor „Ossi-Feindlichkeit“ aufgrund des neuen Reichtums.[26] 1994 veröffentlichte der Liedermacher und Schriftsteller Reinhold Andert den ähnlichen Roman Rote Wende – Wie die Ossis die Wessis besiegten veröffentlicht.[27][28][29]

Popkultur

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2022 veröffentlichten Die Toten Hosen die Single Scheiß Wessis, Marteria am selben Tag die Single Scheiß Ossis.[30]

Literatur

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Publizistik

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Karikatur und Literatur

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Forschung

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  • Juliette Wedl: Ein Ossi ist ein Ossi ist ein Ossi … Regeln der medialen Berichterstattung über „Ossis“ und „Wessis“ in der Wochenzeitung Die Zeit seit Mitte der 1990er Jahre. In: Th. Ahbe, R. Gries, W. Schmale (Hrsg.): Die Ostdeutschen in den Medien. Das Bild von den Anderen nach 1990. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2010.
  • Rebecca Pates, Maximilian Schochow (Hrsg.): Der „Ossi“: Mikropolitische Studien über einen symbolischen Ausländer. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2013.
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Wiktionary: Wessi – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Ossi – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Wessi, unter duden.de, abgerufen am 18. Januar 2013.
  2. Ossi, unter duden.de, abgerufen am 19. Januar 2013.
  3. Jugend in West-Berlin: Schulausflug auf die Mauer. Bei: Spiegel Online, 30. Oktober 2009.
  4. Damals in West-Berlin – Bunt und hässlich, aber herzlich. Bei: Tagesspiegel Online, 18. November 2019.
  5. Olaf Leitner: West-Berlin! Westberlin! Berlin (West)!: die Kultur, die Szene, die Politik : Erinnerungen an eine Teilstadt der 70er und 80er Jahre. Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2002, ISBN 3-89602-379-9, S. 367 (google.de [abgerufen am 1. Mai 2021]).
  6. Anna Loll: Schwabenhass in Berlin. Die Super-Wessis und Proto-Yuppies. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. April 2009.
  7. a b Stattbuch. Stattbuch Verlag, 1984, ISBN 3-922778-04-6 (google.de [abgerufen am 8. Juni 2021]).
  8. Tod in Bernau und die „Super!“-Zeitung: Das Gespenst der Einheit. Bei: Tagesspiegel Online, 3. Mai 2011.
  9. „Ewig währender Zeitungskrieg“. Bei: Spiegel Online, Der Spiegel 24/1991, 10. Juni 1991.
  10. Kolumne „Schnauze Wessi“ – „Am Ende geht’s um Völkerverständigung“. In: Deutschlandfunk. 2012, abgerufen am 21. Januar 2022.
  11. Heinz Pürer, Johannes Raabe: Presse in Deutschland. UTB, 2007, ISBN 978-3-8385-8334-1, S. 230 (google.de [abgerufen am 20. August 2021]).
  12. Studie widerlegt Klischees – Den „Jammer-Ossi“ gibt es nicht. In: Rheinische Post, 29. Oktober 2009. (rp-online.de)
  13. Klischee olé – Meckerossi, Besserwessi. In: Spiegel Online. 2007, abgerufen am 2. Dezember 2010.
  14. Maxim Biller: Osti go home. 1988. In: ders: Hundert Zeilen Hass. Hoffmann & Campe, Hamburg 2017, S. 16–18.
  15. Maxim Biller: Die Ossifizierung des Westens: Deutsche deprimierende Republik. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 9. Februar 2021]).
  16. ute scheub: „Aber in Schtuttgart isch’s au scheee“. In: Die Tageszeitung. 2. April 1991, ISSN 0931-9085, S. 23 (taz.de [abgerufen am 7. Mai 2021]).
  17. Ingo Schulze: Die Ungleichheit bleibt skandalös. Abgerufen am 8. Juni 2021.
  18. Vom Wessi zum Wossi. In: Die Zeit. 14/1993.
  19. Christian Bangel: Deutsche Einheit: Jetzt kommen die Wossis. In: Die Zeit. 5. Mai 2019, abgerufen am 31. Januar 2022.
  20. Scholz’ Kabinett steht: Relativ jung und sehr westdeutsch. Abgerufen am 31. Januar 2022.
  21. Wer sagt noch Jammerossi und Besserwessi? In: Märkische Allgemeine, 14. Mai 2014.
  22. ArbG Würzburg, Urteil vom 23.01.2009 – 3 Ca 664/08 – openJur. Abgerufen am 26. Juli 2020.
  23. Die Bezeichnung eines Kochs als „Ossi“ rechtfertigt keinen Schmerzensgeldanspruch wegen Mobbing | anwalt24.de. Abgerufen am 26. Juli 2020.
  24. Gregor Thüsing: Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz: das neue Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und andere arbeitsrechtliche Benachteiligungsverbote. Beck, 2007, Rn. 181.
  25. Jana Hensel, Martin Machowecz, Steffen Mau, Katharina Warda, Anne Hähnig: Identitätspolitik: Wer wir sind. Sind wir wer? In: Die Zeit. 14. März 2021, abgerufen am 1. Mai 2021.
  26. Harald Martenstein, Tom Peuckert: Schwarzes Gold aus Warnemünde: Roman. Aufbau Digital, 2015, ISBN 978-3-8412-1003-6 (google.de [abgerufen am 29. Januar 2022]).
  27. Rote Wende – Wie die Ossis die Wessis besiegten. Berlin, Elefanten Press Verlag 1994, ISBN 3-88520-525-4.
  28. Erinnerung an den Mauerfall – Die Geschichte könnte auch andere Wege gehen . In: Deutschlandfunk, 8. August 2019.
  29. Frank Thomas Grub: ›Wende‹ und ›Einheit‹ im Spiegel der deutschsprachigen Literatur: Ein Handbuch. Walter de Gruyter, 2008, ISBN 978-3-11-020163-5, S. 574–575. (books.google.de)
  30. Timo Frasch: Campino und Marteria: „Wir hätten 35 Strophen pro Lied machen können“. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 25. März 2022]).