Oxytetracyclin (Synonyme Oxytetrazyklin, Glomycin und Riomitsin, kurz OTC) ist ein Antibiotikum aus der Gruppe der Tetracycline. Es wird lokal und kutan gegen Infektionen durch bestimmte Bakterien angewandt. In der Humanmedizin wird Oxytetracyclin derzeit nur in Augen- und Hautsalben sowie einem Kombipräparat in Kapsel-Form verwendet, früher auch als kristallines Hydrochlorid zur oralen Aufnahme (insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern) in Tropfenform, als Dragées und als Suspension. Weitere Darreichungsformen waren die intravenöse Gabe und Kapseln.[3]

Strukturformel
Strukturformel von Oxytetracyclin
Allgemeines
Freiname Oxytetracyclin
Andere Namen
  • 2-(Amino-hydroxy-methyliden)-4-dimethylamino-5,6,10,11,12a-pentahydroxy-6-methyl-4,4a,5,5a,6,12a-hexahydrotetracen-1,3,12-trion (IUPAC)
  • Oxytetrazyklin
  • Glomycin
  • Riomitsin
Summenformel C22H24N2O9
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 201-212-8
ECHA-InfoCard 100.001.103
PubChem 54675779
ChemSpider 10482174
DrugBank DB00595
Wikidata Q411646
Arzneistoffangaben
ATC-Code

J01AA06, D06AA03, G01AA07, S01AA04

Wirkstoffklasse

Antibiotikum

Eigenschaften
Molare Masse 460,44 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

184–185 °C (Zersetzung)[1]

Löslichkeit

sehr schlecht in Wasser[2]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]
keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze[1]
Toxikologische Daten

4800 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Das Antibiotikum wurde 1948 von A. C. Finlay und seinen Mitarbeitern[4] bei dem Unternehmen Pfizer entdeckt, das 1950 die Massenproduktion des aus den Aktinomycesarten Streptomyces aureofaciens und Streptomyces rimosus dargestellten Tetracyclins in kristallinem Zustand[5] unter dem Handelsnamen Terramycin begann. Die chemische Struktur klärte Robert B. Woodward 1952. 1968 gelang Hans Muxfeldt die Totalsynthese.

Oxytetracyclin ist ein Stoffwechselprodukt der Streptomycete Streptomyces rimosus.

Das gelbe, kristalline Pulver ist hygroskopisch und in Wasser frei löslich. Sein Geschmack ist bitter. In Alkohol ist es nur mäßig löslich. Als Oxytetracyclinbase ist es nur noch schwer in Wasser löslich und sieht eher lohfarben aus.

Pharmakologie

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Oxytetracyclin bewirkt über die Bindung an die 30-S-Untereinheit der Ribosomen eine Hemmung der Proteinbiosynthese bei Bakterien und ist dadurch bakteriostatisch. In hohen Konzentrationen ist es auch in der Lage, die Proteinsynthese bei Säugetieren zu hemmen.

Oxytetracyclin hat ein ähnliches Wirkungsspektrum wie Tetracyclin und wirkt gegen Mycoplasmen, Spirochäten, Chlamydien, Rickettsien sowie einige grampositive (z. B. Propionibacterium acnes) und -negative Bakterien, wobei bei letzteren viele Stämme resistent sind.

In Knochen kann sich OTC in Form von Calciumphosphat-Komplexen anreichern, die nicht antibiotisch wirksam sind und das Knochenwachstum beeinträchtigen können. Bei Einlagerung in den Zahnschmelz kann es zu dessen Gelbfärbung kommen.

Oxytetracyclin verteilt sich in den meisten Geweben, im Zentralnervensystem wird jedoch kein therapeutischer Spiegel erreicht. Es kann die Plazenta passieren. Die Ausscheidung erfolgt über Urin und Kot.

Einsatzgebiete

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In der Humanmedizin kann OTC systemisch bei Infektionen der Luftwege (Sinusitis, Bronchitis) oder als Salbe bei Wunden und Infektionen der vorderen Augenteile und Bindehaut eingesetzt werden. Ebenfalls wird es in der Dermatologie[6] topisch zur Behandlung von Akne eingesetzt.

In der Tiermedizin wird OTC zur Behandlung von Infektionskrankheiten durch Oxytetracyclin-empfindliche Erreger eingesetzt und ist für alle Nutztiere zugelassen. Die Anwendung sollte stets durch ein Antibiogramm gestützt sein. Wichtigste Einsatzgebiete sind bei Rindern die Anaplasmose, bei Schweinen Pneumonien und akute Schübe der Eperythrozoonose und bei Schafen der Chlamydienabort (Ansteckendes Verlammen). Lokal kann OTC bei Infektionen der Haut (z. B. Moderhinke) eingesetzt werden. Bei Rindern kann OTC lokal in Form von Schaumtabletten in der Gebärmutter bei Nachgeburtsstörungen und als Salbe bei Euterentzündungen eingesetzt werden. Für Schweine findet das Antibiotikum auch in Arzneimittelvormischungen Einsatz.

Kontraindikationen

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Bei Trächtigkeit sollte das Mittel nicht eingesetzt werden. Bei Leber- und Nierenschäden ist eine Dosisreduzierung angebracht.

Bei Überdosierung wirkt Oxytetracyclin stark nierenschädigend und ruft ein Nierenversagen hervor.

Handelsnamen

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Monopräparate

Unguentum Oxytetracyclini SR (D), Spiritus Oxytetracyclini SR (D) sowie ein Generikum (D)

Kombinationspräparate

Corti Biciron (D), Oxytetracyclin-Prednisolon Augensalbe (D), Tetra-Gelomyrtol (D), Trimovate (D)

Präparatenamen in der Tiermedizin sind Aerocyclin (A), Cuxacyclin, Duphacycline (A), Engemycin (A), Medox, Oxipra, Prophylax (A), Terramycin (A), Tetravit (A), Ursocyclin (A), Vanacyclin (A) sowie diverse Generika (A), OTC-Blauspray (D)

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Einzelnachweise

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  1. a b c d Datenblatt Oxytetra Selective Supplement bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 14. Oktober 2023 (PDF).
  2. Eintrag zu Oxytetracyclin bei Vetpharm, abgerufen am 14. Oktober 2023.
  3. Terramycin-Tropfen. In: Münchener Medizinische Wochenschrift. Band 95, Nr. 1, 2. Januar 1953, S. XLIX.
  4. Karl Wurm, A. M. Walter: Infektionskrankheiten. In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 9–223, hier: S. 50.
  5. Alfred Marchionini, Hans Götz: Neuere Erfahrungen mit der antibiotischen Behandlung der Hautkrankheiten (Aureomycin, Chloromycetin, Terramycin). In: Münchener Medizinische Wochenschrift. Band 95, Nr. 1, 2. Januar 1953, S. 71–74, hier: S. 73.
  6. Vgl. Alfred Marchionini, Hans Götz: Neuere Erfahrungen mit der antibiotischen Behandlung der Hautkrankheiten (Aureomycin, Chloromycetin, Terramycin). In: Münchener Medizinische Wochenschrift. Band 95, Nr. 1, 2. Januar 1953, S. 71–74.