Pädagogische Lesungen
Pädagogische Lesungen waren ein ab 1955 systematisch auf- und ausgebautes Weiterbildungsformat der DDR-Pädagogen. Aus allen Bereichen des DDR-Bildungswesens legten sie eigene gute Erfahrungen oder innovative Vorschläge in Bezug auf ihre Arbeit schriftlich nieder. Sie wurden den Kollegen über ein Verleihsystem bereitgestellt und auf Weiterbildungsveranstaltungen, sogenannten Tagen der Pädagogischen Lesung, vor Fachpublikum präsentiert.
Beschreibung
BearbeitenDer Begriff „Pädagogische Lesungen“ steht für eine institutionalisierte Art des Erfahrungsaustausches von Pädagogen aus allen Bereichen des DDR-Bildungswesens. In Kindergärten, allgemeinbildenden Schulen, Hilfsschulen oder der außerschulischen Pädagogik tätige Fachleute legten eigene Erfahrungen (nach heutigem Verständnis „Best Practices“) und/oder innovative Vorschläge zur Gestaltung pädagogischer Prozesse schriftlich nieder. Von einer zentralen Jury als besonders gut bewertete Pädagogische Lesungen wurden zudem vor einem Fachpublikum (praktisch tätige Pädagogen, Wissenschaftler und Vertretern der Administration) in großangelegten zentralen Weiterbildungsveranstaltungen öffentlich (vor-)gelesen. Unter der Bezeichnung „Zentrale Tage der Pädagogischen Lesungen“ fanden diese zunächst am Zentralinstitut für Weiterbildung der DDR in Ludwigsfelde statt, später auch an diversen Universitäten und Fachschulen des Landes. Den Autoren wurde für ihre Arbeit in der Regel eine Prämie gezahlt – im Idealfall einer besonders guten Bewertung durch die zentrale Jury waren dies zwischen 500 und 700 DDR-Mark.
Quellenbestand
BearbeitenDer im Auftrag des Ministeriums für Volksbildung von der Gewerkschaft Unterricht und Erziehung (GUE) in Zusammenarbeit mit dem Zentralinstitut für Weiterbildung (ZIW), der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften (APW) und den Pädagogischen Kreis- und Bezirkskabinetten organisierte Selektionsprozess brachte zwischen 1955 und 1989 ca. 9500 „erfolgreiche“ Pädagogische Lesungen zum Vortrag in diversen Weiterbildungsveranstaltungen. Diese wurden als Niederschriften in der Pädagogischen Zentralbibliothek im Haus des Lehrers Berlin gesammelt und konnten dort ausgeliehen werden. Der Bestand, der Lesungen aller Unterrichtsfächer ebenso umfasst wie jene zu allgemeinpädagogischen bzw. psychologischen Fragen, ist vollumfänglich erhalten und befindet sich heute im Archiv der Bibliothek für Bildungshistorische Forschung Berlin (BBF). Dieses Korpus stellt einen bildungshistorisch singulären Quellenbestand dar, der sich zur Analyse aus vielfältigen fachdidaktischen, bildungshistorischen und erziehungswissenschaftlichen Perspektiven anbietet.
Arbeitsstelle für Pädagogische Lesungen an der Universität Rostock
BearbeitenDie Arbeitsstelle für Pädagogische Lesungen an der Universität Rostock recherchiert und forscht zur Bildung und Weiterbildung in allen Bereichen des DDR-Bildungs- und Erziehungswesens. Der Schwerpunkt des Projektes liegt auf der systematischen Erschließung der Pädagogischen Lesungen sowie einer umfassenden Analyse ihrer Entstehungsbedingungen. In diesem Zusammenhang gibt die Arbeitsstelle eine Schriftenreihe heraus, in der Forschungsergebnisse zum Thema präsentiert werden. Außerdem erscheinen regelmäßig verschriftlichte Interviews mit Zeitzeugen, die seinerzeit in die Arbeit mit den Pädagogischen Lesungen involviert waren, als Sonderhefte zur Schriftenreihe.
Literatur
Bearbeiten- J. Schiller: Pädagogische Lesungen – Eine Sammlung von historischem Wert. Zur Entwicklungs- und Wirkungsgeschichte. In: Pädagogik und Schulalltag 49 (4), 1994, S. 446–465.
- J. Wähler, A. Hanke: „Erfahrungen der Besten“. Die unikale Sammlung Pädagogischer Lesungen. Medienkompetenz und Medienperformanz. 4/2018, 2018. – https://www.medienimpulse.at/articles/view/1316
- K. Koch, K. Koebe, T. von Brand, O. Plessow: Sozialistische Schule zwischen Anspruch und Wirklichkeit – Die Pädagogischen Lesungen als ungehobener Schatz zur Erforschung von Unterricht in der DDR. In: Schriftenreihe der Arbeitsstelle Pädagogische Lesungen an der Universität Rostock 1 (2019) (2019). – doi:10.18453/rosdok_id00002727, siehe auch: https://www.pl.uni-rostock.de/schriftenreihe/