Der Papagei von Antiochia war ein dressierter Vogel, der um 477 n. Chr. auf dem großen Platz vor der Hauptkirche von Antiochia am Orontes zur Schau gestellt wurde. Das Tier war dadurch bemerkenswert, dass es den liturgischen Gesang des Trisagion in monophysitischer Fassung vortragen konnte: „Heiliger Gott, heiliger Starker, heiliger Unsterblicher, der du für uns gekreuzigt worden bist, erbarme dich unser.“ Diese Fassung des Trisagion war von Petrus Fullo, dem Patriarchen von Antiochia, um 471 in die Liturgie eingeführt worden.[1] Zur Freude des Publikums spreizte der Papagei dabei auch seine Flügel ab, was an die Form eines Kreuzes erinnerte.[2]

Papagei, Mosaik aus Syrien, um 400 n. Chr. (Kimbell Art Museum, Fort Worth)

Isaak von Antiochia[3] widmete dem Papagei ein umfangreiches, 1068 Verse[4] umfassendes Gedicht in syrischer Sprache (Carmen de avi illa, quae Antiochiae Trishagion cantavit[5]). Bei den Dichtungen Isaaks wurde in der älteren Forschung diskutiert, ob er eine orthodoxe Christologie vertreten habe und seine Dichtungen später von monophysitischen Kopisten überarbeitet worden seien. Das Papageiengedicht spricht aber dafür, dass Isaak selbst Monophysit war.[6]

Der Musikwissenschaftler Jacques Handschin vertrat die These, dass der Papagei von Antiochia kein dressierter Vogel, sondern ein mechanisches Musikinstrument gewesen sei.[7]

Mit seinem öffentlichen Vortrag des Trisagion positionierte sich der Papagei sozusagen in den monophysitischen Streitigkeiten seiner Zeit, ohne dass diese für ihn eine Bedeutung hatten. Wegen dieses Paradoxons wurde der Papagei von Antiochia in der theologischen Literatur öfter angeführt, beispielsweise von Eberhard Jüngel: „Denn was der Bekenntnispapagei aufzusagen hat, ist eben ein Papageienbekenntnis, mehr nicht. … Der Papagei kann zwar orthodox oder häretisch zitieren, aber orthodox oder häretisch werden kann er nicht.“[8]

Literatur

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  • Michel van Esbroeck: The Memra on the Parrot by Isaac of Antioch. In: The Journal of Theological Studies, New Series 47, 1996, S. 464–476.

Anmerkungen

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  1. Peter Plank: Das Trishagion. Gotteslob der Engel und Zankapfel der Menschen. In: Kirche im Osten 35 (1992), S. 111–126.
  2. Peter Brown: Poverty and Leadership in the Later Roman Empire. University of New England, Hanover/London 2002, S. 109.
  3. Vgl. Peter Bruns: Isaak v. Antiochien. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 5. Herder, Freiburg im Breisgau 1996, Sp. 607.: „Isaak d. Gr. v. Antiochien … stammte ursprünglich aus Edessa, wirkte unter Ks. Zenon u. Petros d. Walker (468–488) in Antiochien und griff auf monophysit. Seite aktiv in den dogmat. Streit seiner Tage ein.“
  4. Michel van Esbroeck: The Memra on the Parrot by Isaac of Antioch, 1996, S. 464. Bickell als Ersteditor zählte die Hemistichen und kam so auf 2137 Verse.
  5. Gustav Bickell (Hrsg.): S. Isaaci Antiocheni opera omnia. Band 1, Gießen 1873, S. 85ff. (Digitalisat).
  6. Otto Bardenhewer: Geschichte der altkirchlichen Literatur, Band 4. Herder, Freiburg im Breisgau 1924, S. 404.
  7. Jacques Handschin: Antiochien, jene herrliche Griechenstadt. In: Archiv für Musikforschung 7, 1942, S. 193–204, hier S. 201 f. (Digitalisat).
  8. Eberhard Jüngel: Bekennen und Bekenntnis. In: Ganz werden. Theologische Erörterungen, Band 5. Mohr Siebeck, Tübingen 2003, S. 76.