Penghu 1 ist die wissenschaftliche Bezeichnung für die erhalten gebliebene rechte Hälfte eines fossilen Unterkiefers mit zwei Molaren und zwei Prämolaren, benannt nach den Penghu-Inseln, einer Inselgruppe in der Straße von Taiwan. Das Fossil gilt als der erste Fund eines archaischen Vertreters der Gattung Homo auf Taiwan.[1]

Das Unterkiefer-Fragment Penghu 1

Der Fundort des Unterkiefers lag unter Wasser: Er wurde, gemeinsam mit anderen Fossilien der mittel- bis jungpleistozänen Penghu-Fauna, von einem Fischer vor dem Jahr 2008 in einer Entfernung von rund 25 Kilometern westlich der Küste von Taiwan durch ein Fischernetz aus 60 bis 120 Meter Tiefe empor geholt. Der Fischer verkaufte seinen Fund an einen Antiquitätenhändler, von dem es ein Privatmann erwarb und dem Nationalmuseum für Naturwissenschaften in Taichung übergab,[2] wo der Unterkiefer seitdem aufbewahrt wird.

Der Meeresbereich, in dem das Fossil aufgefischt wurde, gehörte wegen des deutlich niedriger liegenden Meeresspiegels während der Eiszeiten zum asiatischen Festland, speziell gilt das für die beiden Zeitspannen vor 190.000 bis 130.000 und 70.000 bis 10.000 Jahren. Das Alter des Fossils konnte allerdings aufgrund dieser Auffindesituation nur anhand seiner anatomischen Merkmale grob eingegrenzt werden: In seiner ersten wissenschaftlichen Beschreibung im Januar 2015 hieß es daher, der Unterkiefer sei am wahrscheinlichsten 190.000 bis 10.000 Jahre alt, stamme also aus einer dieser beiden Eiszeitperioden. Eine zweifelsfreie Zuordnung zu einer der anerkannten Arten der Gattung Homo unterblieb 2015, gleichwohl wurde eine Ähnlichkeit mit einem Homo erectus zugeschriebenen Fund aus der festlands-chinesischen Provinz Anhui (vergl. Hexian yuanren yizhi) sowie mit Homo heidelbergensis erwähnt.

Die unbefriedigende Einbindung des Fossils in die Gattung Homo führte rasch dazu, dass auch die Möglichkeit erörtert wurde, der Unterkiefer könne zu einer eigenständigen Art gehören.[3] Der umstrittene US-Geologe Mark McMenamin schlug daraufhin noch im Januar 2015 – im Selbstverlag Meanma Press – die Bezeichnung „Homo tsaichangensis“ vor.[4]

Im Jahr 2019 wurden im Zusammenhang mit der Beschreibung des im Hochland von Tibet entdeckten Xiahe-Unterkiefers eines Denisova-Menschen angemerkt, dass dieser Unterkiefer markante Merkmale mit Penghu 1 teilt; so besitzt der Molar M2 beispielsweise drei Wurzeln.[5]

2024 wurde von zwei Paläoanthropologen in der Fachzeitschrift Nature Communications vorgeschlagen, die Fossilien der Denisova-Menschen mit den Funden Xujiayao, Xuchang und Penghu 1 der neuen Art Homo juluensis zuzuordnen.[6]

  1. Chun-Hsiang Chang et al.: The first archaic Homo from Taiwan. In: Nature Communications. Band 6, Artikel-Nr. 6037, 2015, doi:10.1038/ncomms7037.
  2. Penghu 1 – The First Archaic Homo from Taiwan. (Memento vom 3. März 2018 im Internet Archive) Im Original erschienen auf der Website des National Museum of Natural Science von Taiwan.
  3. Ancient Human Fossil Could Be New Primitive Species. Auf: livescience.com vom 27. Januar 2015.
  4. Mark McMenamin: Homo tsaichangensis and Gigantopithecus. Meanma Press, 2015, ISBN 978-1-893882-19-5.
  5. Fahu Chen et al.: A late Middle Pleistocene Denisovan mandible from the Tibetan Plateau. In: Nature. Band 569, 2019, S. 409–412, doi:10.1038/s41586-019-1139-x.
  6. Christopher J. Bae und Xiujie Wu: Making sense of eastern Asian Late Quaternary hominin variability. In: Nature Communications. Band 15, Artikel-Nr. 9479, 2024, doi:10.1038/s41467-024-53918-7.