Pferdekopf von Waldgirmes

Überrest einer antiken Reiterstatue

Der Pferdekopf von Waldgirmes ist ein archäologischer Fund, der 2009 auf einem Feld bei Lahnau-Waldgirmes in Mittelhessen geborgen wurde. Vermutlich gehörte der Kopf zu einem Reiterstandbild, das auf dem Forum der dortigen römischen Siedlung stand.

Der Pferdekopf, wie er in einer Vitrine aus Panzerglas im Saalburgmuseum ausgestellt wird, war vermutlich Teil einer Reiterstatue, die vor etwa 2000 Jahren angefertigt wurde.

Wegen eines Rechtsstreits zwischen dem Land Hessen und dem Eigentümer des Fundortes um den Wert des Objektes wurde das restaurierte Objekt erst seit dem August 2018 im Saalburgmuseum und als Kopie seit dem August 2023 im Römischen Forum Lahnau-Waldgirmes öffentlich ausgestellt.[1]

Auffinden und Rechtsstreit

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Modernisierte Nachbildung des Reiterstandbildes in Waldgirmes

Bei Grabungen zur Siedlung hat man den Überrest des Pferdekopfes gefunden: in einem Holzfass, elf Meter tief im früheren Brunnenschacht.[2] Möglicherweise haben Gegner der Römer beim Niederbrennen der Siedlung auch das Standbild zerstört und die Trümmer in den Brunnen geworfen.[3]

Um den Pferdekopf gab es einen seit der Ausgrabung dauernden Rechtsstreit. In Bundesländern ohne umfangreiches Schatzregal wird der Eigentümer eines Grundstückes, auf dem archäologische Objekte gefunden werden, gemäß der Hadrianischen Teilung am Fundwert beteiligt. In Hessen betrug die Entschädigung zum Zeitpunkt des Fundes 50 Prozent des Wertes. Das Land und der Landwirt konnten sich nicht einigen. Im Jahr 2016 erhielt er 48.000 Euro. Nach einem Sachverständigenurteil, das den Wert auf rund 1,6 Millionen taxierte, sprach ihm das Landgericht Limburg im Juli 2018 erstinstanzlich eine Entschädigung von 821.000 Euro zu.[2] Ende August 2018 wurde bekannt, dass das Land Hessen Berufung beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main einlegt. Damit wolle es „die Interessen und die Rechtsposition des Landes wahren“ (Az.: 1 U 174/18).[4] Anfang März 2020 kam es zu einem Vergleich, über dessen Inhalt Stillschweigen vereinbart wurde.[5]

Beschreibung und Herkunft

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Der lebensgroße Pferdekopf ist aus Bronze, vergoldet und wiegt 14,7 kg. Die Angaben zu seiner Länge liegen zwischen 52,7 cm und 59 cm.[6]

Trotz guter Erhaltung musste das Objekt nach dem Auffinden zunächst aufwendig für 75.000 Euro restauriert werden.[7] Bei der Restaurierung, die rund ein Jahr gedauert hat, wurde der Pferdekopf gereinigt und die lose Vergoldung befestigt.[8] Dabei mussten die Korrosionsprodukte der Bronze mit größter Sorgfalt entfernt werden, um die verbliebene, nur hauchdünne Vergoldung nicht zu beschädigen. Abschließend erhielt der Pferdekopf einen Schutzüberzug aus Acrylharz.[9]

Auf dem Nasenrücken des Pferdes sieht man eine Platte, die den Kriegsgott Mars zeigt. Seitlich befinden sich Darstellungen von Siegesgöttinnen. Das Pferd hat ein mit sechs Schmuckscheiben reich verziertes Zaumzeug und ist vermutlich italienischen Ursprungs.[3]

Archäologen vermuten, dass der Pferdekopf zu einer prunkvollen Reiterstatue gehört hat, wie sie zu dieser Zeit im gesamten Römischen Reich im Rahmen eines gesteuerten Programms zum Kaiserkult aufgestellt wurden. Dafür spricht, dass außer dem Kopf auch der linke Fuß der Statue sowie ein Stück Zaumzeug gefunden wurden.[9] Wahrscheinlich hat sie Kaiser Augustus – wofür unter anderem die Vergoldung sprechen würde – oder weniger wahrscheinlich einen anderen männlichen Angehörigen der kaiserlichen Familie gezeigt und wurde auf einem zentralen Platz ausgestellt. Das könnte das Forum in der Siedlung von Waldgirmes gewesen sein.[8]

Die Siedlung entstand spätestens 4 v. Chr., wie die dendrochronologische Untersuchung der Hölzer aus dem Brunnen ergab, in dem die Statuenfragmente gefunden wurden. Die Reiterstatue zählte mit vier weiteren zu der zwischen 5/6 und 9 n. Chr. anzusetzenden monumentalen Ausbauphase der Siedlung.[10] Die Siedlung – und damit wahrscheinlich auch das Standbild – wurde nach der Varusschlacht im Jahre 9 oder 10 nach Christus zerstört.[11]

Präsentation

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Der Pferdekopf wird im Original im Saalburgmuseum im letzten Raum in einem Seitenarm der Principia ausgestellt. Das Museum selbst ist eigentlich eher dem viel später entstandenen Limes gewidmet.[11] Auf einem Wandbild hinter der Vitrine wird die Größe der Statue angedeutet.[9]

Vom 7. November bis zum 17. Dezember 2018 wurde der Pferdekopf im Martin-Gropius-Bau in Berlin in der Ausstellung Bewegte Zeiten. Archäologie in Deutschland gezeigt, die aus Anlass des Europäischen Kulturerbejahres 2018 stattfand.[12][9][13][14]

Seit August 2023 kann der Förderverein des Römischen Forums Lahnau-Waldgirmes den Pferdekopf ebenfalls in Originalgröße zeigen – in seinem 2022 eröffneten Besucherzentrum[1] gibt es einen 3-D-Druck in Originalgröße. Das hessische Landesamt für Denkmalpflege hat die Nachbildung 14 Jahre nach dessen Fund genehmigt und in Auftrag gegeben.[15]

Literatur

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  • Gabriele Rasbach: Die Zerschlagung des Augustus. Der Pferdekopf von Waldgirmes. in: Matthias Wemhoff, Michael Rind (Hrsg.): Bewegte Zeiten – Archäologie in Deutschland. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2018, ISBN 978-3-7319-0723-7 (Ausstellungskatalog), S. 328–331.
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Commons: Pferdekopf von Waldgirmes – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b Volker Heller: Roms Hauptstadt an der Lahn. In: Gießener Allgemeine Zeitung. 10. Oktober 2022, abgerufen am 2. November 2023.
  2. a b Bronzener Pferdekopf von Waldgirmes wird ab 19. August öffentlich ausgestellt. In: Archaelogie-online.de. 10. August 2018, abgerufen am 20. August 2018.
  3. a b Römischer Pferdekopf kostet Hessen über 800.000 Euro. In: Welt.de. 27. Juli 2018, abgerufen am 20. August 2018.
  4. dpa: Streit um römischen Pferdekopf geht in nächste Runde. In: FAZ.net, 27. August 2018.
  5. dpa/lhe: Vergleich im Streit um römischen Pferdekopf. In: Süddeutsche Zeitung. 5. März 2020;.
  6. Die detailliertesten Angaben finden sich in einem Aufsatz der Restauratorin: Angelika Ulbrich: Herstellungstechnik und Archäometrie des Pferdekopfes von Waldgirmes. In: Martin Kemkes (Hrsg.): Römische Großbronzen am UNESCO-Welterbe Limes. Abschlusskolloquium des Forschungsprojektes „Römische Großbronzen am UNESCO-Welterbe Limes“ am 4./5. Februar 2015 im Limesmuseum Aalen (= Deutsche Limeskommission [Hrsg.]: Beiträge zum Welterbe Limes. Band 9). In Kommission Konrad Theiss Verlag, Darmstadt 2017, ISBN 978-3-8062-3269-1, S. 166–172, hier S. 167: „Der Pferdekopf hat ein Gewicht von 14,7 kg. (…) Die Gesamtlänge beträgt 52,7 cm und an seiner breitesten Stelle, im Bereich der Augen, werden 22,5 cm gemessen.“
    Abweichend davon: Gabriele Rasbach: Bronzene Reiterstatuen aus der augusteischen Stadtgründung von Waldgirmes – ein herausragender Neufund frühkaiserzeitlicher Großplastik. In: Archäologischer Anzeiger. 2014, S. 15–44, hier S. 30 (dainst.org – Digitalisat ohne Abbildungen): „Länge von 55 cm.“
    Abweichend davon: Saalburg bietet ideales Ausstellungsumfeld für antiken römischen Pferdekopf. In: Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst. 17. August 2018, archiviert vom Original; abgerufen am 20. August 2018: „Der 59 Zentimeter lange und 15 Kilogramm schwere Kopf (…)“ Diese Information wurde im Juli/August 2018 auch vielfach in den Medien wiedergegeben.
    Ebenso: Carsten Amrhein: Die neue Dauerausstellung zum Fundplatz Lahnau-Waldgirmes im Römerkastell Saalburg. In: Der Limes. Nachrichtenblatt der Deutschen Limeskommission. Band 13, Nr. 2, 2019, S. 10–15, hier S. 12 (deutsche-limeskommission.de [PDF]): „59 cm.“
    Keine Angabe: Gabriele Rasbach: Die Bronzestatue aus Waldgirmes. In: Gebrochener Glanz. Römische Großbronzen am UNESCO-Welterbe Limes. Katalog zur Ausstellung in Bonn, Aalen und Nijmegen. Nünnerich-Asmus Verlag & Media, Mainz 2014, ISBN 978-3-943904-59-8, S. 40–43.
  7. Pferdekopf als Exponat zugänglich. In: Gießener Allgemeine. 19. August 2018, abgerufen am 20. August 2018.
  8. a b Alexander Wächtershäuser: Römischer Pferdekopf kann ab heute auf der Saalburg bewundert werden. In: Taunus-Zeitung. 18. August 2018, abgerufen am 20. August 2018.
  9. a b c d Saalburg bietet ideales Ausstellungsumfeld für antiken römischen Pferdekopf. In: Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst. 17. August 2018, archiviert vom Original; abgerufen am 20. August 2018.
  10. Carsten Amrhein: Die neue Dauerausstellung zum Fundplatz Lahnau-Waldgirmes im Römerkastell Saalburg. In: Der Limes. Nachrichtenblatt der Deutschen Limeskommission. Band 13, Nr. 2, 2019, S. 10–15 (deutsche-limeskommission.de [PDF]).
  11. a b hessenschau.de Antiker Pferdekopf ab August in der Saalburg zu sehen (Memento vom 21. August 2018 im Internet Archive)
  12. Bewegte Zeiten. Archäologie in Deutschland. 21. September 2018 bis 6. Januar 2019. Gropius Bau
  13. Pferdekopf aus vergoldeter Bronze für sechs Wochen in Berlin zu sehen. In: hessen.de. Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst, 6. November 2018; ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar);.@1@2Vorlage:Toter Link/wissenschaft.hessen.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  14. Der Hengst aus dem Brunnen in Der Tagesspiegel vom 7. November 2018
  15. Der Pferdekopf ist zurück. In: Gießener Allgemeine Zeitung. 14. August 2023, abgerufen am 2. November 2023: „Die Originalfarbgebung des Pferdekopfs durfte (…) aber nicht übernommen werden, »damit der Laie sieht, dass es nicht das Original ist«, erklärt er die Bedingungen. Man einigte sich auf goldfarben mit schwarzen Schattierungen, um die Details des gut erhaltenen Pferdekopfs einer Reiterstatue auch in der Nachbildung herauszuarbeiten.“