Pfingstbaumpflanzen
Das Pfingstbaumpflanzen ist eine besondere Form des Pfingstbrauchtums. Es wird auch als Maiensetzen bezeichnet.[1]
Brauchtum
BearbeitenDas Pflanzen des Pfingstbaums, auch „Pfingstmaien“ genannt, wird regional sehr unterschiedlich gehandhabt. Eine zentrale Rolle spielen aber immer frisch geschlagene junge Birken oder Birkenzweige mit ihrem zartgrünen Frühjahrsblattaustrieb. Der Grünschmuck aus dem Wald wird auch kurzweg „dat Mai“ genannt.
Häufig werden in das frische Maigrün bunte farbenfrohe Bänder aus Krepppapier eingebunden. Die Birkenzweige oder Birkenstämme werden am Haus oder an einer Eingangstür festgebunden oder dort symbolisch eingepflanzt. Ist Fachwerk vorhanden, werden sie am Balken angenagelt.
Regional wird auch der dörfliche Maibaum nicht schon zum 1. Mai, sondern an Pfingsten als „Pfingstbaum“ aufgestellt.[2]
Verbreitung
BearbeitenDas Pfingstbaumpflanzen wird als Tradition vielerorts in Niedersachsen, aber auch anderswo in Deutschland und auch in Mittel- und Nordeuropa seit Jahrhunderten praktiziert. Zumeist pflegen Gruppen oder Vereine dieses überlieferte Brauchtum, das sich bis in die Zeit der Christianisierung zurückverfolgen lässt, aber deutlich älter sein dürfte.[3]
Schmuckmaien
BearbeitenZu Pfingsten dient das Maigrün als Hausschmuck. Auch Innenhöfe und Innenräume von Kirchen oder Gastwirtschaften werden an diesem Tag mit dem Pfingstmai geschmückt.
Der Gebrauch des Birkengrüns als Schmuckmaien fand Eingang in eine Kirchenliedzeile des Pfingstchorals Schmückt das Fest mit Maien.
Liebesmaien
BearbeitenIn der Nacht zum Pfingstsonntag stellen die jungen Leute die jungen Birkenstämmchen ihrer Liebsten vor die Haustür oder befestigen sie auf manchmal gefahrvolle Art und Weise von einer Leiter aus an ihrem Zimmerfenster. Die Mädchen hoffen bis zum Morgen des Pfingstsonntags, eine solche Huldigung von einem bekannten oder unbekannten Verehrer vorzufinden.[4] Die Zuneigung wird belohnt mit Eiergeschenken und sonstigen Leckereien, die noch in der Pfingstnacht beim Eierbacken verzehrt werden. Die Birke steht dabei als Baum für das wiedererwachende Pflanzenleben und im weiteren Sinn für den Ehestifter Fro, eine nordische Gottheit.[5]
Verbote des Maiholens
BearbeitenDas Birkengrün wird in der Regel aus einem nahe gelegenen Wald geholt, ohne dafür eine Erlaubnis zu haben. Um Waldschäden abzuwenden, wurden von den Behörden Verbote ausgesprochen, die sowohl für den Staatsforst als auch für die Bauernwälder galten. Sie scheinen jedoch kaum beachtet worden zu sein, da sie in kurzen Zeitabständen erneuert wurden.[6]
Freie Nacht
BearbeitenDas Treiben der Jugendlichen in der Nacht auf Pfingstsonntag, der sogenannten freien Nacht, stößt bei Neubürgern häufig auf Unverständnis. Unaufgeräumte Gegenstände werden andernorts neu zusammengestellt. Ärgerliche Vorkommnisse, die sich im vergangenen Jahr in der Dorf- oder Siedlungsgemeinschaft ereignet hatten, werden von den Jugendlichen auf humorige Art und Weise kommentiert. Wer das nächtliche Treiben neugierig beobachten will, muss aufpassen, dass ihm sein Gesicht nicht geschwärzt wird. Können am nächsten Morgen auch Betroffene über das Geschehene schmunzeln, ist der Scherz besonders gut gelungen.[7][8][9] Für Volkskundler gehört dieses Geschehen zu einem Rügerecht, das auch den Hofnarren gewährt wurde, wenn sie ihre Späße trieben. Bei den Jugendlichen fungiert es während des Erwachsenwerdens als „normverfestigende“ Handlung und kann so zu ihrer Sozialisation beitragen.[10]
Regionale Unterschiede
Bearbeiten- In Mechtersen wird zwischen zwei bis auf den Wipfel entasteten Birkenbäumen eine Girlande aus Grünzeug aufgehängt. Die Girlande wird noch mit einer Laubkrone geschmückt.
- In Teilen des Landkreises Harburg ist es üblich, die Birken besonders vor Häuser alteingesessener Bürger zu pflanzen.
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Ingeborg Weber-Kellermann: Volksfeste in Deutschland. HB-Verlag, Hamburg 1981 (HB-Bildatlas Spezial; 3), S. 107.
- Otto von Reinsberg-Düringsfeld: Das festliche Jahr. In Sitten, Gebräuchen und Festen der Germanischen Völker. Spamer, Leipzig 1863, S. 130f.
- Mechthild Wiswe: Pfingstmai im Salzgittergebiet. In: Salzgitter-Jahrbuch. Hrsg. Geschichtsverein Salzgitter e. V., Band 21/22, 1999/2000, S. 154–161, ISSN 0723-757X.
Weblinks
Bearbeiten- Pfingsbaumpflanzen auf dein-niedersachsen.de (archivierte Version)
- Pfingstbrauchtum auf der polnischsprachigen Wikipedia
- Pfingstbrauchtum auf der englischsprachigen Wikipedia
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ H. J. Rach: Das Leben der Werktätigen in der Magdeburger Börde: Studium zum dörflichen Alltag vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zum Anfang der 60er Jahre. Akademie-Verlag, Berlin 1987, S. 181
- ↑ Manfred Becker-Huberti: Feiern, Feste, Jahreszeiten. Lebendige Bräuche im ganzen Jahr. Herder Verlag, Freiburg 2001 (Sonderausgabe), ISBN 3-451-27702-6, S. 332f.
- ↑ Heinrich Adolf Hoops: Sassenart, niedersächsische Volkssitten und Bräuche. Angelsachsen-Verlag, Bremen 1922, S. 61.
- ↑ Pfingstnacht auf S. 148 und S. 161 als Digitalisat in: Das festliche Jahr (1863), abgerufen am 3. März 2019.
- ↑ Friedrich Körner: Deutsche Götter und Göttersagen, soweit sie sich in Dichtung, Sprüchwort und Brauch lebendig erhalten haben. als Digitalisat auf Google Books, abgerufen am 7. März 2021
- ↑ Leopold Friedrich Fredersdorff: Promtuarium der Fürstlichen Braunschweigisch-Wolfenbüttelschen Landes-Verordnung in einem wesentlichen Auszug derselben. Papen, Blankenburg 1775, S. 450; abgerufen als Digitalisat der Universitätsbibliothek Freiburg am 14. April 2019.
- ↑ Werner Flechsig: Das Birkenlaub im Pfingstbrauchtum unserer Heimat. In: Braunschweigische Heimat, Jg. 37, H. 1, 1951, S. 8
- ↑ H. J. Rach: Das Leben der Werktätigen in der Magdeburger Börde: Studium zum dörflichen Alltag vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zum Anfang der 60er Jahre. Akademie-Verlag, Berlin 1987, S. 154
- ↑ Werner Flechsig: Volksbrauch im Jahresablauf. In: Der Landkreis Blankenburg, Verwaltungsbezirk Braunschweig: amtliche Kreisbeschreibung nebst Hinweisen zur Raumordnung und statistischem Anhang. Bremen-Horn, Dorn 1971, S. 255
- ↑ Martin Scharfe: Zum Rügebrauch. In: Hessische Blätter für Volkskunde, Jg. 61, Schmitz, Gießen 1970, S. 45–68.