Pierre Tirard

französischer Politiker und Premierminister

Pierre Emmanuel Tirard (* 27. September 1827 in Genf; † 4. November 1893 in Paris) war ein französischer Politiker und zweifacher Premierminister (12. Dezember 1887 bis 3. April 1888 und 22. Februar 1889 bis 17. März 1890).[1]

Pierre Tirard

Als Sohn französischer Eltern in der Schweiz geboren, studierte er zunächst in seiner Geburtsstadt und arbeitete später als Bauingenieur. Nach fünf Jahren als Regierungsbeamter entschloss er sich, Juwelenhändler zu werden. Seine erklärte Opposition zum Zweiten Kaiserreich erreichte 1869 ihren Höhepunkt in der Unterstützung eines radikalen Gegenkandidaten zu Émile Ollivier. Dafür wurde er Bürgermeister des 11. Arrondissement von Paris und Mitglied der Deputiertenkammer für das Departement Seine. Von der Pariser Kommune zum Kandidaten für die Nationalversammlung nominiert, protestierte er gegen die Tyrannei des Zentralkomitees. Nach der Flucht aus Paris war er Mitglied der Nationalversammlung in Versailles und vertrat dort die extreme Linke.

1876 und 1877 wurde er wieder Mitglied der Deputiertenkammer in Paris und vertrat dort das 1. Arrondissement. Dabei beschäftigte er sich schwerpunktmäßig mit Finanzfragen und war kurze Zeit Präsident der Zollkommission, bevor er im März 1879 von Premierminister William Henry Waddington zum Minister für Landwirtschaft und Handel ernannt wurde. Dieses Ministeramt behielt er anschließend auch in den Kabinetten der Premierminister Charles de Saulces de Freycinet (1879 bis 1880) und Jules Ferry (1880 bis 1881). Im 2. Kabinett Freycinet (1882) war er Handelsminister und später Finanzminister in den Kabinetten der Premierminister Charles Duclerc (1882 bis 1883), Armand Fallières (1883) und Ferry (1883 bis 1885). 1883 wurde er als Sénateur inamovible Mitglied des Senats.

Als Carnot 1887 Präsident der Republik wurde, beauftragte ihn dieser mit der Bildung einer Regierung. Dabei musste er den Wilson-Skandal klären, welcher zum Rücktritt des Präsidenten Jules Grévy führte, und zugleich gegen die revisionistische Agitation des Generals Georges Ernest Boulanger vorgehen. Seine Ablehnung zur Änderung der Verfassung von 1875 führte zu seinem Rücktritt am 30. März 1888. Während seiner ersten Regierung war er zudem Finanzminister. Bereits ein Jahr darauf wurde er erneut Premierminister und entschloss sich, Boulanger und seine wichtigsten Unterstützer vor das Oberste Gericht zu bringen. Die Befragung vor dem Obersten Gericht wurde allerdings durch die Flucht des Generals Boulanger vereitelt. Er ließ Philippe, Herzog von Orleans, verhaften, der Frankreich einen Inkognitobesuch abgestattet hatte. Am 15. März 1890 trat er wegen der Frage des Französisch-Türkischen Handelsabkommens als Premierminister zurück. In seiner zweiten Regierung war er zusätzlich Minister für Handel und Industrie sowie ab 14. März 1889 auch Kolonialminister.

Im Kabinett von Alexandre Ribot (1892 bis 1893) ersetzte er Maurice Rouvier als Finanzminister und starb kurze Zeit später in Paris.[1]

Literatur

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  • Pierre Tirard, in Adolphe Robert und Gaston Cougny: Dictionnaire des parlementaires français, herausgegeben von Edgar Bourloton, 1889–1891.
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Commons: Pierre Tirard – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. a b TIRARD Pierre. In: Senat.fr. Abgerufen am 6. März 2023 (französisch).
VorgängerAmtNachfolger

Maurice Rouvier
Charles Thomas Floquet
Premierminister von Frankreich
12.12. 1887 – 30.03. 1888
23.02. 1889 – 14.03. 1890

Charles Thomas Floquet
Charles de Freycinet

Charles Lepère
selbst
selbst
Landwirtschafts- und Handelsminister
05.03. 1879 – 21.12. 1879
28.12. 1879 – 23.09. 1880
23.09. 1880 – 10.11. 1881

selbst
selbst
Pierre Paul Devès

Maurice Rouvier
Pierre Legrand
Handelsminister
30.01. 1882 – 07.08. 1882
23.02. 1889 – 14.03. 1890

Pierre Legrand
Jules Roche

Léon Say
selbst
selbst
Maurice Rouvier
Maurice Rouvier
selbst
Finanzminister
07.08. 1882 – 29.01. 1883
29.01. 1883 – 21.02. 1883
21.02. 1883 – 30.03. 1885
12.12. 1887 – 30.03. 1888
14.12. 1892 – 10.01. 1893
11.01. 1893 – 31.03. 1893

selbst
selbst
Jean-Jules Clamageran
Paul Peytral
selbst
Paul Peytral