Poisson-Approximation

Annäherungsmethode in der Wahrscheinlichkeitsrechnung

Die Poisson-Approximation ist in der Wahrscheinlichkeitsrechnung eine Möglichkeit, die Binomialverteilung und die verallgemeinerte Binomialverteilung für große Stichproben und kleine Wahrscheinlichkeiten durch die Poisson-Verteilung anzunähern. Durch den Grenzübergang nach unendlich erhält man dann die Konvergenz in Verteilung der beiden Binomialverteilungen gegen die Poisson-Verteilung.

Vergleich der Poisson-Verteilung (schwarze Linien) und der Binomialverteilung mit (rote Kreise), (blaue Kreise), (grüne Kreise). Alle Verteilungen haben einen Erwartungswert von 5. Die horizontale Achse zeigt die Anzahl der eingetretenen Ereignisse . Je größer wird, umso besser ist die Approximation der Binomialverteilung durch die Poisson-Verteilung.

Formulierung

Bearbeiten

Ist   eine Folge binomialverteilter Zufallsvariablen mit Parametern   und  , sodass für die Erwartungswerte   für   gilt, dann folgt

 

für  .

Beweis-Skizze

Bearbeiten

Der Wert einer Poisson-verteilten Zufallsvariable an der Stelle   ist der Grenzwert   einer Binomialverteilung mit   an der Stelle  :

 

Bei großen Stichproben und kleinem   lässt sich folglich die Binomialverteilung gut durch die Poisson-Verteilung approximieren.

Die Darstellung als Grenzwert der Binomialverteilung erlaubt eine alternative Berechnung von Erwartungswert und Varianz der Poisson-Verteilung. Seien   unabhängige bernoulliverteilte Zufallsvariablen mit   und sei  . Für   gilt   und

 

Güte der Approximation

Bearbeiten

Für die Fehlerabschätzung gilt

 .

Die Approximation einer Summe von Bernoulli-verteilten Zufallsvariablen (bzw. einer binomialverteilten Zufallsvariable) ist also insbesondere für kleine   gut. Als Faustregel gilt, dass die Approximation gut ist, wenn   und   gilt. Ist  , so ist die Normal-Approximation besser geeignet.

Le Cams Verallgemeinerung

Bearbeiten

Allgemeiner lässt sich Folgendes zeigen: Seien   stochastisch unabhängige Zufallsvariablen mit   (jede Zufallsvariable ist also Bernoulli-verteilt), dann ist

 

verallgemeinert binomialverteilt. Definiere

 ,

dann gilt

 .

Im Englischen ist dieses Resultat als „Ungleichung von Le Cam“ (Le Cam’s Inequality) bekannt.[1]

Gilt   für alle  , so ist   binomialverteilt und das obige Ergebnis folgt sofort.

Beispiel

Bearbeiten

Ein Individuum einer Spezies zeugt   Nachkommen, die alle stochastisch unabhängig voneinander mit einer Wahrscheinlichkeit von   das geschlechtsreife Alter erreichen. Interessiert ist man nun an der Wahrscheinlichkeit, dass zwei oder mehr Nachkommen das geschlechtsreife Alter erreichen.

Exakte Lösung

Bearbeiten

Sei   die Zufallsvariable „Der  -te Nachkomme erreicht das geschlechtsreife Alter“. Es gilt   und   für alle  . Dann ist die Anzahl der überlebenden Nachkommen   aufgrund der stochastischen Unabhängigkeit  -verteilt. Zur Modellierung definiert man den Wahrscheinlichkeitsraum   mit der Ergebnismenge  , der Anzahl der überlebenden geschlechtsreifen Nachkommen. Die σ-Algebra ist dann kanonisch die Potenzmenge der Ergebnismenge:   und als Wahrscheinlichkeitsverteilung die Binomialverteilung:  . Gesucht ist  . Es erreichen also mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 26 % mindestens zwei Individuen das geschlechtsreife Alter.

Approximierte Lösung

Bearbeiten

Da   ausreichend groß und   ausreichend klein ist, lässt sich die Binomialverteilung genügend genau mittels der Poisson-Verteilung annähern. Diesmal ist der Wahrscheinlichkeitsraum   definiert mittels des Ergebnisraums  , der  -Algebra   und der Poisson-Verteilung als Wahrscheinlichkeitsverteilung   mit dem Parameter  . Man beachte hier, dass die beiden modellierten Wahrscheinlichkeitsräume unterschiedlich sind, da die Poisson-Verteilung auf einem endlichen Ergebnisraum keine Wahrscheinlichkeitsverteilung definiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens zwei Individuen das geschlechtsreife Alter erreichen, ist also  .

Bis auf vier Nachkommastellen stimmt also die exakte Lösung mit der Poisson-Approximation überein.

Bearbeiten

Literatur

Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Eric W. Weisstein: Le Cam's Inequality. In: Mathworld. Abgerufen am 18. November 2023.