Poisson-Approximation
Die Poisson-Approximation ist in der Wahrscheinlichkeitsrechnung eine Möglichkeit, die Binomialverteilung und die verallgemeinerte Binomialverteilung für große Stichproben und kleine Wahrscheinlichkeiten durch die Poisson-Verteilung anzunähern. Durch den Grenzübergang nach unendlich erhält man dann die Konvergenz in Verteilung der beiden Binomialverteilungen gegen die Poisson-Verteilung.
Formulierung
BearbeitenIst eine Folge binomialverteilter Zufallsvariablen mit Parametern und , sodass für die Erwartungswerte für gilt, dann folgt
für .
Beweis-Skizze
BearbeitenDer Wert einer Poisson-verteilten Zufallsvariable an der Stelle ist der Grenzwert einer Binomialverteilung mit an der Stelle :
Bei großen Stichproben und kleinem lässt sich folglich die Binomialverteilung gut durch die Poisson-Verteilung approximieren.
Die Darstellung als Grenzwert der Binomialverteilung erlaubt eine alternative Berechnung von Erwartungswert und Varianz der Poisson-Verteilung. Seien unabhängige bernoulliverteilte Zufallsvariablen mit und sei . Für gilt und
Güte der Approximation
BearbeitenFür die Fehlerabschätzung gilt
- .
Die Approximation einer Summe von Bernoulli-verteilten Zufallsvariablen (bzw. einer binomialverteilten Zufallsvariable) ist also insbesondere für kleine gut. Als Faustregel gilt, dass die Approximation gut ist, wenn und gilt. Ist , so ist die Normal-Approximation besser geeignet.
Le Cams Verallgemeinerung
BearbeitenAllgemeiner lässt sich Folgendes zeigen: Seien stochastisch unabhängige Zufallsvariablen mit (jede Zufallsvariable ist also Bernoulli-verteilt), dann ist
verallgemeinert binomialverteilt. Definiere
- ,
dann gilt
- .
Im Englischen ist dieses Resultat als „Ungleichung von Le Cam“ (Le Cam’s Inequality) bekannt.[1]
Gilt für alle , so ist binomialverteilt und das obige Ergebnis folgt sofort.
Beispiel
BearbeitenEin Individuum einer Spezies zeugt Nachkommen, die alle stochastisch unabhängig voneinander mit einer Wahrscheinlichkeit von das geschlechtsreife Alter erreichen. Interessiert ist man nun an der Wahrscheinlichkeit, dass zwei oder mehr Nachkommen das geschlechtsreife Alter erreichen.
Exakte Lösung
BearbeitenSei die Zufallsvariable „Der -te Nachkomme erreicht das geschlechtsreife Alter“. Es gilt und für alle . Dann ist die Anzahl der überlebenden Nachkommen aufgrund der stochastischen Unabhängigkeit -verteilt. Zur Modellierung definiert man den Wahrscheinlichkeitsraum mit der Ergebnismenge , der Anzahl der überlebenden geschlechtsreifen Nachkommen. Die σ-Algebra ist dann kanonisch die Potenzmenge der Ergebnismenge: und als Wahrscheinlichkeitsverteilung die Binomialverteilung: . Gesucht ist . Es erreichen also mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 26 % mindestens zwei Individuen das geschlechtsreife Alter.
Approximierte Lösung
BearbeitenDa ausreichend groß und ausreichend klein ist, lässt sich die Binomialverteilung genügend genau mittels der Poisson-Verteilung annähern. Diesmal ist der Wahrscheinlichkeitsraum definiert mittels des Ergebnisraums , der -Algebra und der Poisson-Verteilung als Wahrscheinlichkeitsverteilung mit dem Parameter . Man beachte hier, dass die beiden modellierten Wahrscheinlichkeitsräume unterschiedlich sind, da die Poisson-Verteilung auf einem endlichen Ergebnisraum keine Wahrscheinlichkeitsverteilung definiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens zwei Individuen das geschlechtsreife Alter erreichen, ist also .
Bis auf vier Nachkommastellen stimmt also die exakte Lösung mit der Poisson-Approximation überein.
Weblinks
Bearbeiten- A.V. Prokhorov: Poisson theorem. In: Michiel Hazewinkel (Hrsg.): Encyclopedia of Mathematics. Springer-Verlag und EMS Press, Berlin 2002, ISBN 1-55608-010-7 (englisch, encyclopediaofmath.org).
- Eric W. Weisstein: Poisson theorem. In: MathWorld (englisch).
Literatur
Bearbeiten- Achim Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 3. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2013, ISBN 978-3-642-36017-6, doi:10.1007/978-3-642-36018-3.
- Ulrich Krengel: Einführung in die Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik. Für Studium, Berufspraxis und Lehramt. 8. Auflage. Vieweg, Wiesbaden 2005, ISBN 3-8348-0063-5, doi:10.1007/978-3-663-09885-0.
- Hans-Otto Georgii: Stochastik. Einführung in die Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik. 4. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-11-021526-7, doi:10.1515/9783110215274.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Eric W. Weisstein: Le Cam's Inequality. In: Mathworld. Abgerufen am 18. November 2023.