Polykratie
Polykratie (von griechisch poly ‚viele‘ und kratéin ‚herrschen‘) bezeichnet das Nebeneinanderbestehen von konkurrierenden Herrschaftsinstitutionen mit gleichen oder ähnlichen Kompetenzen.
Der Begriff wurde von der Geschichtswissenschaft geprägt und charakterisiert nicht klar abzugrenzende, ineinandergreifende Machtstrukturen. Besonders ausgeprägte Polykratie war im Herrschaftssystem des Nationalsozialismus zu finden, in dem Instanzen der NSDAP miteinander und mit staatlichen Einrichtungen rivalisierten.
Bis Ende der 1960er haben eine Reihe wichtiger Untersuchungen, unter dem Einfluss der aufkommenden Strukturgeschichte und Systemanalyse stehend, dass nazideutsche „Führungschaos“ offengelegt und die Vorstellungen von einem monolithischen und totalitären Staat beendet. Hitlers Autorität war nur noch ein Element einer multidimensionalen, polykratischen Machtstruktur, wenn auch ein sehr wichtiges.[1]
Peter Hüttenberger unterschied innerhalb dieser polykratischen Machtstruktur, in Weiterentwicklung des Ansatzes Franz Neumann in seinem Werk Behemoth, 4 wechselseitig abhängige Blöcke, die in einem ungeschriebenen Pakt das Machtkartell des Naziregimes bildeten. Diese waren der Naziblock, die Großwirtschaft, die Reichswehr und ab 1936 ein von der NSDAP abgespalter SS/SD/Gestapo-Komplex.[2]
Siehe auch
Bearbeiten- Monokratie (Gegenbegriff)
Literatur
Bearbeiten- Klaus Hildebrand: Monokratie oder Polykratie? Hitlers Herrschaft und das Dritte Reich. In: Karl Dietrich Bracher, Manfred Funke, Hans-Adolf Jacobsen (Hrsg.): Nationalsozialistische Diktatur. 1933–1945. Eine Bilanz (= Bonner Schriften zur Politik und Zeitgeschichte. Bd. 21). Droste, Düsseldorf 1983, ISBN 3-7700-0630-5, S. 73–96.
- Peter Hüttenberger: Nationalsozialistische Polykratie. In: Geschichte und Gesellschaft. Jg. 2, Heft 4, 1976, ISSN 0340-613X, S. 417–442.
- Michael Ruck: Führerabsolutismus und polykratisches Herrschaftsgefüge. Verfassungsstrukturen des NS-Staates. In: Karl-Dietrich Bracher, Manfred Funke, Hans-Adolf Jacobsen (Hrsg.): Deutschland 1933–1945. Neue Studien zur Politik und Zeitgeschichte (= Bonner Schriften zur Politik und Zeitgeschichte. Bd. 23). 2., ergänzte Auflage. Droste, Düsseldorf 1993, ISBN 3-7700-0993-2, S. 32–56.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Ian Kershaw: Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick. Reinbek bei Hamburg 1994, S. 120.
- ↑ Kershaw: Der NS-Staat. S. 96.
Weblinks
Bearbeiten- Rüdiger Hachtmann: Polykratie – Ein Schlüssel zur Analyse der NS-Herrschaftsstruktur?, Version: 1, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 1. Juni 2018