Polyurie

krankhaft erhöhte Urinausscheidung
Klassifikation nach ICD-10
R35 Polyurie
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ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Als Polyurie (von altgriechisch πολυουρία poliuría, deutsch ‚viel Harnen‘; deutsch auch Harnflut) wird eine krankhaft erhöhte Urinausscheidung (vermehrte Diurese) bezeichnet. Bei erwachsenen Menschen wird üblicherweise die Ausscheidung von mehr als 3 Litern Urin in 24 Stunden als Polyurie definiert,[1][2] es gibt jedoch auch niedriger angesetzte Grenzwerte (z. B. mehr als 2,5 Liter Urin in 24 Stunden[3]). Die Urinmenge eines gesunden Erwachsenen liegt bei 0,8 bis 2 Liter in 24 Stunden.[4] Vergleichszahlen für den normalen Harnfluss bei Kindern (24-Stunden-Sammelurin) fehlen in der Fachliteratur.[5] Man behilft sich mit der Osmolalität des Urins bei den verschiedenen Nierenkrankheiten.[6]

Ursachen

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Geschichte

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Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat Hans Eppinger auf die Bedeutung der Nierenkanälchen (Tubulus) bei der Polyurie hingewiesen. Er beschrieb „Polyurien als Zeichen von tubulärer Insuffizienz;[10] das Auftreten einer solchen Störung wird aber meist durch die gleichzeitig bestehende extrarenale Zirkulationsschwäche verhindert.“[11][12][13] Die Nephrologen beschrieben „die Polyurie als Symptom der tubulären Insuffizienz, also als Folge der tubulären Minderleistung.“[14] Eine Verkleinerung der Rückresorption des Primärharns bewirkt gegengleich eine Vergrößerung der Diurese und damit des Sekundärharnvolumens (Harnfluss). Walter Frey nannte das „eine tubulär bedingte Polyurie bei gleichzeitiger hochgradiger Reduktion der glomerulären Filtration.“

Früher vermutete man eine Linearität zwischen Harnkonzentration und Harnflussgröße.[15]

Im Jahr 1905 führte der Urologe Joaquín Albarrán die experimentelle Polyurie zur Diagnostik von Nierenstörungen ein.[16]

Pathophysiologie

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Tubuluskrankheiten verursachen eine renale Konzentrationsstörung mit einer Polyurie.[17]

Symptome

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In der Regel findet sich neben der erhöhten Urinausscheidung (mehr als 3 l in 24 Stunden) auch ein dranghaft vermehrter Durst (Polydipsie) zum Ausgleich der Flüssigkeitsverluste. Häufig findet sich dennoch eine sogenannte Exsikkose (Austrocknung, Dehydratation).

Diagnostik

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Differentialdiagnose

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Bei der psychogenen Polydipsie trinken Patienten auf Grund einer psychischen Erkrankung zu viel. Natürlich ist dann sekundär die Harnmenge erhöht. Bei der Pollakisurie ist die Miktionsfrequenz auch ohne Veränderung der Gesamtharnmenge erhöht.

Siehe auch

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Literatur

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  • Joachim Frey: Harnmengenänderungen. In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin u. a. 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 905–910, und Hypophysär-diencephale Poly- und Oligurie: S. 917–919.
  • In der 5. Auflage des Handbuches der inneren Medizin (Herausgeber Herbert Schwiegk, ISBN 3-540-04152-4) von 1968 finden sich im Sachverzeichnis allein anderthalb Seiten Verweisungen zu den Stichworten Harnkonzentration beziehungsweise Harnkonzentrierung.
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Wiktionary: Polyurie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Adam D. Jakes, Sunil Bhandari: Investigating polyuria. In: British Medical Journal (BMJ). Band 347, 2. Dezember 2013, ISSN 1756-1833, S. f6772, doi:10.1136/bmj.f6772, PMID 24297973 (bmj.com [abgerufen am 9. März 2023]).
  2. Edouard Battegay (Hrsg.): Differenzialdiagnose Innerer Krankheiten. Vom Symptom zur Diagnose. 21., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Georg Thieme, Stuttgart/New York 2017, ISBN 978-3-13-344821-5, S. 440.
  3. Willibald Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch, 269. Auflage, Verlag Walter de Gruyter, Berlin / Boston 2023, ISBN 978-3-11-078334-6, S. 1400.
  4. Urine 24-hour volume. In: MedlinePlus. Abgerufen am 11. Januar 2023.
  5. Markus Daschner: Tabellarum nephrologicum. 3. Auflage. Shaker Verlag, Aachen 2009, ISBN 978-3-8322-7967-7.
  6. Karl Schärer, Otto Mehls (Hrsg.): Pädiatrische Nephrologie. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2002, ISBN 3-540-41912-8, Abbildung 38-2, S. 364.
  7. Willibald Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch, 269. Auflage, Verlag Walter de Gruyter, Berlin / Boston 2023, ISBN 978-3-11-078334-6, S. 1400.
  8. Maxim Zetkin, Herbert Schaldach: Lexikon der Medizin, 16. Auflage, Ullstein Medical, Wiesbaden 1999, ISBN 978-3-86126-126-1, S. 1603.
  9. Franz Volhard prägte den Begriff der Zwangspolyurie. Er meinte damit die kompensatorische Polyurie als Folge einer Hyposthenurie oder einer Isosthenurie. Quelle: Handbuch der inneren Medizin, 5. Auflage, 8. Band, 1. Teil, ISBN 978-3-642-95038-4, S. 551.
  10. Auch der Begriff der tubulären Insuffizienz geht auf Franz Volhard zurück. „Er definierte (1931) als ‚Tubuliinsuffizienz ein Konzentrationsunvermögen, das nur dadurch kompensiert werden kann, daß die Glomeruli mehr leisten, das heißt durch eine Polyurie‘, so daß ‚jede Tubuliinsuffizienz, die zur Niereninsuffizienz führt, mit einer Abnahme der maximalen Leistungsfähigkeit der Glomeruli verbunden sein muß.‘“ Quelle: Handbuch der inneren Medizin, 5. Auflage, 8. Band, 1. Teil, ISBN 978-3-642-95038-4, S. 552 f.
  11. Walter Frey, Friedrich Suter: Handbuch der inneren Medizin. 4. Auflage. 8. Band: Nieren und ableitende Harnwege: Die hämatogenen Nierenerkrankungen, die ein- und beidseitig auftretenden Nierenkrankheiten, Erkrankungen der Blase, der Prostata, der Hoden und Nebenhoden, der Samenblasen. Funktionelle Sexualstörungen. Springer-Verlag, Berlin / Göttingen / Heidelberg 1951, Zitate S. 534 und 646.
  12. Hans Eppinger: Pathologie und Therapie des menschlichen Ödems. Berlin 1917.
  13. Hans Eppinger: Die Permeabilitätspathologie. Wien 1948.
  14. Ulrich Gessler, K. Schröder: Experimenteller Beitrag zur Pathogenese der akuten Anurie. In: Karl Julius Ullrich, Klaus Hierholzer (Hrsg.): Normale und pathologische Funktionen des Nierentubulus. Verlag Hans Huber, Bern 1965, S. 349–353, Zitat S. 353. DNB 458762938.
  15. Handbuch der inneren Medizin (bearbeitet von Eberhard Buchborn, Karel Čapek, Peter Deetjen, J. Eigler, Konrad Federlin, Robert Heintz, J. Heller, Hans Jesserer, Arnold Kleinschmidt, Friedrich Krück, J. Martinek, Ernst-Friedrich Pfeiffer, Roland Richterich, Gerhard Riecker, Klaus Thurau, F. Wahlig, H. Wirz, Hans Ulrich Zollinger), 5. Auflage, 8. Band, 1. Teil, Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1968, ISBN 978-3-642-95038-4), S. 536, Zitat von Eberhard Buchborn.
  16. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 57.
  17. Markus J. Kemper, Jun Oh: Das akute und chronische Nierenversagen. In: Jörg Dötsch, Lutz T. Weber (Hrsg.): Nierenerkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg 2017, ISBN 978-3-662-48788-4, S. 169–192, Zitat S. 181.