Präsident der Republik Estland

Staatsoberhaupt von Estland

Der Präsident der Republik Estland (estnisch Eesti Vabariigi President[2]) ist das estnische Staatsoberhaupt. Die Wahl und die Kompetenzen des Präsidenten werden durch die estnische Verfassung von 1992 bestimmt. Seine Kompetenzen sind mit denen des österreichischen Bundespräsidenten vergleichbar.

Präsident der Republik Estland
Eesti Vabariigi President
Flagge des Präsidenten
Amtierend
Alar Karis
seit dem 11. Oktober 2021
Anrede Herr Präsident (informell)
Eure Exzellenz (diplomatisch)
Amtssitz Kadriorg, Tallinn
Amtszeit 5 Jahre
(unmittelbare Wiederwahl einmal möglich)
Letzte Wahl 30./31. August 2021
Ernennung durch Riigikogu
Schaffung des Amtes 24. April 1938
Erster Amtsinhaber Konstantin Päts
Gehalt 6.661,77 EUR monatlich[1]
Website [1]
Amtssitz des estnischen Präsidenten im Tallinner Stadtteil Kadriorg
Schild an der estnischen Präsidialkanzlei

Geschichte des Amts

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1918 erlangte Estland seine staatliche Unabhängigkeit von Russland. Die Verfassung von 1920 sah keinen Präsidenten vor; dadurch wurde die Konzentration der Macht in einer Person vermieden und ein stark parlamentarisches System errichtet. Bis 1934 war der Staatsälteste (Riigivanem) als Regierungschef gleichzeitig estnisches Staatsoberhaupt. Er konnte damit jederzeit vom Parlament entlassen werden. Eine ausgleichende politische Rolle zwischen Parlament und Regierung fehlte.

Mit der Verfassungsreform von 1933 wurde ein Präsidialsystem eingeführt. Das Staatsoberhaupt hieß weiterhin Staatsältester. 1934 riss allerdings der damalige Regierungschef Konstantin Päts in einem gewaltlosen Putsch die Macht an sich und errichtete ein autoritäres Regime. Er wollte damit einer Machtergreifung rechtsextremistischer Kräfte zuvorkommen. Mit der Verfassung von 1938 wurde Päts zum Präsidenten gewählt. Die Amtszeit sollte sechs Jahre dauern. Sie endete 1940 mit der sowjetischen Besetzung des Landes.

Mit der Wiedererlangung der estnischen Unabhängigkeit im August 1991 wurde eine moderne estnische Verfassung geschaffen. Sie ist bis heute gültig. 1992 wurde Lennart Meri zum ersten Präsidenten nach dem Zweiten Weltkrieg gewählt. Erste Frau im Amt wurde die 2016 gewählte Kersti Kaljulaid.

Zum estnischen Präsident kann jeder estnische Staatsbürger gewählt werden, der das 40. Lebensjahr vollendet und die estnische Staatsangehörigkeit durch Geburt erworben hat.

Zur Wahl des Präsidenten ist zunächst das estnische Parlament (Riigikogu) berufen. Ein Wahlvorschlag muss von mindestens 21 Abgeordneten unterstützt werden.

Die Abstimmung findet in geheimer Wahl statt. Ein Kandidat muss für die Wahl eine Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl des Parlaments auf sich vereinigen, benötigt daher 68 Ja-Stimmen.

Gelingt dies in drei Wahlgängen nicht, geht das Wahlrecht vom Parlament auf eine besondere Wahlversammlung (valimiskogu) über. Diese besteht aus den 101 Abgeordneten des estnischen Parlaments sowie Wahlmännern und -frauen, die von den kommunalen Gebietskörperschaften (Städten und Gemeinden) bestimmt werden. Sie tritt innerhalb eines Monats nach dem dritten Wahlgang im Parlament zusammen.

Die beiden Kandidaten, die im dritten Wahlgang des Riigikogu die meisten Stimmen erhalten haben, sowie Kandidaten, die von mindestens 21 Mitgliedern der Wahlversammlung vorgeschlagen werden, stehen im ersten Wahlgang der Wahlversammlung zur Wahl. Gewählt ist der Bewerber, der die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhält.

Wird kein Kandidat im ersten Wahlgang gewählt, findet am selben Tag ein weiterer Wahlgang statt. In diesem treten die beiden Kandidaten an, die im ersten Wahlgang der Wahlversammlung die höchste Stimmenzahl erhalten haben. Kann auch im zweiten Wahlgang kein Kandidat mehr als die Hälfte aller abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen, geht das Wahlrecht für das Amt des Staatspräsidenten wieder auf das Parlament über.

Amtszeit

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Die Amtszeit des estnischen Präsidenten beträgt fünf Jahre. Eine anschließende Wiederwahl ist nur einmal zulässig. Zu Beginn seiner Amtszeit legt der estnische Staatspräsident seinen Amtseid vor dem Parlament ab.

Der Präsident darf während der Ausübung seines Amtes keiner politischen Partei angehören und keine anderen Ämter bekleiden.

Der estnische Präsident genießt während seiner Amtszeit Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung. Die Immunität kann nur auf Antrag des Rechtskanzlers durch das Parlament mit der Mehrheit seiner gesetzlichen Mitgliederzahl aufgehoben werden. Bei einer anschließenden Verurteilung verliert der Präsident sein Amt.

Das Amt des Präsidenten endet mit dem Amtsantritt seines Nachfolgers. Er ist zum Rücktritt vom Amt (außer in Kriegszeiten) berechtigt. Bei Verhinderung der Amtsausübung wird der estnische Präsident vorübergehend durch den Parlamentspräsidenten vertreten, dem aber nur eingeschränkte Befugnisse zustehen.

Aufgaben und Kompetenzen

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Das Amt des estnischen Präsidenten ist hauptsächlich zeremonieller Natur. Er ist Oberbefehlshaber der estnischen Streitkräfte.

Der Präsident vertritt Estland völkerrechtlich. Er ernennt die estnischen Botschafter und beglaubigt die ausländischen Gesandten in Estland. Er verleiht Orden sowie militärische und diplomatische Titel. Ihm steht das Gnadenrecht zu.

Er ruft ordentliche und unter den in der Verfassung vorgesehenen Fällen außerordentliche Parlamentswahlen aus. Er beglaubigt die neu gewählten Abgeordneten und eröffnet die erste Sitzung. Er kann dem Parlamentspräsidenten die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung vorschlagen.

Nach Konsultationen mit den politischen Parteien schlägt er dem Parlament einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten vor. Findet dieser Kandidat keine Mehrheit im Parlament, kann der Präsident einen anderen Kandidaten vorschlagen. Findet auch dieser Kandidat keine Mehrheit, geht das Nominierungsrecht auf das Parlament über.

Auf Vorschlag des Ministerpräsidenten ernennt und entlässt der Präsident die Minister. Ihm steht dabei kein Prüfungsrecht zu. Der Staatspräsident ernennt und entlässt den Vorsitzenden des Staatsgerichtshofs (Riigikohus), den Vorsitzenden des Zentralbankrats der Eesti Pank, den Vorsitzenden des Rechnungshofs, den Rechtskanzler und den militärischen Befehlshaber der Streitkräfte. Er ernennt auf Vorschlag des Vorsitzenden des Staatsgerichtshofs dessen Richter und auf Vorschlag des Zentralbankrats den Präsidenten der Eesti Pank. Ihm steht die Aufhebung der strafrechtlichen Immunität des Rechtskanzlers zu.

Der Präsident fertigt die Gesetze aus. Hält er ein Gesetz für verfassungswidrig oder aus politischen Gründen für unangemessen, kann er das Gesetz an das Parlament zurückverweisen. Verabschiedet es das Parlament erneut in unveränderter Form, kann es der Präsident dem Staatsgerichtshof (Riigikohus) zur Überprüfung vorlegen. Hält der Staatsgerichtshof das Gesetz für verfassungskonform, muss es der Präsident ausfertigen.

Der Präsident kann dem Parlament eine Änderung der Verfassung vorschlagen. Lennart Meri hat zweimal von diesem Recht Gebrauch gemacht,[3] Toomas Hendrik Ilves einmal.[4]

Der estnische Präsident ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte (obwohl dieses Amt mehr symbolischer Natur ist). Er kann dem Parlament die Ausrufung des Verteidigungsfalles, die Erklärung des Notstands sowie die Mobilmachung und Demobilisierung vorschlagen. Im Falle eines kriegerischen Angriffs auf Estland stehen ihm diese Rechte ohne Befassung des Parlaments zu.

Liste der Präsidenten Estlands

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# Bild Name Amtsantritt Amtsaustritt Partei
1   Konstantin Päts 24. April 1938 21. Juni 1940
2   Lennart Meri 6. Oktober 1992 8. Oktober 2001 IL
3   Arnold Rüütel 8. Oktober 2001 9. Oktober 2006 ERL
4   Toomas Hendrik Ilves 9. Oktober 2006 10. Oktober 2016 SDE
5   Kersti Kaljulaid 10. Oktober 2016 11. Oktober 2021 parteilos
6   Alar Karis 11. Oktober 2021 amtierend parteilos

Siehe auch

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Anmerkungen

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  1. Sergei Mihhailov: Tippametnike ja -poliitikute palk tõuseb aprillist umbes saja euro võrra. ERR, 19. März 2021, abgerufen am 11. Oktober 2021 (estnisch).
  2. Sein amtlicher Titel lautet Vabariigi President, „Präsident der Republik“
  3. Vorschlag zur Volkswahl des Präsidenten und Schaffung eines estnischen Verfassungsgerichts; beide Vorschläge scheiterten im Parlament
  4. Ernennung des militärischen Kommandierenden der Streitkräfte durch die Regierung und nicht mehr durch das Parlament; bislang noch nicht entschieden