Parallelismus (Musik)

(Weitergeleitet von Quartfallsequenz)

Als Parallelismus werden in der Musiktheorie bestimmte Satzmodelle bezeichnet, darunter (als Dur-Moll-Parallelismus) die Sequenz, die dem berühmten Kanon von Johann Pachelbel zugrunde liegt.

Der Begriff stammt von Carl Dahlhaus.[1] Dieser verwendet ihn einerseits für das Verhältnis zwischen Parallelklängen im Sinne der Funktionstheorie[2] und andererseits für jenes Muster, das ihm zufolge (neben der vollständigen Kadenz und der Quintschrittsequenz) zu den „charakteristischen Schemata der tonalen Harmonik“ gehört: „Moll: V–I–VII–III = Dur: III–VI–V–I oder Moll: III–VII–I–V = Dur: I–V–VI–III“:[3]

Z. B. in C-Dur/a-Moll:


\new PianoStaff <<
   \new Staff <<
    \set Score.tempoHideNote = ##t
    \time 4/1
    \tempo 1 = 88
    \override Staff.TimeSignature.transparent = ##t
         \relative c''
         { < g b >1 < a c > < b d > < c e > \bar "||" < c e > < b d > < a c > < g b > \bar "||" }
          >>

    \new Staff <<
           \override Staff.TimeSignature.transparent = ##t
              \clef "bass"
              \relative c { e1 a g c c g a e }
              \addlyrics { C:_III VI V I I V VI III }
              \addlyrics { a:_V I VII III III VII I V }

     >>
 >>

Andere gängige Bezeichnungen für den Dur-Moll-Parallelismus sind Pachelbel-Sequenz,[4] terzschrittige Quartfallsequenz[5] und Romanesca.[6]

Hartmut Fladt hat den Begriff Parallelismus uminterpretiert und die Parallelführung zweier Stimmen, die dem Dur-Moll-Parallelismus satztechnisch zugrunde liegt, in den Vordergrund gerückt. Vor diesem Hintergrund spricht er auch von Terzen-, Sexten- und Dezimen-Parallelismen. Darüber hinaus unterscheidet er:[7]

  • Moll-Dur-Parallelismen: D–t–(D)–tP
  • Parallelismen mit chiastisch vertauschten Gliedern, z. B.: T–D–(D)–Tp
  • Dur-Dur-Parallelismen, z. B.: C–G7–As–Es7–E–H7–…
  • Moll-Moll-Parallelismen, z. B.: c–B–es–Des–ges–E–a–…

Historisch sind die Akkordfolgen des Dur-Moll- und Moll-Dur-Parallelismus tatsächlich aus der Parallelführung zweier Stimmen mit einer hinzugefügten Bassstimme entstanden. Dies belegt u. a. der Traktat De praeceptis artis musicae des Guilielmus Monachus (um 1480), wo dieses Verfahren als Improvisationspraxis beschrieben wird.[8] Die Bassstimme (contratenor bassus) alterniert in Bezug auf die Oberstimme der Terzparallelen (bzw. die Unterstimme der Sextparallelen) zwischen Unterterz und Unterquinte.

Die charakteristischen Klangfolgen des Passamezzo, der Folia sowie die in aktueller Popularmusik häufig verwendete I–V–VI–IV-Progression können alle aus diesem Verfahren hergeleitet werden:


\new PianoStaff <<
   \new Staff <<
    \set Score.tempoHideNote = ##t
    \time 4/1
    \tempo 1 = 88
    \override Staff.TimeSignature.transparent = ##t
         \relative c''
         { \repeat volta 2 { < c \tweak NoteHead.color #blue e >1 < b \tweak NoteHead.color #red d > < a \tweak NoteHead.color #blue c > < a \tweak NoteHead.color #red c > } }
              \addlyrics { "3" "5" "3" "5" }
          >>

    \new Staff <<
           \override Staff.TimeSignature.transparent = ##t
              \clef "bass"
              \relative c { \tweak NoteHead.color #blue c \tweak NoteHead.color #red g \tweak NoteHead.color #blue a \tweak NoteHead.color #red f }
              \addlyrics { "I" "V" "VI" "IV" }
     >>
 >>

Literatur

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  • Hans Aerts: ‚Modell‘ und ‚Topos‘ in der deutschsprachigen Musiktheorie seit Riemann. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie 4/1–2 (2007), S. 143–158 (online).
  • Carl Dahlhaus: Untersuchungen über die Entstehung der harmonischen Tonalität (Kiel, Univ., Habil.-Schr., 1966). In: Gesammelte Schriften. Hrsg. von Hermann Danuser. Band 3: Alte Musik. Musiktheorie bis zum 17. Jahrhundert – 18. Jahrhundert Laaber-Verlag, Laaber 2001.
  • Hartmut Fladt: Modell und Topos im musiktheoretischen Diskurs. Systematiken/Anregungen. In: Musiktheorie 2005/4, S. 343–369.
  • Robert Gjerdingen: Music in the Galant Style. Oxford University Press, Oxford 2007, ISBN 978-0-19-531371-0.
  • Markus Jans: Alle gegen Eine. Satzmodelle in Note-gegen-Note-Sätzen des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Basler Jahrbuch für historische Musikpraxis 10, Amadeus, Winterthur 1986, ISBN 3-905049-41-4. S. 101–120.
  • Ludwig Holtmeier, Johannes Menke, Felix Diergarten: Solfeggi, Bassi e Fughe. Georg Friedrich Händels Übungen zur Satzlehre. Florian Noetzel Verlag, Wilhelmshaven 2013, ISBN 978-3-7959-0906-2.
  • Ulrich Kaiser: Gehörbildung. Satzlehre, Improvisation, Höranalyse. Bärenreiter, Kassel 1998, Band 1 (Grundkurs) ISBN 3-7618-1159-4, Band 2 (Aufbaukurs) ISBN 3-7618-1160-8.
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Einzelnachweise

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  1. Aerts 2007, Fußnote 5.
  2. Dahlhaus 2001, S. 53: „Vom Dur-Moll-Parallelismus der Akkorde a und C oder d und F ist eine Dur-Moll-Analogie zu unterscheiden, […].“
  3. Dahlhaus 2001, S. 99.
  4. Hempel 2014, S. 401.
  5. Hempel 2014, S. 400.
  6. Gjerdingen 2007, Kap. 2; Holtmeier u. a. 2013, S. 147 f.
  7. Fladt 2005.
  8. Siehe Jans 1986.