Ralf Schmerberg

deutscher Künstler, Filmemacher und Produzent

Ralf Schmerberg (* 28. Januar 1965 in Ludwigsburg) ist ein deutscher Künstler und Filmemacher. Er begann seine Karriere als Autodidakt in der Fotografie und hat im Laufe der letzten 20 Jahre ein umfassendes Werk zusammengetragen. Sein Œuvre umfasst Spielfilme, Dokumentarfilme, Kurzfilme, Video- und öffentliche Medieninstallationen, Social Gatherings und fotografische Arbeiten.

Ralf Schmerberg (2007)

Ralf Schmerberg ist Mitglied der Deutschen Filmakademie und der Directors Guild of America.[1] Er wurde mit einem Grimme Award und einem Cinema for Peace Award ausgezeichnet sowie für einen Emmy nominiert.[2] Seine Werke Wind und Under Five wurden in die Archive der Filmabteilung des Museum of Modern Art in New York aufgenommen.

Schmerberg lebt und arbeitet in Berlin.

Karriere

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Ralf Schmerberg wuchs in Korntal, einer kleinen Stadt bei Stuttgart, auf. Im Alter von 17 Jahren entwickelte er ein zunehmendes Interesse für das Soziale und Politische. Auf der Suche nach einem alternativen, altruistischen Lebensstil, brach er frühzeitig die Schule ab. Schmerberg folgte zunächst dem indischen Guru Bhagwan Shree Rajneesh und wurde einer seiner Sannyasins. 1985 traf er Jiddu Krishnamurti bei dessen letzten Reden in Saanen. Später lebte er unter dem 17. Karmapa und seinen Anhängern. Dort studierte er die Philosophien des tibetischen Buddhismus.

1987 kehrte Schmerberg nach Deutschland zurück, wo er zunächst als Mode- und Werbefotograf tätig war. Es folgte eine Karriere als Werberegisseur.

Im Laufe seiner Karriere realisierte Ralf Schmerberg zahlreiche Arbeiten mit internationalen Marken, Musikgruppen und Magazinen, die mehrfach ausgezeichnet wurden. Schmerberg hat neben Auftragsarbeiten für Apple, Nike, Levi’s, Lufthansa, die Stadt Paris, die Vereinten Nationen auch kurzfilmartige Musikvideos für Pussy Riot, Chaka Khan, Die Fantastischen Vier, Die Toten Hosen und Michael Franti gedreht. Daneben hat er zahlreiche Editorials mit Magazinen wie 032c, Tempo, Jam und Qvest veröffentlicht. Dabei gingen Schmerbergs Interessen immer über pure Ästhetik hinaus. Er ist überzeugt, dass die Bildsprache, wie sie in der Werbung und Musikindustrie verwendet wird, humanistische Botschaften vermitteln, aber auch gegen bestimmte Missstände protestieren kann.[3]

1994 schuf Schmerberg seine erste fotografische Serie Der Stamm der weißen Krieger.[4] Enttäuscht von der Rio-Konferenz 1992, reagierte Schmerberg, indem er die Ungleichheiten zwischen der ersten und der dritten Welt in dieser Serie von Schwarz-Weiß-Fotografien darlegte. 1996 drehte Schmerberg seinen ersten Film Hommage à Noir in Kamerun, für den er 1997 eine UNESCO-Nominierung erhielt.[5] Mit dem Ziel, die Vorurteile seiner Zeit – nicht zuletzt seine eigenen – zu konfrontieren, wurde der Film zu einem visuellen Gedicht, einer Würdigung der afrikanischen Kultur mit all ihren Widersprüchen.[6]

Schmerbergs zweiter Film widmete sich der deutschen Sprache. In POEM visualisierte Schmerberg 19 Gedichte von renommierten Lyrikern wie Heiner Müller, Hermann Hesse und Hans Arp mit Darstellern wie u. a. Oscar-Preisträgerin Luise Rainer, Klaus Maria Brandauer und Herman van Veen. 2003 wurde der Film auf den Internationalen Filmfestspielen Berlin uraufgeführt.

2003 mitbegründete Schmerberg dropping knowledge, eine interaktive Online-Plattform für sozialen Dialog, die sich mit der Frage befasste: „Who are we in the 21st century?“.[7] In einer Zeit, in der Social Media noch in den Kinderschuhen steckte, war dropping knowledge ein Pionier der sozialen Vernetzung. Ursprünglich eine Reaktion auf den Irak-Krieg, produzierte die Initiative zahlreiche Social-Ad-Kampagnen, Dokumentationen und Kurzfilme unter copyleft-Lizenzen. In Zusammenarbeit mit Künstlern, Wissenschaftlern, Philosophen und Aktivisten aus der ganzen Welt wurde dropping knowledge ins Leben gerufen, um NGOs und andere Non-Profit-Organisationen in ihrer Tätigkeit zu unterstützen und zu fördern.

Die Bewegung gipfelte im weltgrößten Runden Tisch, dem Table of Free Voices, der am 9. September 2006 auf dem Bebelplatz in Berlin stattfand.[8] Schmerberg verbrachte die folgenden drei Jahre damit, das Bildmaterial der Veranstaltung zu seinen dritten Film Problema zusammenzuschneiden. Dieser wurde 2010 unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht.

2007 gründete Ralf Schmerberg die Mindpirates, ein Kollektiv aus bildenden Künstlern, Filmemachern, Musikern, Designern und Kuratoren, welches sich mit Aspekten der zeitgenössischen Kultur, Soziologie und Ökologie auseinandersetzte. In den Folgejahren entstanden so zahlreiche Ausstellungen, Veranstaltungen und Filme, darunter die Dokumentation „Trouble – Teatime in Heiligendamm“ beim G8-Gipfel in Heiligendamm 2007, die 2008 mit dem „Cinema for Peace–Award“ für „Most Valuable Documentary of the Year“ ausgezeichnet wurde.[9] 2012 organisierte die Gruppe ein 24-Stunden-Happening mit dem Titel The Lovers, das einen Diskurs über Utopien, Träume und die Beziehung zwischen Mensch und Natur auslöste. Die Veranstaltung wurde im Folgejahr in der Ausstellung Odyssey of The Lovers dokumentiert. Das Kollektiv betrieb von 2015 bis 2017 den Projektraum The Hole - Institut für Sehsüchte in Berlin-Kreuzberg.

Egal ob als Filmemacher, Künstler oder Aktivist, die Kamera ist Ralf Schmerbergs ständiger Begleiter. So entstand über die Jahre ein umfangreiches fotografisches Werk. Ein Ausschnitt daraus erschien 2005 im Hatje-Cantz-Verlag unter dem Titel Dirty Dishes. Mit knapp 200 Fotografien wird hier der verschwenderische Umgang mit Nahrungsmitteln in Konsumgesellschaften dokumentiert.[10]

Zwischen 2014 und 2019 arbeitete Schmerberg an einem fotografischen und kinematographischen Projekt über Indien mit dem Titel Indarella[11]. Während der Musikaufnahmen in Indien wurde 2018 zwischen den dort teilnehmenden Musikern der Music Ashram ins Leben gerufen,[12] welcher sich in Berlin durch internationale Künstler, Performer und Musiker weiter formierte. Der Music Ashram ist Schmerbergs Herzensprojekt und wichtiger Bestandteil seiner Inspirationsquelle. Im Frühjahr 2021 veröffentlicht die Gruppe ihr erstes Album Staub.

Während des ersten Corona-Lockdowns 2020, arbeitete Schmerberg an seinem jüngsten Film Yesterway, der das Momentum der aktuellen Weltkrise aufgreift, um die Gesellschaft in eine Meditation über das „vergangene“ Leben zu begleiten und dabei die Frage stellt: „Wohin wollen wir zurück?“. Der Film bedient sich ausschließlich dem filmografisch-künstlerischen Archiv der Produktionen Schmerbergs. Die Filmmusik ist unter der Leitung von Tobias Feltes und in Verbindung mit Aufnahmen des Music Ashram entstanden.

Derzeit widmet sich Ralf Schmerberg dem Aufbau eines internationalen Kulturzentrums in einer ehemaligen Industriehalle der AEG in Berlin-Oberschöneweide.[13]

Filmografie (Auswahl)

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  • 2020 Yesterway
  • 2019 Indarella
  • 2010 Problema
  • 2003 Poem
  • 1996 Hommage à Noir

Ausstellungen (Auswahl)

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  • 2020 Coming Home - Heitsch Gallery, München[14]
  • 2019 Bing Bäng Over Gone - Atelier Ralf Schmerberg, Berlin
  • 2016 VisualLeader 2016 - Deichtorhallen, Hamburg[15]
  • 2016 An Innocent Mind Has No Fear - 032c Workshop, Berlin[16]
  • 2014 Greetings From Our Planet - Bryce Wolkowitz Gallery, New York[17]
  • 2014 AugenscHmERZ - pavlov’s dog, Berlin[18]
  • 2013 Der Tod Nimmt Sich Einen Tag Nach Dem Anderen - Mindpirates Projektraum, Berlin[19]
  • 2010 ARS Electronica Festival - ARS Electronica Center, Linz[20]
  • 2008 Whole Lotta Love - Contemporary Fine Arts, Berlin
  • 2001 The Good, The Bad And The Ugly - Miauhaus Gallery, Los Angeles
  • 1999 Hommage à Noir - PaceWildenstein Gallery, New York
  • 1995 Der Stamm der Weißen Krieger - Museum für Völkerkunde, Hamburg[21]
  • 1993 Ansichten von Alexandra S. - Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main

Auftragsarbeiten (Auswahl)

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  • 2017 Made in CNY, Apple, TBWA, Shanghai
  • 2014 What Difference Does It Make?, Red Bull Music Academy
  • 2012 La Vita è Bella, Fiat, Wieden + Kennedy, Shanghai
  • 2012 Russia - Land of Quattro, Audi, thjnk Berlin
  • 2011 Legacy, Levi’s, Wieden + Kennedy, Portland
  • 2011 Holywood, Entega, DDB, Berlin
  • 2010 Stromfresser / Café Endlager / Schneemann-Demo, Entega, DDB, Berlin
  • 2008 Das Haus der Vorstellung, Hornbach, Heimat Berlin
  • 2008 Bottled Courage, Just Do It, Nike, Wieden + Kennedy, Portland
  • 2002 Under Five (UNKids/AIDS PSA), United Nations Foundation, Michael Conrad & Leo Burnett, Chicago
  • 2002 Anthem & Wind, Hewlett-Packard, Goodby Silverstein & Partners, San Francisco; Under Five (UN Kids/AIDS PSA), United Nations, Leo Burnett, Chicago
  • 1999 The Blind Man – Ville de Paris, BL/LB Leo Burnett, Levallois
  • 1998 Michael Jordan, Nike, Wieden + Kennedy, Portland

Auszeichnungen (Auswahl)

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  • 2016 LeadAwards, Gold in der Kategorie Mood- und Modefotografie des Jahres für An Innocent Mind Has No Fear, 032c Nr. 30/2016[22]
  • 2012 LeadAwards, Creative Leader of the Year[23]
  • 2012 Clio Award, Silber für Levi’s Legacy[24]
  • 2011 Lucerne International Film Festival, „Bester Documentarfilm“ für Problema[25]
  • 2010 Cannes Lions, Gold für Schneemanndemo[26]
  • 2009 ADC Awards, Grand Prix für Haus der Vorstellung[27]
  • 2008 Cinema for Peace Award, Most Valuable Documentary of the Year: Trouble - Teatime in Heiligendamm[2]
  • 2007 ADC Awards, Silber für Table of Free Voices und dropping knowledge[28]
  • 2007 LeadAwards, Silber in der Kategorie WebDesign des Jahres[29]
  • 2007 Prix ARS Electronica, Erwähnung in der Kategorie Digital Communities: dropping knowledge
  • 2004 AICP Awards, Erwähnung in der Kategorie Editorial für School und Wind[30]
  • 2004 Grimme Online Preis für Poem
  • 1998 Deutscher Kamerapreis für Hommage à Noir
  • 1997 UNESCO Awards Nominierung für Hommage à Noir
  • 1994 Polaroid European Final Art Award
  • 1990 Kodak Nachwuchsförderpreis
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Literatur

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  • Johannes Diekhans (Hrsg.): EinFach Deutsch: POEM: Ein Film von Ralf Schmerberg. Gymnasiale Oberstufe. Schöningh Verlag, 2006, ISBN 3-14-022318-8.
  • Ralf Schmerberg: Dirty Dishes. Text(e) von Matthias Harder, Vorwort von Kurt Weidemann. Hatje Cantz Verlag, 2005, ISBN 3-7757-1571-1.

Einzelnachweise

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  1. The Guild / Members. DGA, abgerufen am 28. Februar 2017 (englisch).
  2. a b German Films: Film Info: Trouble - Teatime in Heiligendamm. Abgerufen am 1. März 2017 (englisch).
  3. CLAUDIUS SEIDL und RALF SCHMERBERG — Hier spricht Berlin und Schaut auf diese Stadt. In: Mindpirates. Abgerufen am 1. März 2017.
  4. Karin Stellwaag: Der Stamm der weissen Krieger. Galerie Peter Herrmann, 1994, abgerufen am 28. Februar 2017.
  5. Hommage à Noir. Galerie Peter Herrmann, abgerufen am 1. März 2017.
  6. Ralf Schmerberg - Hommage à Noir. Galerie Peter Herrmann, abgerufen am 24. August 2017.
  7. dropping knowledge: dropping knowledge:: Table of Free Voices. Abgerufen am 28. Februar 2017.
  8. 100 Fragen an die Weltgesellschaft. Abgerufen am 24. August 2017.
  9. Porträt - Ralf Schmerberg. In: arte.tv. Abgerufen am 1. März 2017.
  10. Ralf Schmerberg | Dirty Dishes. Hatje Cantz Verlag, abgerufen am 1. März 2017.
  11. Indarella. Internet Movie Database, abgerufen am 28. Juli 2024 (englisch).
  12. Music Ashram. 13. April 2021, abgerufen am 25. Mai 2021.
  13. Ingeborg Ruthe: Kärchern für die Kunst. In: Berliner Zeitung. Abgerufen am 13. April 2021.
  14. OPEN ART 2020 - Ralf Schmerberg: 23. Juli - 01. Oktober 2020. In: Heitsch Galerie. Abgerufen am 13. April 2021.
  15. DEICHTORHALLEN HAMBURG: VISUALLEADER 2016. 30. Oktober 2016, abgerufen am 13. November 2017.
  16. Ralf Schmerberg – " AN INNOCENT MIND HAS NO FEAR" | 032c Workshop. In: 032c Workshop. 27. Mai 2016 (032c.com [abgerufen am 13. November 2017]).
  17. Greetings from our planet. Bryce Wolkowitz Gallery, abgerufen am 13. November 2017 (englisch).
  18. Ralf Schmerberg: pavlov's dog. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. August 2017; abgerufen am 13. November 2017 (englisch).
  19. Ingeborg Wiensowski: Ralf Schmerberg: Voll auf der Droge Berlin. In: Spiegel Online. 12. Februar 2013, abgerufen am 13. November 2017.
  20. REPAIR – READY TO PULL THE LIFELINE / ARS ELECTRONICA FESTIVAL 2010. ARS ELECTRONICA FESTIVAL 2010, abgerufen am 13. November 2017 (amerikanisches Englisch).
  21. Ralf SCHMERBERG. Der Stamm der weissen Krieger. Galerie Peter Herrmann, abgerufen am 13. November 2017.
  22. LeadAwards 2016 - Preisträger. LEADACADEMY für Medien e. V., abgerufen am 28. Februar 2017.
  23. LeadAwards 2012 - Preisträger. LEADACADEMY für Medien e. V., abgerufen am 28. Februar 2017.
  24. Clio Awards 2016. Abgerufen am 28. Februar 2016.
  25. And the Winners 2011 Are… LiFF 2011, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 24. August 2017; abgerufen am 24. August 2017.
  26. Pressemeldung - ENTEGA-Denkanstoß gewinnt Auszeichnung in Cannes - Goldener Löwe für Schneemann-Demo in Berlin | ENTEGA AG. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. März 2017; abgerufen am 28. Februar 2017.
  27. ADC Gewinnergalerie. Abgerufen am 1. März 2017 (englisch).
  28. ADC Gewinnergalerie. Abgerufen am 1. März 2017 (englisch).
  29. LeadAwards 2007 - Preisträger. LEADACADEMY für Medien e. V., abgerufen am 1. März 2017.
  30. AICP Awards | Year 2004. From the Archives of the AICP Awards, abgerufen am 28. Februar 2017 (englisch).